Bildrechte: picture-alliance/dpa/Andreas Gebert

Der Angeklagte Ralf Wohlleben sitzt am 25.02.2015 im Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München (Bayern).

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

NSU-Prozess: Wohlleben-Verteidiger halten Plädoyers

Im NSU-Prozess halten heute die Verteidiger des mutmaßlichen NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben ihre Plädoyers. Weil er die Mord-Pistole Česká 83 beschafft haben soll, ist er wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Von Thies Marsen

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Ralf Wohlleben ist einer, dem man seine extrem rechte Gesinnung nicht unbedingt auf den ersten Blick ansieht. Die Haare sind nicht zu kurz, keine Szeneklamotten, sondern meistens unauffällig mit dunkler Hose und Hemd bekleidet. Einer, der bürgerlich und zurückhaltend wirkt. An seiner Ideologie ändert das nichts, meint Opferanwalt Thomas Bliwier.

"Er ist eigentlich, wenn man so will, ein bisschen der intellektuelle Typ, hat die Ideologie, will sich die Finger nicht schmutzig machen. das ist schief gegangen mit der Lieferung der Waffe. Dass er die Waffe geliefert hat, daran gibt es keinen Zweifel. Sein Glück ist, dass es für mehr nicht reicht als 'Beihilfe zum Mord." Thomas Bliwier, NSU-Opferanwalt

Der vierte Mann der Terrorgruppe

Viele Nebenkläger und deren Anwälte sind davon überzeugt, dass Ralf Wohlleben mehr war als nur Unterstützer der drei Untergetauchten – sondern vielmehr der vierte Mann der Terrorgruppe – sozusagen der legale Arm. Sicher ist: Während der NSU bereits erste Raubüberfälle, Bombenanschläge und einen Mord verübte, hielt Wohlleben weiter Kontakt – und machte gleichzeitig Karriere in der Thüringer NPD, wie sich Nebenklageanwalt Mehmet Daimagüler empört. Dieser Mann habe tagsüber Plakate und Parteiprogarmme geschrieben, er wäre ja stellvertretender Landesvorsitzender der NPD, und nachts habe er Morde mitorganisiert

Beihilfe zum neunfachen Mord wirft die Bundesanwaltschaft Wohlleben vor – insbesondere, weil er die Lieferung der berüchtigten Pistole Česká 83 organisiert haben soll. Er sei der Strippenzieher gewesen, der alle Fäden in der Hand hielt. Bundesanwalt Herbert Diemer am Anfang des Verfahrens:

"Wir gehen nach dem Ergebnis unserer Ermittlungen davon aus, dass der Angeklagte Ralf Wohlleben und der Angeklagte Carsten S. die Pistole Ceska 83 beschafft haben, mit der neun Menschen ermordet worden sind. Wir sind außerdem davon überzeugt, dass beide damit gerechnet haben, dass damit rassistische Morde begangen werden und dass sie das billigend in Kauf genommen haben." Herbert Diemer, Bundesanwalt

Zweifelhafte Aussage nach langem Schweigen

Im Gegensatz zu Ralf Wohlleben hat Carsten S. die Lieferungen gestanden und dabei nicht nur Wohlleben, sondern auch sich selbst schwer belastet – ohne seine Aussage wäre Wohlleben wohl nie vor Gericht gestellt worden, räumte auch die Bundesanwaltschaft ein. Wohllebens Verteidiger versuchten denn auch über Monate, die Glaubwürdigkeit von Carsten S. zu erschüttern – letztlich ohne Erfolg. Da half es auch nichts, dass sich Wohlleben nach langem Schweigen doch noch dazu entschied, am 251. Verhandlungstag eine Aussage im Gerichtssaal zu machen. Opferanwalt Alexander Hoffmann:

"Das ist natürlich Theater. Die Aussage, die wir hier gehört haben, ist konstruiert um die Beweisaufnahme aus 250 Tagen. Wenn man sich die Ergebnisse der Beweisaufnahme nimmt und dann sagt: Was kann ich gar nicht mehr bestreiten? Wo kann ich vielleicht was einpassen? – da kommt halt so eine Aussage raus." , Alexander Hoffmann, Opferanwalt

Gewalt habe er stets abgelehnt, so Ralf Wohlleben in seiner Einlassung. Von der Lieferung der Mordwaffe will er zwar gehört, aber ansonsten nichts damit zu tun gehabt haben. Dass das Oberlandesgericht ihm das vermutlich nicht abnimmt, zeigt die Tatsache, dass es mehrere Anträge ablehnte, den 43-Jährigen aus der Untersuchungshaft zu entlassen. In der extrem rechten Szene wird Wohlleben – Spitzname Wolle – unterdessen zum Märtyrer stilisiert, schon vor Prozessbeginn skandierten Neonazis bei einem Aufmarsch in München.

"Freiheit für Wolle" heißt auch eine Rechtsrock-CD, mit der Geld für Wohlleben gesammelt wurde. Als sich im Oktober 2016 in der Schweiz rund 5.000 Neonazis zu einem der größten Rechtsrock-Konzerte überhaupt versammelten, sollen Teile der Einnahmen an Wohlleben geflossen sein, berichten Schweizer Medien. Zu seinen Anwälten zählen unter anderem eine Ex-NPD-Funktionärin, der Ex-Chef der inzwischen verbotenen Wiking Jugend und der einstige Sänger einer Rechtsrock-Band. Zuletzt stellten seine Verteidiger wiederholt beinahe gleichlautende Beweisanträge, bis das Gericht ihnen ganz offiziell bescheinigte, ihnen würde es nur noch um Verschleppung gehen. Immer wieder haben sie den NSU-Prozess auch als Plattform für Neonazipropaganda genutzt – schwadronierten vom drohenden Volkstod oder wollten beweisen, dass Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess in Haft ermordet worden sei. Kein Zweifel: Hinter der bürgerlichen Fassade des Ralf Wohlleben verbirgt sich ein überzeugter Neonazi.