Rettungsarbeiten in Dnipro
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Rettungsarbeiten in Dnipro

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Schreie aus den Trümmern: Suche nach Überlebenden in Dnipro

Nach dem Einschlag einer russischen Rakete in ein Hochhaus im ukrainischen Dnipro sind inzwischen 30 Tote bestätigt. Dutzende Bewohner werden noch vermisst. "Wir kämpfen um jeden Menschen", versichert Präsident Selenskyj.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Unter den Trümmern schreien noch immer Menschen um Hilfe, berichten die Einsatzkräfte in Dnipro am Sonntag. Die Helfer geben nicht auf, verzweifelt suchen sie weiter nach Überlebenden. Bewohner der ukrainischen Stadt beteiligten sich an den Rettungsarbeiten, viele bringen Essen und warme Kleidung für diejenigen, die ihre Wohnung verloren haben.

Ein russischer Marschflugkörper vom Typ X-22 hatte dem ukrainischen Militär zufolge am Samstag ein neunstöckiges Hochhaus in Dnipro getroffen. Laufend korrigieren die Behörden seither die Opferzahlen nach oben. Inzwischen ist von mindestens 30 Toten und 73 Verletzten die Rede.

Das Schicksal dutzender Bewohner sei noch unklar, erklärte der Gouverneur der ostukrainischen Region Dnipropetrowsk, Walentyn Resnitschenko. Unter den Toten war nach Angaben des Gouverneurs auch ein 15-jähriges Mädchen. Sieben Kinder wurden demnach verletzt, das kleinste sei erst drei Jahre alt.

Selenskyj: Kämpfen um jeden Menschen

Die Rettungskräfte arbeiteten die ganze Nacht durch. Einige der Verschütteten gaben Signale mit den Taschenlampen ihrer Mobiltelefone. Immer wieder meldeten die Helfer Erfolge, viele Menschen wurden aus den Trümmern gerettet. Doch es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Auch wegen der Kälte wächst die Sorge um jene, die weiter auf Hilfe warten.

"Wir kämpfen um jeden Menschen", versicherte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner Videoansprache am Abend. "Und die Rettungsarbeiten werden so lange andauern, wie auch nur die geringste Chance besteht, ein Leben zu retten."

"Es gibt hier keine militärischen Einrichtungen"

Der Anwohner Iwan Garnuk sagte, er sei zum Zeitpunkt des Angriffs in seiner Wohnung gewesen. "Sofort rannte ich zum Fenster. Feuer, Rauch waren zu sehen. Ich bin dann nach draußen gegangen. Viele Menschen standen um das Gebäude herum. Sie schrien, waren fassungslos", berichtet Garnuk. Er sei entsetzt, dass Russland ein Wohngebiet ohne jeglichen strategischen Wert angreife. "Es gibt hier keine militärischen Einrichtungen. Es gibt keine Flugabwehr, es gibt keine Militärstützpunkte hier. Es hat nur Zivilisten getroffen, unschuldige Leute."

Der Stadtrat von Dnipro hat eine dreitägige Trauer ausgerufen. Der Angriff zerstörte Dutzende Wohnungen. Nach Angaben der ukrainischen Präsidentschaft wurden 100 bis 200 Menschen durch den Beschuss des Wohnhauses obdachlos. Etwa 1.700 Menschen in der Stadt seien nach dem Angriff von der Strom- und Wärmeversorgung abgeschnitten.

Auch Kiew und Charkiw getroffen

Der Angriff auf das im zentralukrainischen Gebiet Dnipropetrowsk gelegene Dnipro war der folgenreichste von mehreren Angriffen am Samstag. Auch die Hauptstadt Kiew und Charkiw im Nordosten des Landes wurden beschossen. Im ganzen Land galt zeitweise Luftalarm. Es war der erste russische Großangriff dieser Art seit dem Jahreswechsel.

Russland habe am Samstag 33 Marschflugkörper abgefeuert, von denen 21 abgefangen worden seien, sagte General Walerij Saluschnyj, der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte.

Russland: Ziele erreicht

Das russische Verteidigungsministerium erklärte am Sonntag, es habe sein Ziel erreicht. Alle ausgemachten Ziele seien getroffen worden, erklärte das Ministerium auf Telegram. Die Raketen seien auf "das militärische Kommando und Kontrollsystem der Ukraine und damit verbundene Energiesysteme" abgefeuert worden. Der Angriff auf das Wohngebäude in Dnipro wurde in der Erklärung nicht erwähnt.

Nach den massiven Angriffen stellte die Ukraine ihre Bürger zudem auf verstärkte Probleme bei der Stromversorgung ein. Landesweit müsse am Sonntag die vielerorts ohnehin schon deutlich reduzierte Strommenge pro Haushalt noch weiter gedrosselt werden, um größere Engpässe zu vermeiden, teilte der staatlichen Stromnetzbetreiber Ukrenerho auf Facebook mit. Auch Notabschaltungen seien nicht ausgeschlossen.

Putin sieht "positive Dynamik"

Knapp elf Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine kündigte die britische Regierung am Samstag die Lieferung von Kampfpanzern an Kiew an. 14 Panzer würden in den kommenden Wochen in die Ukraine gebracht, um das Land beim Bodenkrieg zu unterstützen, erklärte das Büro von Premierminister Rishi Sunak am Samstagabend. Etwa 30 Panzerhaubitzen des Typs AS90 sollten folgen. Sunak hoffe, dass sich andere westliche Verbündete dem Schritt anschlössen, verlautete aus Regierungskreisen.

Russlands Präsident Wladimir Putin lobte am Sonntag die "positive Dynamik" des russischen Angriffs auf die Ukraine. Alles entwickle sich "entsprechend der Pläne", sagte er dem russischen Fernsehsender Rossija-1. Moskau hatte am Freitag die Einnahme der ostukrainischen Stadt Soledar verkündet - eine Darstellung, der die Ukraine widerspricht.

Mit Informationen von AP, AFP und dpa

Karte: Die militärische Lage in der Ukraine

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