Ein Sonderermittler trifft in einem Haus in Amstetten ein (Archivbild).
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Ein Sonderermittler trifft in einem Haus in Amstetten ein (Archivbild).

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Österreich: Vor 15 Jahren wurde der Fall Fritzl aufgedeckt

Ein Wohnhaus im niederösterreichischen Amstetten wurde Schauplatz eines Verbrechens, das weltweit für Entsetzen sorgte: 24 Jahre lang hatte Josef Fritzl darin seine Tochter weggesperrt und vergewaltigt. Das Haus wurde mittlerweile verkauft.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Medienberichte zum "Inzest-Drama von Amstetten" überschlugen sich: Was läuft falsch in Österreich, dass so etwas passieren konnte? Das fragte sich die ganze Welt, auch Österreich selbst - neben dem Entsetzen über das bizarre Verbrechen, das 2008 nur zufällig aufgedeckt wurde, weil Ärzte im Krankenhaus misstrauisch geworden waren, weil Journalistinnen recherchiert hatten.

Fritzl sperrte seine Tochter jahrelang in den Keller

24 lange Jahre hatte Josef Fritzl seine Tochter in seinem Keller weggesperrt und - so die Gerichtsakten - sie mindestens 3.000-mal vergewaltigt. Sieben Kinder hat er so gezeugt. Zum ersten Mal hat er seine Tochter missbraucht, als sie elf Jahre alt war. Als sie 18 war, hat er sie dann in den Keller gelockt, betäubt und angekettet. 24 Jahre lang - kein Tageslicht, keine Sonne, nur Kellerluft, bis sie 42 Jahre alt war. Eines der sieben Kinder starb drei Tage nach der Geburt, ohne ärztliche Hilfe - deshalb einer der Anklagepunkte: Mord, wie die Staatsanwaltschaft damals aufzählte: "Mord, dann der Sklavenhandel, Vergewaltigung, Freiheitsentziehung, schwere Nötigung und Blutschande."

Die Frage bleibt: Warum hat es niemand bemerkt?

Sklaverei - diese Anklage gab es zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs. Aber warum hat niemand etwas bemerkt? Fritzl war vorbestraft, wegen Vergewaltigung. Seine Ehefrau, die Kinder, die er mit ihr hatte, und drei Kinder aus dem Keller, die angeblich bei ihm vor der Haustür abgelegt wurden, wohnten im Haus neben dem Verlies. "Alles in geordneten Bahnen", so formulierten das die Behörden damals. Eine Ministerin hat sich später dafür entschuldigt.

Die Nachbarn in Amstetten, der niederösterreichischen Kleinstadt, in der Fritzl lebte, wehren sich gegen den schwebenden Vorwurf einer "Unkultur des Wegschauens". "Das ist ein Wahnsinn so etwas, dass man das nicht merkt, wenn wir da in der Nähe waren", sagt eine Frau. "Schauts einmal dort hin: Wie willst Du in diesem Haus etwas mitkriegen?", sagt ein Mann.

"Dieses Versteck ist derartig raffiniert angelegt"

Josef Fritzl führte ein Doppelleben. Josef Fritzl, der Ingenieur. Er hat seinen Keller monatelang in Heimarbeit zum so gut wie abhörsicheren Verlies umgebaut. Heinz Lenze, damals Bezirkshauptmann in Amstetten, hat sich das Kellergefängnis angesehen: "Dieses Versteck ist derartig raffiniert angelegt - mit einer Stellage mit verschiedenen Dosen und Behältnissen drauf. Dahinter befindet sich eine Stahlbetontür, die elektronisch gesichert ist und auf starken Stahlschienen läuft."

Den Keller gibt es noch, er ist aber abgefüllt mit 120 Kubikmetern Beton. Das Haus: verkauft. Die Familie, die Kinder, geschützt und mit neuen Namen irgendwo in Österreich. Sie sollten die Chance haben, ein Leben zu beginnen. Irgendwann hatte Fritzl einen Fernseher in den Keller gebracht. Fritzls Tochter hat ihren im Keller weggesperrten Kindern damals erzählt, was sie da sehen würden, seien Bilder von einem anderen Planeten.

Staatsanwaltschaft beharrt auf lebenslänglicher Strafe

Fritzl, inzwischen 88 Jahre alt, sitzt in der Justizanstalt Stein, in Krems an der Donau. Im Trakt für zurechnungsfähige, aber sogenannte geistig abnorme Straftäter. Auch er heißt nicht mehr "Fritzl", aus Furcht vor Angriffen anderer Strafgefangener. Nach einem neuen psychiatrischen Gutachten letztes Jahr sollte er in den normalen Strafvollzug verlegt werden. Er hätte dann seine vorzeitige Entlassung beantragen können, nach 15 Jahren, also ab jetzt. Dazu wird es nicht kommen, Einspruch der Staatsanwaltschaft - sie beharrt auf dem, wozu Fritzl verurteilt wurde: lebenslänglich.

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