14.07.22: Wieder aufbereiteten Marder-Schützenpanzer stehen im Rheinmetall-Werk Unterlüß.
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14.07.22: Wieder aufbereiteten Marder-Schützenpanzer stehen im Rheinmetall-Werk Unterlüß.

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Waffenlieferungen an die Ukraine – Folgen jetzt Kampfpanzer?

Frankreich, Deutschland und die USA wollen der Ukraine Späh- und Schützenpanzer liefern. Doch die nächste Debatte ist schon im Gange: Sollen Kampfpanzer folgen?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Seit Donnerstagabend ist klar: Deutschland liefert der Ukraine Marder-Schützenpanzer und ein Patriot-Raketenabwehrsystem, die USA steuern Schützenpanzer vom Typ Bradley bei. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) nennt die waffenpolitische Kehrtwende in Berlin eine große Erleichterung. Die Entscheidung komme spät aber nicht zu spät, urteilt sie.

Strack-Zimmermann begrüßt, dass die Bundesregierung und speziell das Kanzleramt endlich den Weg frei machten für Panzerlieferungen. Gleichzeitig kündigt sie an, nicht locker zu lassen. "Nach dem Marder kommt der Leopard", meint die Verteidigungspolitikerin mit Blick auf die gleichnamigen deutschen Kampfpanzer.

"Erfreulicher, wichtiger und überfälliger Schritt"

Ähnlich äußert sich auch Robin Wagener (Grüne). Wie der Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe erklärte, sei die angekündigte Lieferung ein "erfreulicher, wichtiger und überfälliger Schritt zur Unterstützung der Ukraine". Zumal er einen dringend benötigten Schutz für die Soldatinnen und Soldaten der ukrainischen Armee bieten würde. Angesicht der "russischen Mobilisierung" werde es aber "nicht allein bei den Schützenpanzern bleiben können", ergänzt Wagener.

Militärexperte Masala: Keine Eskalation zu erwarten

Positiv bewertet wird die geplante Panzerlieferung an die Ukraine auch vom Militärexperten Carlo Masala. Gleichzeitig gibt Masala allerdings zu bedenken, dass die nun getroffene Entscheidung schon früher hätte kommen müssen. Wären Schützenpanzer wie der Marder bereits im vergangenen Sommer geliefert worden, wäre die Ukraine heute weiter, kritisiert der Militärexperte. Seiner Ansicht nach sind Annahmen vom Tisch, wonach der russische Präsident Wladimir Putin den Krieg eskalieren könnte, wenn bestimmte Waffensysteme geliefert würden.

Wie der Politikwissenschaftler von der Universität der Bundeswehr in München dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gegenüber weiter erklärte, habe die jetzt getroffene Entscheidung nunmehr die Tür auch für andere Waffenlieferungen geöffnet. In zwei Monaten, so Masala, würde man möglicherweise über Kampfflugzeuge und Kampfpanzer reden. Kriegsentscheidend seien die Lieferungen zwar nicht, räumt Masala ein. Sie würden aber die Gegenoffensiven der Ukrainer im Osten und im Süden des Landes erleichtern.

Kritik aus Moskau: USA verantwortlich für längeren Konflikt

Moskaus Botschafter in Washington hat den USA nach der Ankündigung, Schützenpanzer an die Ukraine zu liefern, mangelnden Willen zur Beilegung des Kriegs vorgeworfen. Alle jüngsten US-Aktionen zeigten, dass Washington keinen Wunsch für eine politische Lösung in der Ukraine habe, sagte der russische Botschafter Anatoli Antonow laut russischer Staatsagentur Tass am Donnerstag in Washington. Es sollte kein Zweifel daran bestehen, wer für die Verlängerung des jüngsten Konflikts verantwortlich sei, meint der russische Diplomat.

Die Ukraine drängt seit langem auf die Lieferung schwererer Waffen inklusive Kampfpanzern, um gegen Russland in die Offensive zu gehen. Die westlichen Staaten schreckten bisher vor einer Lieferung zurück – aus der Befürchtung, in den Krieg hineingezogen zu werden oder Russland zu provozieren. Die von Frankreich, Deutschland und den USA zugesagten Lieferungen markieren nach Meinung westlicher Militärexperten in dieser Hinsicht nun einen Strategiewechsel. Leichte Kampfpanzer wollen der Ukraine auch die USA zur Verfügung stellen. Konkret geht es dabei um den Schützenpanzer von Typ Bradley, ein US-Gegenstück zum deutschen Marder. Bei Bradley und Marder handelt es sich zwar nicht um Kampfpanzer – sie gelten aber als schlagkräftig genug, um es mit russischen Panzern aufzunehmen.

Leichte Panzerung, starke Bewaffnung

Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte die Panzerlieferung jüngst in einem Telefonat mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj angekündigt. Konkret geht es dabei um Spähpanzer des Typs AMX-10 RC. Wobei der Begriff "leichter Panzer" etwas irreführend ist. Denn allgemein werden in Deutschland unter Spähpanzern schnelle, kleine, geräuscharme und vor allem nur leicht bewaffnete Radpanzer verstanden.

Diese Definition widerspricht aber dem Panzermodell, das Frankreich nun an die Ukraine liefern will und ebenfalls als "Spähpanzer" bezeichnet wird. Tatsächlich ist der französische Spähpanzer des Typs AMX-10 RC zwar nur leicht gepanzert, doch dank seiner 105-mm-Kanone vergleichsweise mit ziemlich großer Feuerkraft ausgerüstet. Wann und wie viele Panzer aus Frankreich geliefert werden sollen, ist bisher nicht bekannt.

Nur politisches Signal oder doch Kurswechsel?

Der von Macron gewählte Begriff, Frankreich stelle der Ukraine mit dem AMX-10 RC "leichte Kampfpanzer" zur Verfügung, ist nach Ansicht von Wehrexperten dennoch in erster Linie als ein politisches Signal zu betrachten, und weniger als eine technisch korrekte Beschreibung des Sachverhaltes.

Würde Frankreich der Ukraine tatsächlich Kampfpanzer liefern, dann müsste es sich vielmehr um ein Fahrzeug des Typs Leclerc handeln. Ähnliches gelte auch für die USA, so heißt es. Wollte Washington einen Panzer wie den deutschen Leopard der Ukraine zur Verfügung stellen, dann müsste die US-Regierung Kiew ihren Panzer von Typ M1 Abrams überlassen.

Hofreiter fordert für die Ukraine Leopard 2

Die angekündigte Lieferung von Marder-Schützenpanzern an die Ukraine geht dem Grünen-Politiker Anton Hofreiter derweil nicht weit genug. Hofreiter bekräftigt die Forderung, der Ukraine auch den schlagkräftigeren Kampfpanzer Leopard 2 zur Verfügung zu stellen. Die Strategie müsse sein, dass Deutschland die Ukraine mit allem unterstütze, was sie auf dem Gefechtsfeld brauche. Dazu gehöre noch deutlich mehr, sagt der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag.

Deutschland sollte laut Hofreiter nunmehr eine europäische Initiative starten für die Lieferung von Leopard 2 – und gemeinsam mit Europa schauen, was alles der Ukraine geliefert werden könne, um die besetzten Gebiete zu befreien. In diesem Zusammenhang fordert Hofreiter, mit der Ausbildung von ukrainischen Soldaten am Leopard 2 sofort zu beginnen.

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