Proteste im Iran: Offenbar deutlich mehr Todesopfer
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Brennendes Polizeimotorrad bei Protesten im Iran

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Proteste im Iran: Zahl der Toten offenbar deutlich höher

Nach dem offenbar gewaltsamen Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im Iran eskaliert die Lage zunehmend. Offizielle Stellen berichten von mindestens 17 Toten nach Protesten. Eine Menschenrechtsorganisation sagt, die wahre Zahl sei viel höher.

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Bei den größten Protesten im Iran seit fast drei Jahren sind nach offiziellen Angaben 17 Menschen getötet worden. Die Organisation Iran Human Rights (IHR) mit Sitz in Oslo sprach am Donnerstag sogar von mindestens 31 toten Zivilisten durch das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Proteste seit dem Tod einer von der Sittenpolizei festgenommenen Frau. Die Behörden schränkten den Zugang zum Internet weiter ein und blockierten die Onlinenetzwerke Whatsapp und Instagram.

Das iranische Staatsfernsehen berichtete, seit Ausbruch der Proteste am Freitag vergangener Woche seien 17 Menschen gestorben. Unter den Toten waren laut der Nachrichtenagentur Tasnim auch fünf Mitglieder der Sicherheitskräfte.

Junge Frau soll Kopftuch nicht richtig getragen haben

Der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini hatte eine landesweite Welle der Empörung und Proteste ausgelöst. Die junge Frau war vor einer Woche in der Hauptstadt Teheran von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie das islamische Kopftuch offenbar nicht den strikten Vorschriften entsprechend trug.

Amini brach unter ungeklärten Umständen auf der Polizeiwache zusammen und wurde drei Tage später im Krankenhaus für tot erklärt. Laut Polizei hatte sie einen Herzanfall. Menschenrechtsaktivisten zufolge erlitt Amini einen tödlichen Schlag auf den Kopf.

Protest gegen den Tod von Mahasa Amini im Iran
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Proteste im Iran

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Proteste im ganzen Land, Frauen verbrennen Kopftücher

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi verwies am Donnerstag am Rande der UN-Generaldebatte vor Journalisten in New York auf das offizielle Obduktionsergebnis, bekräftigte aber, es würden Ermittlungen aufgenommen. Dies habe er auch persönlich der Familie von Amini versichert.

Seit dem Tod der jungen Frau gab es laut iranischen Staatsmedien in etwa 15 iranischen Städten Proteste, Menschenrechtsaktivisten sprechen von mehr als 30 Städten. Auf Videos in den Onlinenetzwerken ist zu sehen, wie Demonstrantinnen ihre Kopftücher abnehmen und verbrennen oder ihr Haar vor einer jubelnden Menschenmenge abschneiden. In Isfahan zerrissen Protestierende ein Transparent mit einem Bild des geistlichen Oberhaupts des Iran, Ayatollah Ali Chamenei.

Iranisches Regime sperrt Internet-Zugang

Mit Instagram und Whatsapp wurde nun der Zugang zu den beiden meistbenutzten Apps im Iran blockiert. In den vergangenen Jahren hatten die iranischen Behörden bereits viele andere Plattformen wie Facebook, Telegram, Tiktok, Twitter und Youtube gesperrt. Auch sind die Internetverbindungen seit Beginn der Proteste deutlich verlangsamt.

IHR-Direktor Mahmud Amiri Moghaddam sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Proteste könnten "vielleicht der Anfang einer großen Veränderung" im Iran sein. "Wir verfolgen die Situation der Menschenrechte und die Demonstrationen im Iran seit 15 Jahren, und ich habe die Menschen noch nie so wütend gesehen", sagte der Menschenrechtsaktivist.

Deutschland fordert Aufklärung

Die Bundesregierung hat den Iran aufgefordert, die Umstände des Todes der jungen Frau nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei aufzuklären. Wichtig sei "eine rasche und umgehende Untersuchung des Todes" der 22-jährigen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte den Tod Aminis im Polizeigewahrsam "schrecklich".

Auch die Todesopfer bei den Protesten "mutiger Frauen" im Iran "bedrücken mich", schrieb Scholz im Onlinedienst Twitter. "Egal wo auf der Welt: Frauen müssen selbstbestimmt leben können - ohne um ihr Leben fürchten zu müssen", fügte der Kanzler hinzu.

Hebestreit sagte, wie über den Tod Aminis sei die Bundesregierung "gleichermaßen bestürzt darüber, dass bei den landesweiten Protesten wegen des Todes von Frau Amini offenbar zahlreiche weitere Menschen ums Leben gekommen sind".

Außenministerin Baerbock will UN-Menschenrechtsrat einschalten

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kündigte am Donnerstag in New York an, das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten vor den UN-Menschenrechtsrat zu bringen. Der "brutale Angriff auf die mutigen Frauen im Iran" sei "auch ein Angriff auf die Menschheit", sagte Baerbock am Rande der Generaldebatte.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die in New York anwesenden Staats- und Regierungschefs auf, "einen unabhängigen internationalen Untersuchungs- und Rechenschaftsmechanismus zu unterstützen, um die weit verbreitete Straflosigkeit im Iran zu adressieren". Die USA verhängten Sanktionen gegen die iranische Sittenpolizei sowie mehrere Sicherheitsverantwortliche.

Star-Journalistin Amanpour lehnt Tragen eines Kopftuchs ab

Unterdessen berichtete die Star-Journalistin Christiane Amanpour im Kurzbotschaftendienst Twitter, ein Berater des iranischen Präsidenten habe sie am Mittwoch in New York aufgefordert, für ein Interview mit Raisi Kopftuch zu tragen. Sie habe dies abgelehnt und darauf verwiesen, dass noch kein iranischer Staatschef dies bei einem Interview außerhalb des Iran verlangt habe. Daraufhin sei das Interview abgesagt worden.

(ms) Quelle: afp