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25 Jahre Asylrechtsreform

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Heute vor 25 Jahren: Umstrittene Änderung des Grundgesetzes

Heute vor 25 Jahren: Umstrittene Änderung des Grundgesetzes

Als im Jahr 2015 die Flüchtlingszahlen in Deutschland stiegen, war das nicht das erste Mal: Auch Anfang der 1990er Jahre suchten immer mehr Menschen Asyl in Deutschland. Die Folge war die erste Verschärfung des Asylrechts. Von Janina Lückoff

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"Ich meine, wir müssen uns um die Stabilität Deutschlands, das bisher zu den stabilsten Ländern Europas und der Welt gehört hat, erstmals seit langer Zeit wieder ernsthaft Sorgen machen.“ Nein, das ist kein Satz aus der letzten Bundestagsdebatte. Mehr als 25 Jahre ist es her, dass der damalige SPD-Vorsitzende Björn Engholm diesen Satz sagte - und damit einen Kursschwenk seiner Partei in der Asylpolitik rechtfertigte.

Anfang der 1990er Jahre: Auf dem Balkan herrscht Krieg; die Sowjetunion zerfällt; in Deutschland steigt dadurch die Zahl der Asylbewerber. 1992 erreicht sie mit rund 440.000 einen neuen Höchststand. Doppelt so viele Anträge wie im Jahr zuvor wurden gestellt, anerkannt werden damals aber nur rund 4,3 Prozent.

Erst fallen Worte, dann fliegen Molotowcocktails

Schlagworte wie "Wirtschaftsasylant", "Scheinasylant" und "Asylmissbrauch" fallen - und es bleibt nicht bei Worten. Vielerorts werden Asylbewerberheime angegriffen, in Hoyerswerda, Rostock und Mölln beispielsweise. Rechtsradikale werfen Molotow-Cocktails, teilweise unter dem Beifall der Bevölkerung.

"Mir ist es wichtig, deutlich zu machen, dass wir kein ausländerfeindliches Land sind, und dass wir allerdings auch dafür sorgen müssen, dass wir das bleiben. Wenn Sie unkontrolliert Ausländer zu uns sich ansiedeln lassen, dann führt das zu einer Ausländerfeindlichkeit und wir müssen dafür eintreten, dass wir vernünftige Regelungen schaffen." Edmund Stoiber, damaliger bayerischer Innenminister 1991

Schwarz-Gelb braucht die Stimmen der SPD

Die Forderung nach einer Asylrechtsänderung steht im Raum, doch die politische Debatte darüber dauert zwei Jahre. Denn damit der Grundgesetzartikel 16 - "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht" - geändert werden kann, braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Parlaments, die die damalige Schwarz-Gelbe Koalition nicht hat. Erst Ende 1992 sind auch die Sozialdemokraten bereit, das Asylrecht einzuschränken.

26. Mai 1993: Die entscheidende Debatte im Bundestag.

Rund um die Bannmeile protestieren rund zehntausend Menschen gegen die Grundgesetzänderung und blockieren die Zugänge zum Bonner Wasserwerk, dem Ort der Debatte. Die Tagesschau berichtet damals: „Ihr Hauptziel hat die Polizei erreicht: Etwa 130 Abgeordnete wurden eingeflogen, 250 wurden vom Rhein aus an Land gesetzt und 250 wurden durch die Sperren geleitet. Die Abgeordneten konnten ihrer Arbeit nachgehen.“

Mammut-Debatte mit Abstimmung zu später Stunde

14 Stunden debattiert das Parlament über die Einführung des Artikels 16a. Danach erhält kein Asyl mehr, wer aus einem sogenannten sicheren Herkunftsland kommt oder über einen sicheren Drittstaat - also einem der EU- oder sonstigen Nachbarländer Deutschlands - einreist. Auch die Flughafenregelung wird eingeführt, womit das Asylverfahren schon vor der Einreise im Transitbereich eines Flughafens durchgeführt werden kann.

"Wir wollen vor diesem Hintergrund erreichten, dass die wirklich politisch Verfolgten schnell anerkannt werden, die nicht politisch Verfolgten keine Anreize erhalten, zur Asylantragstellung in die Bundesrepublik Deutschland zu kommen, und die Asylbewerber, die sich zu Unrecht auf Asyl berufen, rasch in ihre Heimatländer zurückgeführt werden – und das heißt: Schnelle Entscheidungen und schnelle Abschiebungen." Rudolf Seiters, CDU, damaliger Bundesinnenminister

Auch SPD- und FDP-Abgeordnete sind gegen die Reform

Nicht nur Grüne und die damalige PDS lehnen die Neuerungen ab, auch viele Abgeordnete der SPD haben Bauchschmerzen. Deren damaliger Fraktionsvorsitzender, Hans-Ulrich Klose, betont das, verweist aber darauf, dass 70 Prozent der Bevölkerung die Asylrechtsverschärfung wollten. Ausländerfeindlich seien sie deshalb nicht, so Klose.

"Dennoch gibt es bei vielen Menschen eine zunehmende Angst vor Überforderung und Wohlstandsverlusten durch die massenhafte missbräuchliche Inanspruchnahme des Asylrechts. Und wer wollte bestreiten, dass es die gibt?! Die Menschen hier wollen, dass wir dies, und die ungebremste Zuwanderung stoppen." Hans-Ulrich Klose, damaliger SPD-Fraktionsvorsitzender

Und der damalige Fraktionsvorsitzende der Union, Wolfgang Schäuble, versichert:

"Es wird auch nach der Entscheidung des heutigen Tages keine Abschottung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Ausländern, ausländischen Mitbürgern, solchen die zu uns kommen wollen und zu uns kommen werden, geben." Wolfgang Schäuble, damaliger Unionsfraktionsvorsitzender

Nach 14-stündiger Debatte stimmt der Bundestag gegen die Stimmen von Grünen und PDS, eines Teils der SPD und der FDP für die Grundgesetz-Änderung; Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth verkündet das Ergebnis:

"Abgegebene Stimmen: 645. Davon ungültige Stimmen: Keine. Mit Ja haben gestimmt: 512. Mit Nein haben gestimmt: 132. Enthaltungen: Eine. Damit ist der Gesetzentwurf mit der erforderlichen Mehrheit angenommen." Rita Süßmuth, damalige Bundestagspräsidentin