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Flüchtlingslager in Lesbos

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Flüchtlings-Zentren außerhalb der EU – alles noch äußerst vage

Flüchtlings-Zentren außerhalb der EU - wie sinnvoll sind sie? In einem Entwurf der EU-Gipfel-Erklärung für kommende Woche taucht die Idee auf. Sie wird bereits heiß diskutiert, auch in Deutschland. Doch noch gibt es viele Ungereimtheiten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen.

Die Idee darf man getrost als den Versuch betrachten, den tiefen Graben zu überwinden, der sich in der Flüchtlingsfrage quer durch Europa zieht. Und der bislang die Vertreter einer harten EU-Linie und einer eher aufgeschlosseneren entzweit. Es geht im Kern darum, all jene Geflüchteten, die man im Mittelmeer rettet, nicht auf das Gebiet der Europäischen Union zu lassen, sondern sie in einem Nicht-EU-Land in Auffanglagern oder sogenannten ‚Anlandezentren‘ unterzubringen. Eine Idee, gegen die Kanzlerin Merkel grundsätzlich nichts einzuwenden hat.

"Denn wir müssen illegale Migration reduzieren und gleichzeitig natürlich legale Möglichkeiten des Austausches sei es für Berufsausbildung, Studium oder Ähnliches eröffnen. Das muss das Prinzip sein. (Aber die Schleuser und Schlepper können nicht darüber entscheiden, wer nach Europa kommt, und gleichzeitig noch Geld auf dem Rücken der Menschen verdienen, das sie dann für kriminelle Zwecke einsetzen." Bundeskanzlerin Angela Merkel

Asylgesuche außerhalb der EU prüfen

Laut einem ersten Entwurf für die Abschlusserklärung des EU-Gipfels Ende kommender Woche, der dem ARD-Studio Brüssel vorliegt, geht es darum, möglichst schnell unterscheiden zu können „zwischen Wirtschaftsmigranten und jenen, die internationalen Schutz genießen“, wie es wörtlich in dem Text heißt. Und diese Prüfung soll eben möglichst nicht auf dem Boden der EU stattfinden. Was aber eine ganze Reihe von Fragen aufwirft. Unter anderem rechtliche. Denn wenn jemand etwa in Deutschland um Asyl ersuchen will, kann er das bislang nur in der Bundesrepublik selbst tun. Nach Ansicht der Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament, Ska Keller, wird damit das Recht, in der Europäischen Union Asyl zu beantragen, faktisch „beerdigt“, wie sie dem ARD-Studio Brüssel sagte:

"Es geht hier darum, Menschen in Camps einzusperren. In Drittländern wie Libyen oder anderen Staaten, die sich nicht genug wehren können." Ska Keller

Kaum ein Land will Auffangzentren 

Zu den juristischen Zweifeln gesellen sich praktische: Die Länder, die sich zu solchen Auffanglagern bereit erklären, müssen erstmal gefunden werden. Tunesien etwa lehnte das einst ab. Und auch in der EU sieht man die Gefahr, dass solche Zentren ohnehin nicht auf festen Beinen stehende Länder weiter destabilisieren könnten. Befürworter hingegen hoffen, mit dieser Idee den Schlepperbanden das Handwerk legen zu können. Die Grüne Ska Keller bleibt bei ihrer scharfen Kritik:

"Die EU-Mitgliedsländer können sich anscheinend nicht mehr auf irgendetwas Positives und Solidarisches einigen, sondern setzen komplett auf Abschottung." Ska Keller

Neu ist der Vorstoß mit den Auffangzentren nicht. Schon vor Jahren warben der ehemalige deutsche Innenminister Thomas de Maizière oder auch Österreichs Sebastian Kurz dafür, der heute Regierungschef ist:

"Die wichtigste Regel muss sein: Wer sich illegal auf den Weg macht, wird an der Außengrenze gestoppt, versorgt und zurückgestellt." Österreichs Kanzler Sebastian Kurz

Das leidige Thema Verteilung

Heute nun gibt es eine ganze Reihe von Ländern - Frankreich und Italien gehören dazu - die sich eine ‚Auslagerung‘ der Asylzentren mindestens vorstellen können. Andere werben aktiv dafür: Dänemark etwa. Die EU-Kommission führt bereits Gespräche mit dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen und der Internationalen Organisation für Migration (IOM), die beim Betreiben der Zentren an Bord sein müssten. Doch der Tag, an dem dieser Plan in die Praxis umgesetzt wird, ist noch fern. Zu viele Fragen sind noch offen: Unter anderem die, welches Land wie viele der anerkannten Asylbewerber aufnehmen soll. Dafür wäre wieder ein Verteilungsschlüssel nötig, gegen den sich Ungarn und andere so sehr stemmen. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass der Vorschlag zumindest vorübergehend den EU-Streit beim Thema Migration zu übertünchen in der Lage ist.