Es ist Nachts um Zehn, als ich auf der griechischen Insel Lesbos an Bord gehe. Mit Grenzschützern aus Portugal. Welche die Meeresgrenze zur Türkei kontrollieren. Von wo Flüchtlinge kommen, die am liebsten nach Deutschland oder Norwegen weiter wollen. Das ist gelebtes Europa. Für einige Monate sind die portugiesischen Marinepolizisten an die EU-Außengrenze in der Ägäis versetzt worden, arbeiten für Frontex in der Operation "Poseidon". Was genau ist ihr Auftrag?
"Unsere Hauptaufgabe ist es, die Grenzen zu kontrollieren. In enger Zusammenarbeit mit den griechischen Behörden. Daher haben wir immer einen griechischen Grenzschützer mit an Bord. Wir gehen vor gegen illegales Fischen, gegen Umweltverschmutzung… aber natürlich retten wir auch in Schiffbrüchige, und das sind vor allem Flüchtlinge." Frontex-Grenzschützer
Das Schnellboot hat neben dem Radar auch eine Wärmebildkamera. Die türkische Küste ist in Sichtweite. Nur acht Kilometer entfernt vom Schengen-Raum der EU.
2017 knapp 42.000 Flüchtlinge aus östlichem Mittelmeer aufgegriffen
Eine Woche zuvor haben italienische Frontex-Grenzschützer an gleicher Stelle 24 Kinder, neun Frauen und 19 Männer gerettet. Bislang wurden dieses Jahr an diesem Abschnitt der EU-Außengrenze 1.500 Flüchtlinge aufgegriffen. Auf der östlichen Mittelmeer-Route gehen die Zahlen zurück. 2017 waren es 77 Prozent weniger als im Vorjahr, nur noch knapp 42.000.
Doppelrolle als Retter und Abschieber
Strahlender Sonnenschein am nächsten Tag im Hafen von Mytilini, der Hauptstadt von Lesbos. Der Sturm hat sich verzogen. Ich treffe Ewa Moncure, eine Frontex-Sprecherin, die aus der Zentrale der europäischen Grenzschutzagentur im polnischen Warschau angereist ist.
Das Retten von Flüchtlingen ist die eine Seite der Arbeit von Frontex. Die andere ist, die Nichtbleibeberechtigten wieder abzuschieben.
"Frontex entscheidet nicht, wer in Europa bleiben darf und wer nicht. Aber wir helfen dabei, die nötigen Reisepapiere herbei zu schaffen, wir identifizieren die Flüchtlinge, und wir organisieren auch ihre Rückführung – alles aus unserem eigenen Budget." Ewa Moncure, Frontex
Effiziente Organisation
Und Frontex ist effizient, steckt viel Geld und Energie in die Ausbildung entsprechender Fachkräfte, erhöht laufend das Personal vor Ort. So werden mittlerweile vier Mal so viel Migranten wieder zurückgeschickt als noch vor drei, vier Jahren. "Letzte Woche haben wir allein an einem Tag 180 Flüchtlinge registriert, die meisten davon Familien aus Syrien, viele Kinder", sagt Moncure.
Allein um die ägäischen Inseln arbeiten derzeit 775 Frontex-Beamte, aus 27 EU-Mitgliedsstaaten. Es gibt ein Aufklärungsflugzeug, einen Helikopter. Und zwölf Grenzschutz-Schiffe, darunter britische, kroatische, italienische und auch zwei deutsche.
EU-Recht wahren und vor Kriminalität schützen
Natürlich sollen diese in erster Linie EU-Recht sichern, vor Kriminalität schützen - Drogen- oder Waffenschmuggel, auch Menschenhandel. Bis hin zur Terrorabwehr.
"Unsere Grenzschützer sind auch speziell darauf geschult, Migranten mit möglichen terroristischen Verbindungen zu erkennen. Um sie dann den zuständigen nationalen Behörden zu übergeben." Ewa Moncure, Frontex
Budget: 300 Millionen Euro
Insgesamt sichern derzeit mehrere Tausend Grenzschützer im Auftrag von Frontex die EU-Grenzen. Zu Lande, zu Wasser, in der Luft. 300 Millionen Euro Budget erhält Frontex dafür aus dem EU-Haushalt. Die Kontrolle der Flüchtlingsströme kostet am meisten. Doch die Doppelrolle als Retter und Abschieber provoziert immer wieder Kritik. Hilfsorganisationen berichten von Ängsten der Flüchtlinge vor den Grenzschützern.
"Viel Kritik resultiert aus Missverständnissen. Wir bringen erst mal jeden nach Griechenland. Dann wird im Rahmen der Asylgesetze geprüft, wer bleiben kann und wer nicht. Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir bringen jeden, der gerettet wird, hierher auf die Inseln." Ewa Moncure, Frontex
Letztlich setzt Frontex nur um, was die EU-Mitgliedsländer verlangen. Für die Beamten vor Ort ist dies oft hart. Sie erleben hautnah mit, was Flucht bedeutet. Zur Hochzeit der Flüchtlingskrise hatten die Portugiesen schon mal 75 Flüchtlinge auf ihr kleines Schiff aufgenommen.
Was jederzeit wieder passieren kann, solange die Ursachen für die Flucht nicht bekämpft werden. Doch auch dies ist nicht Aufgabe der Frontex-Grenzer.