Die neugewählten Fraktionsvorsitzenden der AfD, Alice Weidel (l-r), Fraktionsvorsitzende der AfD, Tino Chrupalla, AfD-Co-Vorsitzender, und der Ehrenfraktionsvorsitzende Alexander Gauland geben eine Pressekonferenz am Rande der konstituierenden Fraktionssitzung ihrer Partei im Bundestag.
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Alice Weidel (v.l.), AfD-Fraktionsvorsitzende, Tino Chrupalla, AfD-Co-Vorsitzender, und der Ehrenfraktionsvorsitzende Alexander Gauland

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Verstolperter Start der AfD-Bundestagsfraktion

Etwas geschrumpft, viele neue Gesichter, nach wie vor männerdominiert und streitlustig wie eh und je - so startet die AfD in vier weitere Jahre im Bundestag. Gleich die erste Machtfrage, wer die Fraktion führt, zeugt von einem Riss durchs Team.

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Ein Durchmarsch sieht anders aus: Alice Weidel ist zwar als AfD-Fraktionschefin wiedergewählt - jetzt mit Tino Chrupalla und nicht mehr Alexander Gauland an ihrer Seite - aber es war denkbar knapp. Zu viele AfD-Abgeordnete sind mit ihrer Arbeit unzufrieden, werfen ihr vor, nicht oft genug in Berlin zu sein und die Fraktion nicht gut zu führen. Sogar bei Mitgliedern aus ihrem Landesverband in Baden-Württemberg hat Weidel keinen Rückhalt.

Wahlverfahren: Doppelspitze oder nicht?

Die Weidel-Gegner wollten deshalb den Ablauf der Wahl verändern, und hatten sich dafür zwei Varianten überlegt. Der erste Versuch, von der Doppelspitze abzurücken und nur einen Fraktionschef zu wählen, scheiterte. Damit stand das Bewerberteam Weidel/Chrupalla fest. Plan B sah vor, über diese Doppelspitze nicht im Doppelpack, sondern einzeln zu entscheiden. Damit wäre es möglich gewesen, Weidel abzustrafen, ohne Chrupalla zu beschädigen. Auch dafür fand sich keine Mehrheit. Allerdings fehlte nur eine einzige Stimme. Das zeigt, wie gespalten die Fraktion in dieser Frage ist.

Sichtliche Erleichterung bei Weidel

Am Ende erhielten Chrupalla und Weidel 50 Ja-Stimmen, 25 Abgeordnete votierten gegen das Führungsduo, zwei enthielten sich. Gegenkandidaten gab es keine. Weidel wirkte gelöst und erleichtert, auch wenn es kein glanzvolles Ergebnis ist. Weidel kommentierte das so: "Das ist die Politik, das sind Abstimmungsergebnisse, die man akzeptieren muss." Die Fraktionsspitze wurde für zwei Jahre gewählt.

Dissens über Wahlergebnis

Auch die Bewertung des Wahlergebnisses vom Sonntag ist fraktionsintern umstritten. Die einen folgen der Einschätzung von Parteichef Jörg Meuthen, dass die Partei das Minus von gut zwei Prozentpunkten nicht schönreden dürfe. Die anderen stehen hinter Weidels Konter, sie lasse sich das Ergebnis "nicht schlechtreden, von niemandem". Die AfD kam bei der Bundestagswahl auf 10,3 Prozent, 2017 waren es noch 12,6 Prozent gewesen.

Ein Abgeordneter muss gehen

Heftig diskutiert wurde zudem über neue Abgeordnete. Einer von ihnen, Matthias Helferich aus Nordrhein-Westfalen, wird erst einmal nicht der AfD-Fraktion angehören. Der Jurist pflegt Kontakte in die rechtsextreme Szene und hatte sich in Chats als "freundliches Gesicht des NS" [Nationalsozialismus, Anmerkung der Red.] bezeichnet. Helferich will das als Ironie im größeren Kontext verstanden wissen, der AfD-Bundesvorstand hatte ihn dennoch im Wahlkampf mit einer Ämtersperre belegt. Eine Entscheidung eines Parteischiedsgerichts steht noch aus.

Meuthens vergebliche Bitte um verbale Mäßigung

Es geht in solchen Fällen vor allem um die Außenwirkung. Parteichef Meuthen und seine Anhänger befürchten, dass allzu extreme Aussagen potentielle Wähler abschrecken und dem Verfassungsschutz Beweise für Verfassungsfeindlichkeit liefern. AfD-Politiker mit guten Verbindungen zum völkischen Lager, Pegida und anderen radikalen Bewegungen hält das aber nicht davon ab, sich zu exponieren.

Personalwechsel im "völkischen" Lager

In den vergangenen vier Jahren haben das etwa Jens Maier und Siegbert Droese aus Sachsen getan, Udo Hemmelgarn aus NRW und Hansjörg Müller aus Bayern. Sie haben ihr Mandat verloren und mussten sich aus der Bundestagsfraktion verabschieden. Müller war wegen eines Formfehlers nicht als Direktkandidat in Würzburg zugelassen worden, mit seinem Landesverband hat er sich überworfen und sein Amt als stellvertretender Landesvorsitzender niedergelegt.

In die freigewordenen Fußstapfen dürften einige Fraktions-Neuzugänge treten, zum Beispiel Gereon Bollmann aus Schleswig-Holstein, Jan Wenzel Schmidt und Robert Farle aus Sachsen-Anhalt und Christina Baum aus Baden-Württemberg.

Nicht mehr größte Oppositionsfraktion

Die AfD geht etwas geschwächt in ihre zweite Legislaturperiode: das Wahl-Ergebnis vom Sonntag ergibt 83 Mandate, vor vier Jahren waren es noch 94 Mandate. Zwölf Abgeordnete kommen aus Bayern. Den Status als größte Oppositionsfraktion ist die AfD los. Das bedeutet konkret: Sie hat keinen Anspruch darauf, den Haushaltsausschuss zu leiten.

AfD-Redner werden nicht mehr als erstes nach der Mehrheitskoalition reden, also auch nicht unmittelbar nach dem künftigen Bundeskanzler. Auch die Rederechte ändern sich, die Zeit am Redepult hängt von der Größe der Fraktion ab. Was den Frauenanteil anbelangt, bleibt die AfD mit rund 13 Prozent weiter das Schlusslicht aller Fraktionen.

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