Das belagerte Stahlwerk Azovstal in Mariupol
Bildrechte: picture alliance/dpa/TASS | Peter Kovalev

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Mariupol: Dutzende Zivilisten verlassen belagertes Stahlwerk

Nach ukrainischen und russischen Angaben konnten mehrere Zivilisten das belagerte Stahlwerk Azovstal in der Hafenstadt Mariupol verlassen, Hunderte sitzen weiter fest. Papst Franziskus fordert humanitäre Korridore für die Stadt.

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Sowohl die Ukraine als auch Russland haben es bestätigt: Am Wochenende konnten aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal in der Hafenstadt Mariupol mehrere Zivilisten evakuiert werden. Russische Quellen sprachen am Sonntag von insgesamt 46 Menschen, die das Gelände in der völlig zerstörten Metropole am Asowschen Meer verlassen hatten, einige von ihnen konnten mit Einbruch der Dunkelheit in angrenzende Häuser fliehen. Das teilte das russische Verteidigungsministerium der Agentur Interfax mit.

Das ukrainische Asow-Regiment sprach zuletzt von 20 Frauen und Kindern, die aus dem Stahlwerk evakuiert worden seien. Die Versorgungslage der Menschen dort gilt als katastrophal. Ukrainischen Angaben zufolge sollen in den Bunkeranlagen des Stahlwerks insgesamt etwa 1.000 Zivilisten Zuflucht gesucht haben und nun eingeschlossen sein. Russland spricht von etwa 2.500 ukrainischen Militärs und ausländischen Söldnern, die sich dort gemeinsam mit Zivilisten verschanzt haben sollen.

Papst fordert humanitäre Korridore

Russische Truppen hatten die Hafenstadt kurz nach Kriegsbeginn am 24. Februar belagert. Inzwischen haben sie die strategisch wichtige Stadt mittlerweile weitgehend eingenommen. Ungeachtet einer Einigung von Moskau und Kiew auf einen humanitären Korridor für die Flucht von Zivilisten gab es bislang keine größeren Evakuierungen aus dem Werk.

Papst Franziskus forderte eindringlich das Einrichten humanitärer Korridore nach Mariupol. Die Menschen, die in das Stahlwerk geflüchtet sind, müssten die Stadt verlassen dürfen. "Ich leide und weine, wenn ich an das Leiden des ukrainischen Volkes denke. Wir sind Zeugen eines makabren Rückschritts der Menschheit", klagte der 85-Jährige am Sonntag beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz. Er denke besonders an die Kinder und Schwachen, die verschleppt und verstoßen würden.

Er frage, sich ob derzeit Frieden angestrebt werde beim Versuche eine weitere militärische Eskalation zu vermeiden. "Lassen wir uns nicht von der Spirale der Waffen mitreißen", so der Appell des Papstes. Die Logik der Gewalt müsse enden, die Waffen schweigen.

Karte: Die militärische Lage in der Ukraine

Russland greift Flughafen von Odessa an

Im Osten und Süden der Ukraine gingen die heftigen Kämpfe unterdessen weiter. Die russischen Streitkräfte nahmen den Flughafen der Hafenstadt Odessa ins Visier. Dabei sei die Landebahn zerstört worden, teilte der Gouverneur des Gebiets Odessa, Maxym Martschenko, mit. Zum Einsatz seien Raketen des Küstenverteidigungssystems "Bastion" gekommen.

Beide Seiten berichteten von militärischen Erfolgen im heftig umkämpften Osten des Landes. Die russische Seite gab an, mehr als 380 ukrainische Militärobjekte getroffen zu haben, etwa vier Munitionslager und ein Kraftstoffdepot. Zudem seien 120 ukrainische Kämpfer "vernichtet" worden.

Die ukrainische Seite gab an, elf Panzer, neun Drohnen und sieben Artilleriesystem zerstört zu haben. Nördlich von Charkiw sei das "strategisch wichtige" Dorf Ruska Losowa zurückerobert worden. Die ukrainische Armee sprengte zudem eine Eisenbahnbrücke im Gebiet Donezk, wie die "Ukrajinska Prawda" schrieb. Dabei sei ein russischer Güterzug getroffen worden. Die Ukraine soll nach russischer Darstellung auch die grenznahe russische Region Kursk mit Granaten attackiert haben. Immer wieder waren auch Ziele in Russland nahe der Grenze beschossen worden.

Weitere Leichen mit Folterspuren nahe Butscha entdeckt

Unweit des Kiewer Vororts Butscha sind ukrainischen Angaben zufolge weitere Leichen von Zivilisten mit Folterspuren gefunden worden. Die in einer Grube im Dorf Myrozke gefundenen Männer seien durch Kopfschuss getötet worden, sagte der Polizeichef der ukrainischen Hauptstadt, Andrij Nebytow. Die Augen der drei nahe Butscha gefundenen Toten waren laut Nebytow verbunden, auch seien mehrere von ihnen geknebelt gewesen. Die Leichen trugen nach Angaben des Polizeichefs die Spuren von langer Folter und Schusswunden an mehreren Körperteilen.

Butscha ist zum Synonym für mutmaßliche Kriegsverbrechen der russischen Streitkräfte in der Ukraine geworden. Der Vorort stand rund vier Wochen lang unter Kontrolle russischer Truppen. Nach ihrem Abzug Ende März wurden nach Polizeiangaben in Butscha und Umgebung etwa 400 Leichen entdeckt.

Weiterer Gefangenenaustausch

Bei einem erneuten Gefangenenaustausch mit Russland sind Angaben aus Kiew zufolge 14 Ukrainer freigekommen - sieben Zivilisten und sieben Soldaten, teilte die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk mit. Von russischer Seite gab es keine Bestätigung.

Wereschtschuk zufolge sollen sich rund 1.000 ukrainische Zivilisten und 700 Militärangehörige in russischer Gefangenschaft befinden. Die Ukraine habe rund 700 russische Soldaten als Kriegsgefangene genommen. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen das Nachbarland am 24. Februar hatten Moskau und Kiew bereits mehrfach Gefangene ausgetauscht.

Mit Material von dpa und KNA.

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