Religion und Kirche verlieren in Deutschland an Bedeutung.
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Wenn die Kirchen sich leeren: Eine Untersuchung

Wie hältst Du‘s mit der Religion? Die Kirchen haben die Gretchenfrage gestellt. Die Antwort fällt verheerend aus: Für fast acht von zehn Menschen in Deutschland spielt Religion keine oder nur eine geringe Bedeutung. Und jetzt? Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Deutschen sind immer weniger religiös und setzen wenig Vertrauen in die Kirchen. Ein Befund, der der amtlichen Statistik widerspricht. Wenn man evangelische, katholische, orthodoxe und freikirchliche Christen zusammenzählt, dann sind immer noch mehr als die Hälfte aller Menschen hierzulande Mitglied einer Kirche.

Zahl der Kirchenaustritte könnte noch deutlich steigen

Wer mit Religion und Glaube aber wenig am Hut hat, wird früher oder später über einen Kirchenaustritt nachdenken. Der Untersuchung zufolge tun das zwei Drittel der Protestanten und drei Viertel der Katholiken. Die Kirchen muss diese Nachricht alarmieren. Es ist ein "Kipppunkt" erreicht, wenn nicht gar überschritten.

Die Kirchen könnten sich viel rasanter leeren, als das bisher prognostiziert wurde, mit dramatischen Folgen für die kirchlichen Angebote. Dagegen klangen die Reaktionen mancher Kirchenvertreterinnen auf die Untersuchungsergebnisse erstaunlich rosarot, um nicht zu sagen realitätsfern: "Wir sind immer noch eine große Organisation mit Millionen von Mitgliedern."

Kirchen müssen verlorenes Vertrauen zurückgewinnen

Wohin führt diese Entkirchlichung Deutschlands? Bisher gab es dazu empirisch kaum unterfütterte Annahmen, beispielsweise, dass unser Land religiös pluraler wird, dass Glauben individuell abseits der großen Institutionen gelebt wird. Mit derartigen Mythen räumt die Untersuchung auf. Es gibt keine Individualisierung der Religion. Dann müsste es deutlich mehr Wechsel zwischen den Religionen und Konfessionen geben, dann müssten neue Gemeinschaften wie Pilze aus dem Boden schießen. Die meisten, die aus der Kirche austreten, haben abgeschlossen mit Glauben und Religion.

Die Kirchen müssen also alles tun, um ihre Mitglieder zu halten, um verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen. Im Fall der katholischen Kirche ist der Druck noch größer. Katholische Christen vertrauen der evangelischen Kirche mehr als ihrer eigenen. Und eine große Mehrheit in den Kirchen und in der Gesellschaft erwartet und fordert von den Kirchen radikale Reformen. Im Katholizismus werden diese seit Jahren diskutiert: eine neue Sexualmoral, die Aufhebung der Zölibatspflicht für Priester und so weiter. Das Fazit der Untersuchung ist deutlich: Es sei soziologisch "nicht plausibel", dass "Normen, die so wenig Akzeptanz finden", aufrechterhalten werden könnten.

Immerhin: Wertschätzung für soziales Engagement

Eine gute Nachricht für die Kirchen: Selbst nichtreligiöse Menschen schätzen und wünschen sich das soziale Engagement der Kirchen und ihrer Wohlfahrtsverbände. Die Frage wurde auch Kirchenmitgliedern explizit gestellt: Soll sich die Kirche nur noch auf religiöse Fragen beschränken? "Auf keinen Fall", haben darauf mehr als zwei Drittel der Katholiken und Protestanten gesagt. Nur was ist das für eine Kirche, die immer kleiner wird und gleichzeitig riesige Wohlfahrtskonzerne unterhält?

Und noch ein Ergebnis der Studie ist wichtig für die gesamte Gesellschaft: Stichwort: Ehrenamt. Gläubige engagieren sich viel häufiger als nichtreligiöse Menschen. Es gibt also keinen Grund, die Schwindsucht der Kirchen, ja auch den Verlust an Glauben in unserer Gesellschaft achselzuckend zur Kenntnis zu nehmen oder hämisch zu kommentieren.

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