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Trump will Atomwaffen-Arsenal aufrüsten

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So reagiert Europa auf die US-Nuklearstrategie

Mit viel Kritik ist die neue Nuklear-Strategie der USA bereits bedacht worden, auch von der Bundesregierung. In dieser Woche dürfte die Diskussion hitzig weitergehen - bei der NATO und auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Von Kai Küstner

Als die Berliner Mauer verschwand, verflüchtigte sich aus den Köpfen der Europäer auch die jahrzehntelange Furcht vor einem atomaren Wettlauf der Supermächte. Doch diese Angst scheint längst wieder allgegenwärtig zu sein: Als die USA kürzlich ihre neue Nuklearstrategie vorstellten, diagnostizierte das Bundesaußenministerium, dass „die Spirale des neuen atomaren Wettrüstens bereits wieder in Gang gesetzt“ sei. Eine Kritik, die man in Washington offenbar hat kommen sehen:

"Einige werden sagen: Jede zusätzliche Fähigkeit, egal wie maßvoll, wird das Risiko erhöhen, eine dieser Waffen zu verwenden. Das Gegenteil ist aber der Fall." Patrick Shanahan, stellvertretender US-Verteidigungsminister

Mehr Atomwaffen für Washington

Doch was die Kritiker so erregt, ist vor allem eines: Anders als noch Barack Obama ist die Trump-Regierung davon überzeugt, dass sie sogenannte "Mini-Nukes" benötigt, Atomwaffen mit geringerer Sprengwirkung als bisher. Warum Washington meint, sein Arsenal derart erweitern zu müssen, erklärt der Nuklear-Experte Gustav Gressel vom "European Council on Foreign Relations":

"Man hat vor allem davor Angst, dass Russland nach einem kurzen Angriffskrieg - etwa im Baltikum - einen begrenzten Atomschlag zumindest androht, um die NATO von einer Gegenreaktion abzuhalten." Gustav Gressel, European Council on Foreign Relations

Streit könnte zum Ende der NATO führen

Vor die Wahl gestellt, entweder mit einem mächtigen Nuklear-Angriff reagieren oder aber klein beigeben zu müssen, könnte dies zu Streit unter den europäischen Verbündeten führen und letztlich das politische Ende der NATO zur Folge haben, erklärt Gressel im Interview mit dem ARD-Studio Brüssel. Auch wenn es absolut gesicherte Erkenntnisse darüber nicht gibt, geht man in den USA davon aus, dass Moskau – vertragswidrig - die für ein solches Droh-Szenario nötigen Atom-Sprengköpfe bereits entwickelt und solche Pläne in Manövern durchspielt:

"Dafür gibt's Anhaltspunkte. Das Pikanteste ist das Manöver "Sapad 2009", bei dem der Nuklearwaffen-Einsatz auf Warschau Teil des Skripts war. Bei anderen Manövern finden sich ähnliche Hinweise, dass man bereit ist, relativ früh nuklear zu eskalieren." Gustav Gressel, European Council on Foreign Relations

Hemmschwelle für Nutzung von Atomwaffen sinkt

Doch während aus Gressels Sicht die neue US-Strategie - wie er sich ausdrückt - "nicht gar so verrückt ist, wie sie scheint", sehen andere erhebliche Risiken: Die Hemmschwelle, Atomwaffen wirklich zu nutzen, werde mit den "Mini-Nukes" erheblich gesenkt, sagen sie. Wobei man im Hinterkopf haben sollte, dass einer dieser Sprengköpfe immer noch etwa die Zerstörungskraft einer Hiroshima-Bombe hätte. Und, warnt etwa das ‚Institute for Strategic Studies‘ (IISS), die Trump-Regierung liefere den anderen Atommächten die beste Entschuldigung, ebenfalls aufzurüsten. Eine Sorge, die viele in Europa zu teilen scheinen. Im jüngsten Koalitionsvertrag von Unions-Parteien und SPD steht der Satz: "Wir wollen ein neues konventionelles und nukleares Wettrüsten auf unserem Kontinent vermeiden." Man wolle neue Abrüstungs-Initiativen ergreifen.

Drohung auch in russischen Papieren

Ebenfalls für Beunruhigung sorgt, dass die USA sich in ihrer neuen Strategie vorbehalten, "unter extremen Umständen“ auch auf nicht-nukleare Angriffe nuklear zu antworten. Das an sich findet Experte Gressel vom ECFR noch nachvollziehbar, diese Drohung finde sich in russischen Papieren auch:

"Was aber etwas befremdlich ist: Dass so eine Androhung fast auf jeder zweiten Seite der Nuklear-Doktrin steht." Gustav Gressel, European Council on Foreign Relations 

Auch wenn derzeit die ganze Welt damit beschäftigt ist, ihre Atom-Arsenale zu modernisieren - die neue US-Strategie dürfte noch für jede Menge Diskussionen sorgen. Auch auf NATO-Ebene. Washington gab sich zuletzt offenbar große Mühe, den europäischen Partnern die Strategie zu erläutern. Umstritten ist sie trotzdem. Wobei eins auch klar ist: Jede Debatte zu Nuklear-Themen findet bei der NATO aus Sicherheitsgründen in abhörsicheren Räumen statt. Nur selten dringt danach etwas nach außen.