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Andrea Nahles

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Andrea Nahles: Die Trümmerfrau der SPD

Sie ist die mächtigste Frau in der SPD, die erste, die je den Vorsitz der Bundestagsfraktion übernahm. Jetzt soll Andrea Nahles auch die erste Parteichefin werden – und die Sozialdemokraten vor dem Absturz in die Bedeutungslosigkeit retten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Beim Sonderparteitag der SPD am 21. Januar riss Andrea Nahles das Ruder herum. Martin Schulz lieferte zuvor eine kraftlose Rede ab. Der einstige 100-Prozent-Vorsitzende schaffte es nicht, die Genossen für Koalitionsverhandlungen mit der Union zu erwärmen.

Andrea Nahles kritisiert Juso-Vorsitzenden

Blieb nur noch Nahles. Statt ihrer vorgeschriebenen Rede hielt sie ein energisches Plädoyer. Sie warf den Kritikern der GroKo um den Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert vor, keine Antwort darauf zu haben, was sie mit ihrer #NoGroKo-Kampagne eigentlich "Großes" erreichen wollen.

"Ich bin in dieser Partei, weil ich was Großes im Kleinen immer gesehen habe, im Fortschritt ganz konkret für Millionen von Menschen. Deswegen habe ich den Mindestlohn durchgesetzt wie verrückt nochmal." Andrea Nahles auf dem SPD-Parteitag am 21.1.2018

Nahles hat den Nerv der SPD getroffen

Während Schulz nur müden Applaus bekam, wurde Nahles von der Mehrheit der Delegierten gefeiert. Der Parteitag stimmte knapp für Koalitionsgespräche mit der Union. Nahles hatte den Nerv der Sozialdemokraten getroffen.

Als Ministerin wurde Andrea Nahles auch von der Union geschätzt

Auch wenn sie auf Parteitagsbühnen über "die Konservativen" schimpft, vom "blöden Dobrindt" spricht oder den politischen Gegnern auch mal androht, sie bekämen jetzt "in die Fresse" – in ihren vier Jahren im Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde sie auch von Unionskollegen geschätzt.

Selbst Seehofer lobt Nahles

Als Arbeitsministerin setzte sie Punkt für Punkt den Koalitionsvertrag um: Mindestlohn, Rente mit 63, Mütterrente. Selbst von CSU-Chef Horst Seehofer bekam sie Lob dafür. Mittlerweile lässt sich die 47-jährige Nahles keinem der Parteiflügel mehr eindeutig zuordnen. Das war nicht immer so.

Aufstieg im linken SPD-Parteiflügel

Die Katholikin Nahles stammt aus der Eifel, ist Tochter eines Maurers. Schon früh wollte sie in die Politik. Mit 18 trat sie in die SPD ein. In der Abiturzeitung schrieb sie zu ihrem Berufswunsch: „Hausfrau oder Bundeskanzlerin“. Ihren Aufstieg in der Partei schaffte sie mit klar linken Positionen.

Als Chefin der Jusos mischte sie beim Sturz Rudolf Scharpings 1995 mit. Der Linke Oskar Lafontaine konnte übernehmen. Später kritisierte Nahles lautstark Bundeskanzler Gerhard Schröder, weil sie seine Agenda-Politik – Stichwort: Hartz IV – ablehnte.

"Für die Agenda kriegen wir vielleicht irgendwann einmal den Ehrenpreis für aufrichtige Reformen, doch eine Wahl gewinnen wir so nicht." Andrea Nahles am 4.6.2005 im Spiegel

Andrea Nahles, die Königsmörderin von SPD-Chef Müntefering

Auch beim Sturz von Franz Müntefering, der bis 2005 SPD-Chef war, war Nahles wieder maßgeblich beteiligt. Gegen seinen Willen kandidierte sie im Parteivorstand für die Nominierung zur Generalsekretärin – und gewann auch noch. Müntefering trat ab.

Nahles kritisierte Gerhard Schröder und Hartz IV

Aber Nahles hatte vorerst nichts davon. Auf dem Parteitag kandidierte sie dann doch nicht. Eine Königsmörderin wollte niemand zur Generalsekretär wählen. Erst vier Jahre später, nach der Bundestagswahl 2009, bekam sie den Posten – bis sie 2013 das Arbeitsministerium übernahm.

Schon vor der Wahl sprach die SPD-Fraktionsvorsitzende von Neuaufstellung

Im vergangenen Jahr unterstützte sie Martin Schulz im Wahlkampf. Auf den Bühnen und vor laufenden Kameras gab sie die routinierte, selbstbewusste Ministerin. Doch abseits davon wirkte sie nachdenklich. Schon vor dem Wahldebakel sprach sie von der Notwendigkeit einer Neuaufstellung – und einer neuen Kultur an der SPD-Spitze, abseits der männlichen Führungsfiguren.

Diese Neuaufstellung ist nun vom Bundesvorstand einstimmig beschlossen. Nahles stellt sich auf dem Sonderparteitag am 22. April als SPD-Chefin zur Wahl. Bis dahin übernimmt Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz das Amt kommissarisch.