Bundeskanzler Olaf Scholz und Kamala Harris, Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika, bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2024.
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Bundeskanzler Olaf Scholz und Kamala Harris, Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika, bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2024.

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Münchner Sicherheitskonferenz: Mit oder ohne Amerika

Die US-Teilnehmer bei der Sicherheitskonferenz werden sich nicht einig. Den Streit über die Militärhilfe für die Ukraine haben sie mit nach München gebracht. Aber das entlässt die Europäer nicht aus der Pflicht.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Der Auftritt von US-Senator J. D. Vance hatte noch einmal richtig Spannung in die Münchner Sicherheitskonferenz gebracht. Der Anhänger des abgewählten Präsidenten Donald Trump stellte weitere militärische Unterstützung für die Ukraine infrage. In Washington, im Senat, hatte Vance gegen zusätzliche 60 Milliarden Dollar gestimmt. Weitere Finanzpakete änderten nichts an der Situation auf dem Schlachtfeld, so Vance in München. Auch die USA kämen mit der Munitionsproduktion nicht mehr nach. Deshalb sei die Frage wichtiger, wie im Kampf gegen Russlands Aggression in der Ukraine ein realistisches Ergebnis aussehen könnte.

Biden versus Trump - was heißt das für Europa?

Viele Europäer, die nach München gekommen sind, widersprechen Vance. Sie halten die militärische Unterstützung der USA für entscheidend. Viele amerikanische Teilnehmer der Sicherheitskonferenz tun das auch. Und man könnte sogar sagen, es ist mehr als ein Amerika in München zu Gast. Die Frage, wie es im Jahr der Präsidentschaftswahl um die transatlantischen Beziehungen steht, ist deshalb nicht leicht zu beantworten. In Washington droht eine Wiederholung des Duells von 2020: Biden gegen Trump. Was heißt das für uns?

US-Vizepräsidentin Kamala Harris hatte zum Auftakt der Konferenz in einer vorbereiteten Rede versucht, Vertrauen zu stiften. In unsicheren Zeiten könnten sich die Vereinigten Staaten gar nicht zurückziehen. Das internationale Regelwerk gehöre zu den Idealen der USA, so Harris. Das nordatlantische Verteidigungsbündnis Nato, dem auch Deutschland angehört, sei zentraler Bestandteil für die weltweite Sicherheit.

Ein Hauch von US-Wahlkampf in München

Neue Sanktionen gegen Russland kündigte Harris nach der Nachricht vom Tod russischen des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny aber nicht an. Dabei hatte die Biden-Regierung ursprünglich Russland verpflichtet, für das Wohlergehen von Nawalny trotz Haft in Sibirien zu sorgen.

Und so klang Harris' Rede in München eher wie eine Antwort der US-Administration auf ihren möglichen Herausforderer Trump. Der hatte bei einem Auftritt öffentlich angekündigt, dem russischen Präsidenten Putin freie Hand geben zu wollen, mit Nato-Staaten, die aus seiner Sicht nicht genug zu den Militärausgaben des Bündnisses beitragen.

Stellt Trumps Äußerungen schon die Abschreckungskraft der Nato gegenüber Russland infrage? Oder sind es außenpolitischen Seitenhiebe, die bei Anhängern der Republikaner in den USA das Gefühl bedienen, vernachlässigt worden zu sein?

In jedem Fall setzt Trumps Auftreten Politiker seiner Partei, der Republikaner, massiv unter Druck. US-Senator Lindsey Graham fehlte bei der Sicherheitskonferenz in München ganz. In den vergangenen Jahren hatte er den Europäern stets versichert, dass Trumps Weltbild nicht Washington übernommen habe, wie die "Washington Post" schreibt. Doch jetzt: Reise gestrichen und rhetorisch umgefallen. Graham unterstützt die These, zunächst müsse Amerika geschützt werden - geschützt vor Menschen, die über die Grenze zu Mexiko in die USA einwandern ohne Verfahren und gültige Papiere.

Das Primat der US-Innenpolitik

Und so übernahm US-Senator Pete Ricketts, Millionär aus Nebraska, in München die Aufgabe, die neue Richtung der gemäßigten Republikaner zu erklären. Auch Ricketts hatte im Senat gegen neue Militärhilfen für die Ukraine gestimmt.

Er verstehe die Frustration. Die Ukraine sei angegriffen worden, 300.000 Soldaten stünden auf dem Staatsgebiet des Landes. Aber das solle man ins Verhältnis setzen zu den Millionen Menschen, die illegal in die Vereinigten Staaten einwandern, so Ricketts weiter. Das sei nicht dasselbe, aber es sei ein drängendes Problem für die Vereinigten Staaten, versuchte der Senator unter einzelnen Buh-Rufen seinen Punkt zu Ende zu bringen.

Pelosi beschwört Sieg der Ukraine

Trotz aller Differenzen hatten US-Republikaner und Demokraten in München auch in diesem Jahr Gelegenheit, sich außerhalb der politischen Blase in Washington auszutauschen. Die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ließ sich bei einem Vortrag zumindest kurz auf das Argument ein, dass die US-Unterstützung für die Ukraine für die Amerikaner Preise nach oben treibe und zu den gegenwärtigen innenpolitischen Problemen der USA beitrage. Aber dann sollte man sich mal vorstellen, welche Preissteigerungen drohen, sollte der russische Präsident Wladimir Putin mit seiner Aggression Erfolg haben, so Pelosi. Ein Sieg für die Ukraine sei die einzige Möglichkeit.

Aber es kam bei der Konferenz in München noch ein Aspekt hinzu: Häufig läuft die Frage nach den transatlantischen Beziehungen auf ein Gespräch hinaus, das weite Teile der Welt und deren Interessenlage ausschließt. Da die Organisatoren der Sicherheitskonferenz dem sogenannten Globalen Süden in diesem Jahr noch einmal mehr Gewicht geschenkt haben, fiel die Fokussierung des sogenannten Westens auf sich selbst auf. Welche Bedeutung hat das Bündnis USA-Europa, wenn es weiter nicht gelingt, Staaten wie Indien bei Fragen der Sicherheitspolitik zu integrieren?

Auch wer nichts tut, trägt Verantwortung

Und womöglich führt Europas Konzentration auf eine weitere mögliche Präsidentschaft von Donald Trump auch nicht ans Ziel. Nach dem Auftritt von Trump-Anhänger J. D. Vance in München sagte Constanze Stelzenmüller vom Brookings Institut, einer Denkfabrik in Washington, der Hinweis auf fehlende Munitionsproduktion sei ein Totschlag-Argument. Fehlende Hilfe für die Ukraine aus innenpolitischen Gründen lässt sich damit nicht rechtfertigen. "Wir alle haben zu der Situation beigetragen durch Nichtstun und Verzögerungstaktik", so Stelzenmüller im Gespräch mit BR24. Als Juristin nenne sie sowas Ingerenzhaftung. Das heißt, Amerika und Europa haben durch Nichtstun Verantwortung übernommen.

Und es scheint in München, weder Amerikaner noch Europäer haben endgültig entschieden, wie sie unabhängig aller innenpolitischen Interessen und Rücksichten mit dieser Verantwortung umgehen wollen.

Video: Interview mit Constanze Stelzenmüller

Constanze Stelzenmüller
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Constanze Stelzenmüller

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