Polizeibeamte eskortieren Sedef Kabas, eine bekannte türkische Journalistin, vor ihrem Auftritt vor Gericht in Istanbul.
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Die populäre Fernsehjournalistin Sedef Kabas wurde wegen Präsidentenbeleidigung festgenommen.

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Türkei: TV-Journalistin wegen "Präsidentenbeleidigung" in U-Haft

In der Türkei nimmt der Druck auf Künstler und Journalisten zu. Die Fernsehjournalistin Sedef Kabas wurde in der Nacht wegen "Präsidentenbeleidigung" festgenommen. Die Sängerin Sezen Aksu steht wegen eines religionskritischen Liedes unter Beschuss.

Inmitten der Wirtschaftskrise in der Türkei häufen sich derzeit wieder Drohgebärden gegenüber Künstlern und Journalisten. Mitten in der Nacht wurde die populäre Fernsehjournalistin Sedef Kabas zu Hause festgenommen - wegen "Präsidentenbeleidigung". Auch der Popstar Sezen Aksu steht unter Beschuss: wegen der "Beleidigung religiöser Werte" in einem Song, der 2017 erschienen war.

Journalistin Kabas wegen eines Tweets in U-Haft

Die TV-Journalistin Sedef Kabas hatte am Freitagabend auf einem regierungskritischen türkischen Fernsehsender ein Sprichwort zitiert: "Wenn ein Ochse in einen Palast einzieht, wird er nicht König, sondern der Palast wird zum Stall." Laut Reporter ohne Grenzen kritisierte Kabas in der Sendung die türkische Regierung für hartes Durchgreifen gegen Kritikerinnen und Kritiker sowie die Polarisierung der Gesellschaft. Später wiederholte die 52-Jährige das Sprichwort auf Twitter, nannte aber keine Namen oder Orte.

Wenige Stunden später wurde Kabas in ihrer Wohnung in Istanbul festgenommen, wie ihr Anwalt mitteilte. Sie wurde einem Gericht vorgeführt, das ihre Inhaftierung formal bestätigte.

Erdogans Sprecher verurteilt "Präsidentenbeleidigung"

"Eine sogenannte Journalistin hat glattweg unseren Präsidenten in einem Fernsehsender beleidigt, der kein anderes Ziel hat, als Hass zu verbreiten", schrieb Präsident Recep Tayyp Erdogans Sprecher Fahrettin Altun auf Twitter. "Ich verurteile diese Arroganz, dieses Fehlen von Moral auf das Schärfste", fügte er hinzu.

Präsidentenbeleidigung ist in der Türkei ein Straftatbestand, der mit Haftstrafen zwischen einem und vier Jahren geahndet wird.

Die türkische Journalistengewerkschaft TGS erklärte, Kabas' Festnahme sei "ein schwerer Angriff auf die Pressefreiheit". Der Verband prangert immer wieder Einschränkungen der Pressefreiheit in der Türkei an, insbesondere seit einem Putschversuch 2016. Auf einer Rangliste der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen zur Pressefreiheit nahm die Türkei vergangenes Jahr unter den insgesamt 180 untersuchten Ländern Platz 153 ein.

Popsong von Sezen Aksu: Drohung von oberster Stelle

In die Diskussion um die türkische türkische Pop-Ikone Sezen Aksu schaltete sich nun Präsident Recep Tayyip Erdogan persönlich ein.

Religiös-konservative Kreise werfen Aksu vor, in einem Lied, das 2017 erschienen war, religiöse Werte zu beleidigen. Eine Gruppe von Anwälten hat kürzlich Anzeige gegen die 67-Jährige erstattet und damit für teilweise empörte Diskussionen gesorgt. Zahlreiche Künstler und Politiker hatten sich daraufhin in den sozialen Medien solidarisch mit Aksu gezeigt.

Am Freitag sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan, niemand dürfe schlecht über Adam und "Mutter Eva" sprechen. "Es ist unsere Pflicht, diese Zungen herauszureißen, wenn nötig." Den Namen von Aksu erwähnte er nicht. In dem vor fünf Jahren veröffentlichten Lied "Sahane bir sey yasamak" singt Aksu "Grüßt mir die Ignoranten, Adam und Eva". Adam gilt im Islam als Prophet.

Anweisung: Keine unerwünschte Musik

Die Diskussion droht weitreichende Folgen dafür zu haben, welche Musik in der Türkei gespielt werden darf: Die Zeitung "Birgün" berichtete ebenfalls am Freitag, die türkische Rundfunkbehörde RTÜK habe im Zusammenhang mit der Diskussion um Aksus Lied Sender nun angewiesen, allgemein keine Musik zu spielen, die gegen "nationale" und moralische Werte verstoße.

Kritik von Deniz Yücel

Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel empörte sich auf Twitter über Erdogans Drohung gegenüber der "großen Sezen Aksu" und nannte Erdoğan und die AKP von heute "eine autobahnbauende Version der Taliban." Je mehr sie unter Druck gerieten, umso gefährlich seien sie, so Yücel.

Unter Verwendung von Agentur-Material.

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