Vertreter der Nato-Staaten zu Beginn der ersten Arbeitssitzung beim Gipfel in Madrid.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Bernd von Jutrczenka

Vertreter der Nato-Staaten zu Beginn der ersten Arbeitssitzung beim Gipfel in Madrid.

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Nato erklärt Russland zur größten Bedrohung

Die Nato hat bei ihrem Gipfel in Madrid die Konsequenzen aus dem Angriffskrieg gegen die Ukraine gezogen: Das Bündnis erklärte Russland im neuen Strategie-Papier zur größten Bedrohung. Zudem wurde die Aufnahme von Schweden und Finnland eingeleitet.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Nato reagiert auf die veränderte weltpolitische Lage. Auf ihrem Gipfeltreffen in Madrid beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Mitglieds-Staaten ein neues strategisches Konzept für das Militärbündnis. Das bestätigte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach der ersten Arbeitssitzung. In dem Grundlagendokument für politische und militärische Planungen wird Russland als "größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum" bezeichnet, China als Herausforderung.

Außerdem heißt es in dem neuen Konzept: "Angesichts ihrer feindseligen Politik und Handlungen können wir die Russische Föderation nicht als unseren Partner betrachten." Die Beziehungen könnten sich erst dann wieder ändern, wenn Russland sein aggressives Verhalten einstelle und das Völkerrecht in vollem Umfang einhalte. Man bleibe jedoch bereit, die Kommunikationskanäle mit Moskau offen zu halten, um Risiken zu mindern, Eskalationen zu verhindern und mehr Transparenz zu schaffen.

Nato bezeichnet Russlands Einmarsch in die Ukraine als brutal

Russlands Einmarsch in die Ukraine wird als brutal und rechtswidrig bezeichnet. Als Bedrohung für die Nato-Staaten werden in dem Konzept unter anderem Russlands Versuche beschrieben, sich über Zwang, Subversion, Aggression und Annexion Einflusssphären zu schaffen. Die erwiesene Bereitschaft des Landes, Gewalt zur Verfolgung politischer Ziele einzusetzen, untergrabe die regelbasierte internationale Ordnung.

In Folge dieser Politik wird die Nato dem Konzept zufolge die "Abschreckung und Verteidigung für alle Verbündeten deutlich stärken" und auch Partner dabei unterstützen, "böswillige Einmischung und Aggression abzuwehren". Zugleich wird festgehalten, dass die Nato keine Konfrontation suche und für Russland keine Bedrohung darstelle.

Nato geht in strategischem Konzept auch auf China ein

Vor allem auf Druck der USA hin wird im neuen strategischen Konzept auch auf China eingegangen. Es wird dort als Land beschrieben, das versucht, strategisch wichtige Technologie- und Industriesektoren, kritische Infrastruktur sowie Lieferketten unter seine Kontrolle zu bringen. Als Gefahr wird zudem die zunehmende strategische Abstimmung zwischen China und Russland genannt.

In Reaktion auf die "systemischen Herausforderungen" durch China wollen die Nato-Staaten nun ihr gemeinsames Lagebild verbessern und die Resilienz und Abwehrbereitschaft erhöhen. Wie auch bei Russland wird allerdings festgehalten, dass die Nato für konstruktive Gespräche zur Wahrung der Sicherheitsinteressen des Bündnisses offen bleibt.

Aufnahmeverfahren für Finnland und Schweden eingeleitet

Außerdem brachte die Nato in Madrid wie erwartet die Aufnahme Finnlands und Schwedens in die Militärallianz auf den Weg. Die Staats- und Regierungschefs sprachen die offizielle Beitrittseinladung für die beiden Länder aus, wie aus der gemeinsam veröffentlichten Gipfelerklärung hervorgeht. Die Türkei hatte zuvor nach wochenlangen Verhandlungen ihren Widerstand gegen die Norderweiterung der Allianz aufgegeben - im Gegenzug für Zugeständnisse der nordischen Länder.

Bis Finnland und Schweden tatsächlich Mitglieder der Allianz sind, dürfte es jedoch noch einige Monate dauern. Die Beitrittsprotokolle sollen nach derzeitiger Planung am kommenden Dienstag unterzeichnet werden. Danach müssen diese noch von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Bis alle 30 Alliierten dies erledigt haben, könnte es Schätzungen zufolge sechs bis acht Monate dauern. In Deutschland muss der Bundestag zustimmen.

Türkei blockierte zuerst den Beitrittsprozess

Finnland und Schweden hatten unter dem Eindruck des russischen Kriegs gegen die Ukraine am 18. Mai die Mitgliedschaft in der Nato beantragt. Die Türkei blockierte jedoch wochenlang den Beitrittsprozess und begründete dies unter anderem damit, dass Schweden und Finnland angeblich "Terrororganisationen" unterstützen - dazu zählen aus türkischer Sicht zum Beispiel die kurdische Arbeiterpartei PKK, die syrische Kurdenmiliz YPG und die Gülen-Bewegung. In Stockholm und Helsinki werden diese Vorwürfe zurückgewiesen.

Nato-Staaten beschließen drastische Stärkung der Ostflanke

Die Nato will außerdem ihre Ostflanke deutlich verstärken. Die Staats- und Regierungschefs stimmten einem neuen Streitkräfte-Modell zu, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Bündniskreisen erfuhr. Es sieht vor, künftig mehr als 300.000 Soldaten in hoher Einsatzbereitschaft zu halten.

Russland sieht den Nato-Gipfel derweil als Bestätigung für die aggressive Haltung des westlichen Militärbündnisses. "Das Gipfeltreffen in Madrid festigt den Kurs einer aggressiven Eindämmung Russlands" durch die Militärallianz, sagte der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow am Mittwoch laut russischen Nachrichtenagenturen.

Mit Material von dpa und AFP.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!