Wladimir Putin
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Experte: "Putin und der Kreml sind eine Black Box"

Wer gehört zum inneren Machtzirkel Putins? Wie werden im Kreml Entscheidungen getroffen? Brechen die Eliten allmählich mit dem Präsidenten? Einschätzungen des Russland-Experten Stefan Meister.

Macht sich im Moskauer Machtgefüge inzwischen Unbehagen breit? Der Kreml bestätigte am Mittwoch, dass Wladimir Putins enger Berater Anatoli Tschubais auf eigenen Wunsch zurückgetreten ist. In seinem Umfeld hieß es, Tschubais sei aus Protest gegen den Krieg in der Ukraine abgetreten und habe Russland verlassen. Der einstige Spitzenpolitiker, der stets zum liberalen Lager gerechnet wurde, ist die bislang höchstrangige Persönlichkeit in Russland, die sich vom Staatschef öffentlich abwendet.

Ansonsten gibt es bislang keine großen Anzeichen dafür, dass die Loyalität der herrschenden Elite zu Putin erschüttert wird - trotz der folgenschweren Strafmaßnahmen des Westens. Zwar hätten die liberalen Wirtschaftseliten in Russland ein Interesse am Ende des Krieges, diese hätten aber "komplett an Macht verloren", berichtet der Politikwissenschaftler Stefan Meister im Gespräch mit der Bayern 2 radioWelt.

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Experte: Sicherheitseliten gewinnen an Macht in Russland

Die Sicherheitseliten aus Geheimdienst, Militär und Nationalgarde hätten dagegen ein enges Vertrauensverhältnis zu Putin. Ihnen komme die Isolation des Landes sogar entgegen, sie gewännen dadurch an Einfluss, erläutert Meister. "Ich würde sogar sagen, dass große Teile des Sicherheitsapparates Gewinner dieses Krieges sind."

Der Russland-Kenner betont, dass selbst Menschen aus dem engsten Umfeld des Präsidenten nicht mit dem Einmarsch in der Ukraine gerechnet hatten. Sicher sei aber, dass Verteidigungsminister Sergej Schoigu den Krieg mit vorbereitet habe. Er sei ein enger Wegbegleiter Putins. Der Kremlchef habe "ein gewisses Vertrauensverhältnis" zu ihm. Außenminister Sergej Lawrow sei hingegen nur ein Sprachrohr Putins, "der das ausführt, was im Kreml entschieden wird".

Statt Transparenz nur "Kreml-Astrologie"

Der Osteuropa-Experte räumt ein, dass Putins innerer Machtzirkel kaum zu durchschauen ist. "Putin und der Kreml sind eine Black Box." Wie Entscheidungen getroffen würden, sei unklar. Man könne nur bestimmte Dinge deuten und befände sich damit im Bereich der "Kreml-Astrologie". Das werde sich noch verstärken, da immer weniger Personen Zugang zu Putin hätten.

Man dürfe aber nicht den Versuch aufgeben, Putin zu verstehen, betont der Politikwissenschaftler. Auch sei es für westliche Politiker weiter wichtig, mit dem Kremlchef im Gespräch zu bleiben. Die "Unberechenbarkeit" seiner Person sei zunehmend eine Gefahr für die europäische Sicherheit. In Russland herrsche ein "gefährliches Regime, das kaum Grenzen hat".

Stefan Meister ist Programmleiter Internationale Ordnung und Demokratie bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

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