Ein Kassenbon liegt neben einer Tasse.
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Die Kassenbonpflicht sorgt für Ärger in Einzelhandel und Gastronomie.

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#Faktenfuchs: Plakat über Kassenbons führt in die Irre

Seit Jahresbeginn gilt die Kassenbonpflicht in Handel und Gastronomie. Die sorgt für Ärger vor allem bei kleineren Unternehmen. Im Netz kursiert das Bonpflicht-kritische Plakat einer Bäckerei. Wir haben es auf Fakten gecheckt.

Seit dem 1. Januar bekommt man bei jedem Einkauf, der von einer elektronischen Kasse abgerechnet wird, einen Kassenbon. So will es das Kassengesetz, das bereits 2016 beschlossen wurde. Ein mittelständischer Bäcker aus dem niedersächsischen Langenhagen hat seinem Unmut über die neue Regelung Luft gemacht und ein Plakat in einer seiner Filialen aufgehängt. Via Twitter sind wir auf ein Foto davon gestoßen. Auf dem Plakat befinden sich allerlei Behauptungen, die wir überprüft haben.

Wir haben mit dem Geschäftsführer der Bäckereikette "Bosselmann. Die Landbäckerei GmbH", Gerhard Bosselmann, gesprochen. Das Plakat ließ er nach einem Tag abhängen und einen dazugehörigen Facebook-Post wieder löschen. Es sollte ein "zornig-ironischer" Aufschrei gegen die behördliche Regelungsflut sein, so Bosselmann. Er habe da einfach mal emotional "auf den Putz hauen" wollen, die Schmerzgrenze in Sachen Auflagen und Regelungen sei erreicht gewesen.

Dennoch: Das Plakat kursiert weiterhin in Sozialen Medien – insbesondere bei Twitter – und sorgt dort für Desinformation. Der #Faktenfuchs hat sich deshalb die Behauptungen auf dem Plakat genauer angeschaut und bei den zuständigen Behörden nach Antworten gesucht.

Kassenbons müssen nicht mitgenommen werden

Laut Bosselmanns Plakat können bei Nicht-Aushändigung eines Kassenbons "25.000 Euro Strafe" verhängt werden, wenn der Bon nicht übergeben und mitgenommen werde. Das ist zunächst einmal falsch. Im FAQ des Bundesfinanzministeriums zum Kassengesetz steht: "Nein, es gibt nur die Pflicht zur Ausgabe eines Belegs und die Pflicht zum unmittelbaren zur Verfügung stellen. Es gibt keine Pflicht zur Mitnahme."

Zudem gibt es dort den Hinweis, dass der Verstoß gegen die Belegausgabepflicht keine Bußgelder nach sich ziehen würde: "Es könnte aber als Indiz dafür gewertet werden, dass den Aufzeichnungspflichten nicht entsprochen wurde." Soll heißen: Bei einer Steuerprüfung könnten auf den Händler Fragen zukommen.

Eine weitere Regelung: Nach dem neuen Kassengesetz müssen Registrierkassen ab diesem Jahr über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügen. Dadurch sollen sie fälschungssicher werden. Die Kosten dafür müssen die Händler tragen. Im Netz finden wir zu den bislang zertifizierten Modulen Preise ab 230 Euro. Rüsten Einzelhändler ihre Kassen bis zum 30. September nicht um, könnte es laut Abgabenordnung Bußgelder bis zu 25.000 Euro geben.

Bisphenol A ist seit Jahresbeginn verboten

Laut Umweltbundesamt ist Bisphenol A (BPA) tatsächlich hormonell wirksam und kann die Fortpflanzungsfähigkeit von Menschen und Tieren beeinträchtigen. Grundsätzlich ist in Deutschland aber seit dem 1. Januar 2020 als Beschichtung von Thermopapier verboten.

Bosselmann ließ wissen, dass er seit Jahren in seinen Filialen kein Bisphenol-A-haltiges Bonpapier mehr verwende. Auch das habe er aus der Erregung heraus so formuliert, um für das Thema zu sensibilisieren.

Kassenbons müssen nicht zum Sondermüll gebracht werden

Selbst Kassenbons mit Bisphenol A können im normalen Restmüll entsorgt werden. Nur im Altpapier haben sie nichts verloren, weil der Stoff durch Recycling zum Beispiel im Toilettenpapier landen könnte. Doch wie sieht es mit Bisphenol-A-freien Bons aus?

Wegen der Neuerung erwartet das Umweltbundesamt (UBA), dass der Verbrauch von Thermopapier-Kassenrollen steigen wird, wie ein Papierindustrie-Experte der Behörde in einer Antwort an BR24 schreibt. Dabei machen dem UBA vor allem die Alternativen für BPA als Farbentwickler auf dem Papier Sorgen. Dazu zählt zum Beispiel Bisphenol S (BPS). Die Europäische Chemikalienbehörde (ECHA) schreibt in einem aktuellen Bericht zum Thema, dass auch BPS-haltiges Thermopapier solches mit BPA ersetzen wird.

Auch für Bisphenol S gibt es laut UBA bereits eine Stoffbewertung unter der Europäischen Chemikalienverordnung REACH, weil aufgrund der Eigenschaften eine ähnliche Besorgnis für Mensch und Umwelt besteht wie für Bisphenol A. Derzeit werden diese Chemikalien noch überwiegend eingesetzt, weil sie billig und gut verfügbar sind, obwohl es bereits phenolfreie Farbentwickler und auch Thermopapiere die ganz ohne Farbentwickler funktionieren gibt, wie der UBA-Experte schreibt. Die phenolfreien Ersatzstoffe könnten aufgrund fehlender oder lückenhafter Daten bisher auch nicht als völlig unbedenklich für die Umwelt eingestuft werden.

Aber schon jetzt sicher: Zum Sondermüll musste noch nie ein Kassenbon gebracht werden.

Fazit: Das "zornig-ironische" Plakat in den Filialen und auf der Facebook-Seite der Bäckerei-Kette hat der Geschäftsführer laut eigenem Bekunden im Ärger über die Regelungsflut von EU und Behörden verfasst. Es enthält zahlreiche Falschbehauptungen. Doch auch nachdem Bosselmann den Facebook-Post gelöscht und das Plakat abgehängt hat, kursieren Bilder davon noch im Netz und sorgen für Desinformation.

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