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Fahnen EU und Deutschland

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EU wartet händeringend auf Bundestagswahl in Deutschland

Die Ungewissheit über den Wahlausgang sorgt auch in Brüssel für Anspannung. Wichtiges in der EU wird erst nach dem Wahlsonntag auf den Weg gebracht. Von Kai Küstner

Als neues europäisches Traumpaar versuchten Berlin und Paris das Duo Merkel und Macron – kurz: ‚Mercron‘ - bereits vor der Sommerpause zu verkaufen: Beim Juni-EU-Gipfel in Brüssel traten die deutsche Kanzlerin und der neue französische Staatspräsident demonstrativ gemeinsam vor die Presse. Damit haben die beiden Erwartungen geweckt. Die zum Beispiel, dass Paris und Berlin den stotternden und ruckelnden EU-Reform-Motor nach der Bundestagswahl so richtig zum Laufen bringen würden:

"In Berlin wartet man darauf, dass die Franzosen vorangehen und sozusagen ihren Teil des Deals einlösen, nämlich Wirtschaftsreformen im Inneren. Wenn das passiert, gibt es eine Bereitschaft der Bundesregierung, gemeinsame Reformen mitzutragen. Der Spielraum ist da." Cornelius Adebahr

Meint der Politik-Experte Cornelius Adebahr von der Denkfabrik "Carnegie Europe". Doch dass Merkel und Macron – sollte die Deutsche wiedergewählt werden – im Gleichschritt der Zukunft entgegentänzeln, zeichnet sich nicht ab.

Druck auf Schäuble

Jeder weiß, was Finanzminister Schäuble von einigen französischen Eurozonen-Ideen oder auch einem mächtigen gesamteuropäischen Finanzminister hält. Und dass Macron bereits jetzt mit immer neuen Vorschlägen den Druck auf Deutschland erhöht, behagt Berlin gar nicht.

"Es gibt jetzt einen selbstbewussten französischen Mitspieler. Das hat Präsident Hollande nie hingekriegt. Dem hat Frau Merkel am ersten Wochenende den Schneid abgekauft. Und dann hat der nie mehr ‚Bapp‘ gesagt." Reinhard Bütikofer

Sagt der Co-Vorsitzende der Europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, im Interview mit dem ARD-Studio Brüssel. Die Deutschen werden am Ende nicht als die Blockierer bei einer EU-Reform dastehen wollen. Aber die Macron-Ideen eins zu eins übernehmen, dürfte sich für sie auch verbieten.

Abstand zur Türkei

Unbestritten ist, dass über die Zukunft der EU in den nächsten Monaten nicht nur, aber doch vor allem in Paris und Berlin entschieden wird. Und davon hängt letztlich auch ab, ob die Europäische Union geschwächt oder geeint auf der Weltbühne auftritt. Nicht nur in den USA, auch in China oder Russland wird man die EU-Entwicklung genau verfolgen. Und in der Türkei ohnehin:

"Jeder weiß, dass jeder einzelne Schritt, den Präsident Erdogan in Richtung Rückkehr zum Rechtsstaat unternehmen würde, seiner politischen Strategie oder sogar seinem politischen Überleben zuwiderläuft. Das wird also nicht passieren." Marc Pierini

Meint der ehemalige EU-Botschafter in der Türkei, Marc Pierini. Der daher nicht davon ausgeht, dass irgendwie Bewegung in die praktisch auf Eis liegenden EU-Beitrittsgespräche kommen wird. Sehr wohl aber erwartet Pierini eine echte 180-Grad-Wende Merkels, so sie Kanzlerin bleibt, in der Zollunions-Frage. Das sei die eigentliche Sensation der deutschen Debatte gewesen, dass die Kanzlerin so deutlich gesagt habe, über einen weiteren Abbau von Handelsschranken würde mit der Türkei nicht geredet:

"Das war ein wenig überraschend. Weil Deutschland da starke Interessen hat." Marc Pierini

Womit Pierini in erster Linie deutsche Großunternehmen und Banken meint. Auch ist bislang nicht sichtbar, dass die anderen EU-Staaten die Verschärfung des deutschen Türkei-Kurses unwidersprochen mitzutragen bereit sind. Beim Gipfel im Oktober steht das Thema jedenfalls – auf Wunsch Berlins - bereits auf der Tagesordnung. Klar ist, dass nach der Bundestagswahl eine spannende Zeit anbricht: Für die Deutschen, die EU und deren Nachbarn.