Küken
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#Faktenfuchs: Werden Küken wirklich geschreddert?

Mehr als 40 Millionen männliche Küken werden in Deutschland jedes Jahr getötet. Ob die frisch geschlüpften Tiere geschreddert werden? Wir haben noch einmal nachrecherchiert.

Eigentlich ging es bei der Diskussion auf Facebook BR24 ums Fleischessen an sich. Hitzig wurde die Debatte aber vor allem beim Thema Küken-Schreddern.

Matthias Kolbeck ließ nicht locker: "BR24 ich hätte gerne noch eine Reaktion von Ihnen. Wenn man sagt, dass Küken geschreddert werden, dann sind das Fake-News"

Bei der Recherche wird schnell wird klar: Bei diesem Thema will keiner der Befragten auch nur ein missverständliches Wörtchen sagen. Die Pressesprecherin des Zentralverbandes der deutschen Geflügelwirtschaft gibt routiniert telefonisch Auskunft, bittet mit Verweis auf die Themenlage zum Schluss aber doch, ihre Zitate zum Gegenlesen zu bekommen. Die Antwort auf die Mailanfrage bei der Tierschutzorganisation Peta kommt direkt vom Leiter der Wissenschafts- und Rechtsabteilung.

"Diese Branche ist wegen jeden Wortes, welches falsch sein könnte oder nur den Eindruck einer Unrichtigkeit erzeugen könnte, vor Gericht. Somit kann man mit Fug und Recht davon ausgehen, dass hie und da doch noch geschreddert wird." Dr. Edmund Haferbeck

Küken von Legehennen

Doch der Reihe nach: In der Agrarindustrie gibt es einerseits Geflügel, das besonders gut Fleisch ansetzt, und andererseits Rassen, die fürs Eierlegen gezüchtet worden sind. Im ersten Fall - bei den Masthühnern - werden sowohl männliche als auch weibliche Tiere aufgezogen, um in den Fleischtheken zu landen. Im zweiten Fall - bei den Legehennen - sind die männlichen Nachkommen aus wirtschaftlicher Sicht nutzlos - sie können weder Eierlegen, noch setzen sie gut Fleisch an. Sie werden, kurz nachdem sie geschlüpft sind, getötet. 2016 hat das in 44,1 Millionen Tieren das Leben gekostet. In den 50er und 60er Jahren war das Schreddern die gängige Methode, aber heute?

Geflügelwirtschaft: Nicht schreddern, sondern CO2

"Die männlichen Küken der Legehennen-Rassen werden nicht geschreddert, sondern gemäß Tierschutz-Schlachtverordnung mit CO2 getötet", sagt Christiane von Alemann, Pressesprecherin des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft. Dieser Vorgang unterliege der fortlaufenden Kontrolle durch die zuständigen Veterinärbehörden. Die Küken werden laut von Alemann dafür in einem zweistufigen Verfahren zunächst mit dem Kohlenstoffdioxid betäubt und erhalten dann bei Wahrnehmungslosigkeit eine höhere Dosis des Gases, wodurch sie sterben.

Deutschlandweit gebe es etwa 25 Legehennen-Brütereien, die so gut wie alle verbandlich organisiert seien. "Uns ist keine Brüterei bekannt, die Legehennen-Küken schreddert", so von Alemann. Allerdings sei das Schreddern als Tötungsverfahren für Küken nach der Tierschutz-Schlachtverordnung grundsätzlich zulässig. 

Fazit

Nach Aussage von Seiten der Geflügelwirtschaft werden geschlüpfte männliche Legehennen-Küken in Deutschland nicht geschreddert. Aber es lässt sich nicht 100-prozentig ausschließen, dass es nicht irgendwo in Deutschland noch angewandt wird. Sollte das der Fall sein, wäre es erlaubt. Das Schreddern von Eintagsküken ist gesetzlich zugelassen. Eine Meldepflicht dafür gibt es nicht.

