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Polnisches Grenzschild

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EuGH: Polnische EU-Haftbefehle sind nicht immer zu vollstrecken

EU-Staaten müssen einen Europäischen Haftbefehl aus Polen nicht mehr in jedem Fall vollstrecken, wenn wegen der polnischen Justizreformen im konkreten Fall ein unfaires Gerichtsverfahren droht. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Im Streitfall, der dem EuGH vorlag, geht es um einen Polen, der sich in Irland aufhält. Wegen Drogenhandels stellte Polen gegen ihn gleich drei Europäische Haftbefehle aus. Gegen deren Vollstreckung wehrte sich der Mann jedoch mit dem Hinweis auf die polnischen Justizreformen. Die neuen Gesetze führten zur "echten Gefahr einer eklatanten Rechtsverweigerung". Ein faires Gerichtsverfahren sei nicht mehr gewährleistet.

Vorwürfe aus Brüssel als Begründung

Zur Begründung verwies der Anwalt des Beschuldigten auf ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Polen. Die EU-Kommission hatte im Dezember erklärt, dass "in Polen die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit besteht". Dies zeigt nach Ansicht des Klägers, dass Polen den "Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens" untergraben habe, der den Auslieferungen auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls zugrunde liegt.

Irlands Richter stellen eine pikante Frage

Der mit dem Streit befasste irische High Court geht davon aus, dass die Verhältnisse in Polen mit dem Grundrecht auf ein faires Gerichtsverfahren grundsätzlich nicht mehr vereinbar sind. Er wollte vom EuGH wissen, ob dies auch konkret für das Verfahren des auszuliefernden Straftäters gelten müsse und ob Polen dem gegebenenfalls mit Garantien für ein faires Verfahren entgegentreten könne.

Es gibt Ausnahmen vom Vertrauen

Dies bejahte der EuGH nun. Gegenseitige Anerkennung und Vertrauen seien eine wichtige Grundlage für die Zusammenarbeit in der EU. Ausnahmen seien daher eng auszulegen. Gleichzeitig betonten die Luxemburger Richter allerdings, dass "die Wahrung der Unabhängigkeit der Justizbehörden von größter Wichtigkeit ist, um einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz für den Einzelnen sicher zu stellen". Die Gerichte müssten unabhängig und frei von äußerem Druck entscheiden können. Daher sei es richtig, dass die irischen Gerichte prüften, ob dies in Polen noch gewährleistet sei. Dabei könnten sie sich auch auf die Positionen der EU-Kommission stützen.

Der konkrete Fall ist entscheidend

Für eine Verweigerung der Vollstreckung des Haftbefehls reiche ein Verweis auf die allgemeine Lage aber nicht aus, urteilte der EuGH. Vielmehr müsse Irland in einem zweiten Schritt prüfen, ob sich dies auch auf den konkreten Fall und die konkret zuständigen Gerichte auswirke. Wenn Behörden und Gerichte dies bejahten, dürfe und müsse Irland aber "davon absehen, dem Europäischen Haftbefehl Folge zu leisten".