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Erdoğans langer Arm? Bei Facebook verschwinden Follower

Erdoğans langer Arm? Bei Facebook verschwinden Follower

Seit einiger Zeit verlieren Türkei-kritische Aktivisten und Organisationen auf Facebook Follower. Eine befriedigende Erklärung für den mysteriösen Abonnenten-Schwund bleibt der Konzern bislang schuldig. Von Christian Schiffer

"Facebook ist der wichtigste Kanal für mich, wenn es darum geht, Informationen zu verbreiten" sagt Kerem Schamberger. Der Kommunikationswissenschaftler informiert auf Facebook über die Situation in der Türkei, er empfiehlt sehenswerte Fernsehdokumentationen, vermeldet wenn wieder einmal ein Oppositionspolitiker verhaftet wurde und schreibt auch über sich selbst. Dazu gibt es immer wieder einmal Anlass, denn der bekennende Kommunist ist unbequem. Gerade erst wurde seine Wohnung durchsucht, der Vorwurf: Er habe das Bild einer YPJ-Fahne auf Facebook hochgeladen.

Keine Antwort von Facebook

Das Zeigen dieser Fahne ist seit März illegal, da die Behörden die kurdisch-syrische YPG für eine Nachfolgeorganisation der hierzulande verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK halten. Mit Facebook hatte er aufgrund politischer Inhalte immer wieder einmal Ärger, ganze fünf Mal wurde er allein in diesem Jahr bei dem Netzwerk gesperrt. Auf seine diesbezüglichen Beschwerden regierte der Konzern kein einziges Mal, sagt er. 

Unerklärlicher Abonnenten-Schwund

Dabei ist Facebook überaus wichtig für Kerem Schamberger, das Netzwerk ist Nachrichtenagentur und Kommunikationszentrum zugleich, über die blauen Seiten hält er auch Kontakt zu vielen türkischen Journalisten, die Repressionen ausgesetzt sind. 20.000 Menschen folgten dem Türkei-Aktivisten zu Hochzeiten einmal auf Facebook, doch mittlerweile hat er nur noch knapp über 15.000 Abonnenten. Denn seit einigen Wochen beobachtet Schamberger einen mysteriösen Follower-Schwund, den Facebook auch nicht plausibel erklären kann. "Der Pressesprecher von Facebook meinte, dass es mit dem nachlassenden Interesse an der Türkei-Berichterstattung zu tun haben könnte, aber das erscheint mir vorgeschoben", sagt er im Gespräch mit BR24.

Fake-Accounts schuld?

Auch Fake-Accounts habe das Unternehmen als Grund angeführt. Diese Begründung drängt sich allerdings nicht unbedingt auf: Im Rahmen der Quartalsergebnisse hatte Facebook erst kürzlich bekannt gegeben, dass nur etwa zwei bis drei Prozent aller Accounts im Facebook-Universum Fake-Accounts seien. Vor allem aber haben viele Nutzer bekannt gegeben, Kerem Schamberger nie bewusst deabonniert zu haben. Zudem beklagen auch andere Türkei-Aktivisten, fallende Abonnenten-Zahlen, berichtet das Blog Netzpolitik.org.

In Zukunft lieber einen Blog

Schamberger selbst sagt: "So lange mir Facebook keine überzeugende Begründung liefert, gehe ich davon aus, dass der Follower-Schwund beabsichtigt ist." Facebook selbst hat diese Vorwürfe zurückgewiesen und pocht darauf eine neutrale Plattform zu sein. Kerem Schamberger wehrt sich unterdessen auf seine Weise: Er hat einen Blog eingerichtet, auf dem er nun seine Inhalte postet. Damit erreicht er zunächst zwar vermutlich weit weniger Menschen, dafür ist er aber nicht mehr abhängig von der Infrastruktur eines Milliardenkonzerns.