Eier schreddern, wenn kein Küken schlüpft

In einem Fall aber wird geschreddert - allerdings keine Küken, sondern Eier: Wenn aus bebrüteten Eiern kein Küken schlüpft, werden diese Eier gemäß Tierschutz-Schlachtverordnung zerkleinert. "Es gibt in Brütereien genau wie in der Natur den Fall, dass sich aus einem befruchteten Ei kein lebensfähiges Küken entwickelt", schildert von Alemann. Aus Sicht von Peta sind da auch Küken darunter: "Sicher geschreddert werden ja die Eier und die Küken, die sich nicht rechtzeitig befreien konnten oder die kümmern, also nicht so vital sind. Die gehen ja alle durch den Schredder, diese Tiere kommen ja noch oben drauf auf die Statistik der getöteten Eintagsküken", so Dr. Edmund Haferbeck, Leiter der Wissenschafts- und Rechtsabteilung, der in diesem Fall von "Schaleneier-Küken" spricht.

Die zerkleinerten Eier werden nach Auskunft der Verbandssprecherin als "tierische Nebenprodukte" an die Tierkörperbeseitigungsanstalt gegeben. Die mit CO2 getöteten männlichen Legehennen-Küken würden "zum Großteil" europaweit an Reptilienparks, Zoos und Falknereien als Spezialtierfutter abgegeben.

Mit "Früherkennung" das Töten vermeiden?

Für Tierschützer ist beides schlimm, sei es dass die Küken geschreddert oder vergast werden. Auch der Ausweg, den Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt anstrebt, stellt sie nicht zufrieden: schon am Ei festzustellen, ob sich darin ein männliches oder weibliches Küken entwickelt. "Forscherteams der Uni Leipzig entwickeln derzeit Verfahren, mit der das Geschlecht der Küken im Ei bestimmt werden kann - dann werden die Eier aussortiert und männlichen Küken gar nicht erst ausgebrütet", erklärt Jennifer Reinhard, Pressereferentin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

Forschung an der Uni Leipzig

Es gebe zwei Verfahren - ein spektroskopisches, bei dem das Geschlecht des Tieres mithilfe eines Lichtstrahls bestimmt wird und ein endokrinologisches, bei dem die Flüssigkeit im Ei zum Beispiel auf Hormone untersucht wird. Letzteres wurde im Juli in einer Brüterei einem Praxistest unterzogen. Für einen flächendeckenden Einsatz wurde kein Termin in Aussicht gestellt. Die Maschinen müssen erst noch gebaut werden.

BUND: Wunsch nach Hühnern, die sowohl Eier als auch Fleisch liefern

Für den Bund Naturschutz wäre dieses "Sexing am Ei" keine Lösung, weil damit das System, Hühner auf Hochleistung zu trimmen und deshalb in Fleisch- und Eierlieferanten zu trennen, weiter gestützt würde. "Das Problem besteht ja vor allem in der Hochleistungszüchtung bei der Eierproduktion. Die Legehennen haben zuchtbedingte Eileiterentzündungen, Brustbeinbrüche der Junghennen werden erst vereinzelt wahrgenommen werden. Deswegen ist auch das Ziel der Eliminierung der männlichen Küken von Legelinien nicht zielführend und ethisch auch nicht vertretbar. Es ist nur eine vermeintliche Lösung", sagt Marion Ruppaner, Agrarreferentin des BUND Naturschutz in Bayern. Ethisch wünschenswert seien Zweinutzungshühner, also Hühner, die sowohl zur Eier als auch Fleischproduktion genutzt werden können.

Es gibt einige, wenige Betriebe, die sich mit Legehennen-Rassen versuchen, bei denen man die männlichen Küken zu einer passablen bringt. Aber diese sogenannte "Brudermast" bedeutet Geldeinbußen. Das heißt: Der Verbraucher muss bereit sein, mehr Geld für die Eier zu zahlen.

Verbraucher müsste mehr zahlen

Nach Auskunft des Zentralverbandes der Geflügelwirtschaft sind die Verbraucher jedoch "extrem preisbewusst". Pressesprecherin Christiane von Alemann gibt als Beispiel den Fleischkonsum - davon sei in Deutschland nur etwa ein Prozent Bio. Das bleibe eine Nische, "damit lässt sich der Bedarf nicht decken".

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