Corona-Impfstoff von Astrazeneca
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Wegen Ladenhüter Astrazeneca: Debatte um Impf-Reihenfolge

Bisher wird viel weniger Astrazeneca-Impfstoff in die Oberarme gespritzt als möglich wäre. Damit die vorhandenen Dosen zügig verbraucht werden, wird über eine flexiblere Impf-Reihenfolge diskutiert. Die Ständige Impfkommission warnt vor Änderungen.

Grundschullehrer und Erzieher werden in der Impf-Reihenfolge vorgezogen, das ist bereits beschlossene Sache. Weitere Änderungen oder eine flexiblere Regelung scheinen nicht ausgeschlossen, denn zunehmend liegt in den Bundesländern der Corona-Impfstoff von Astrazeneca auf Halde. Impfberechtigte wollen ihn oft nicht haben. Laut Bundesgesundheitsministerium sind erst 15 Prozent der in Deutschland verfügbaren Impfstoffdosen des Konzerns verabreicht worden.

Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko) warnt aber eindringlich davor, die empfohlene Priorisierung bei den Corona-Schutzimpfungen weiter aufzuweichen. Im BR-Interview betonte Thomas Mertens: "Natürlich halte ich es für schlecht, wenn man anfängt, eine auf besten verfügbaren Daten, mit viel Aufwand erstellte Impf-Reihenfolge jetzt aufgrund von irgendwelchen zeitlichen Überlegungen zu ändern." Zugleich räumte Mertens ein, dass die Politik das Recht habe, "sich nicht an eine Stiko-Empfehlung zu halten".

Änderung der Impf-Reihenfolge "ethisch äußerst bedenklich"

Der Leiter der Stiko sieht kein Problem darin, dass der nur für Unter-65-Jährige zugelassene Astrazeneca-Impfstoff nicht verfügbar ist für diejenigen, die jetzt prioritär geimpft werden: "Es gibt in den jetzt priorisierten Gruppen der Stiko ausreichend auch jüngere Menschen, die durchaus mit dem Astrazeneca-Impfstoff geimpft werden könnten."

Laut Mertens könnte ein Aufweichen der Impf-Reihenfolge dramatische Folgen haben: Das führe im ungünstigsten Fall dazu, dass man gerade diejenigen gefährde, die man zunächst schützen wollte. "Und das sind eben die Altersgruppen und das sind Menschen, die bestimmte Vorerkrankungen haben. "Wenn die Flexibilisierung dazu führe, dass diese Menschen jetzt nicht mehr ausreichend geimpft werden können, dann hielte ich das nicht nur für einen Fehler, sondern auch ethisch für äußerst bedenklich."

Ähnlich kritisch sieht das die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Vorstand Eugen Brysch erklärte mit Blick auf eine geänderte Impf-Reihenfolge: "Epidemiologisch und ethisch ist das hochbedenklich."

Söder: Impfpriorität "echt klug wägen"

Die Impfungen mit dem Astrazeneca-Präparat kommen bislang nur schleppend voran, da es in der Bevölkerung niedrigere Akzeptanz genießt als die ebenfalls zugelassenen Wirkstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna. Dies hatte zuletzt Überlegungen befeuert, die Impf-Reihenfolge zu ändern. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte etwa der "Bild": "Wir müssen diese Impfpriorität nochmal echt klug wägen. Ehrlich gesagt, schon in den nächsten Wochen, wenn man sieht, wie viel bleibt da übrig von Astrazeneca". Es sei "ja echt absurd, dass wir Impfstoff haben, den keiner will."

Seehofer fordert frühere Impfung von Polizisten

Wegen der Altersbeschränkung wird der Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns inzwischen auch an Lehrkräfte und Erzieherinnen vergeben. Schon diese Änderung in der Impf-Reihenfolge hatte die Stiko kritisch gesehen.

Die Bundesregierung hält es für wahrscheinlich, dass die Reihenfolge der Impfungen gegen Covid-19 in den kommenden Monaten noch einmal angepasst wird. "Wir können nicht von heute bis August in Stein meißeln, wer wann geimpft wird", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Dass Kita-Beschäftigte und Lehrkräfte an Grundschulen nun in der Priorität nach oben gerückt seien, "zeigt ja, dass es da, wo notwendig, eine Flexibilität gibt", fügte er hinzu.

In Berlin kündigte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) bereits an, dass die rund 3.000 Obdachlosen in den Notunterkünften der Stadt mit den übrig gebliebenen Impfdosen von Astrazeneca geimpft werden sollten. Bundesinnenminister Horst Seehofer sprach sich für eine frühere Impfung von Polizeibeamten aus. "Neben Lehrern und Erziehern muss auch unsere Polizei früher geimpft werden. Wir müssen die schützen, die uns schützen."

Umfrage: Höhere Impfbereitschaft

Insgesamt sind in Deutschland mehr Menschen als bisher angenommen bereit, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Robert-Koch-Instituts, die dem NDR vorliegt. Demnach haben 80 Prozent der Befragten erklärt, sich "auf jeden Fall" oder "eher" impfen lassen zu wollen. Zwölf Prozent sind unentschlossen und nur acht Prozent wollen sich "auf keinen Fall" oder "eher nicht" einen Impfstoff spritzen lassen. In anderen Umfragen war zuletzt von einer Impfbereitschaft von gut 70 Prozent berichtet worden.

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