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Autos stehen im Stau

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Dauerbelastung Auto: Pendeln schadet der Psyche

Stau, stickige Luft, Stress: Wer weit pendelt, ist häufiger psychisch krank, zeigt eine Studie der AOK. Unterwegs mit Ralf Waidmann, der täglich über drei Stunden im Auto sitzt – und das nicht mehr mitmachen will. Von Vera Cornette

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Ralf Waidmann fürchtet die orangen und roten Stellen: Er fährt mit den Fingern auf dem Smartphone-Display umher, studiert die Strecke. Hinter Waidmann liegt ein Acht-Stunden-Arbeitstag, jetzt will er nach Hause in seinen Wohnort Pleiskirchen bei Mühldorf. 98 Kilometer weit entfernt von der Kaserne in München, in der er Sanitätsoffiziere ausbildet. Er fährt auf die A99, den Münchner Autobahnring, dahin, wo es sich auf dem Display schon rot färbt. „Das ist verschwendete Lebenszeit – man könnte schon weiter sein und früher daheim, aber jetzt wird es wieder später“, sagt der 29-Jährige.

Morgens müde, abends nicht in Spiellaune

Eine Stunde und 30 Minuten braucht er für eine Strecke – wenn alles gut geht. Heute wird es mal wieder länger dauern: „In der Früh bin ich schon müde, weil ich so früh losfahre, um nicht in den Stau zu kommen, und abends wartet daheim die Familie, die gleich vom Papa bespaßt werden will.“ Da brauche er erst mal einige Zeit, um „runterzukommen“, so der Vater von zwei kleinen Töchtern. Umziehen, näher an die Sanitätskaserne kommt für die Familie nicht infrage. „Die Grundstückspreise in und um München wären undenkbar und in der Peripherie kann man noch ein Haus kaufen, drum rentiert es sich, dass ich pendle.“

Fast 1.000 Euro kostet das Pendeln pro Monat

Zwischen 800 und 1.000 Euro gibt Waidmann monatlich fürs Hin- und Herfahren zwischen Wohn- und Arbeitsort aus. Aber es sind nicht nur die finanziellen Kosten, die beim Pendeln zu Buche schlagen. Viele Pendler zahlen mit ihrer Gesundheit, sagt Helmut Schröder vom wissenschaftlichen Institut der AOK.

"Es sind eher die allgemeinen psychischen Erkrankungen – nicht Depression, sondern Angst- und Bindungsstörungen die da relevant sind, klassischerweise, was durch Überlast verursacht wird." Helmut Schröder vom Wissenschaftlichen Institut der AOK

Die AOK hat herausgefunden, dass Pendler, die in eine Richtung mehr als 50 Kilometer zur Arbeit fahren, im vergangenen Jahr an 3,2 Tagen wegen einer psychischen Erkrankung fehlten. Wer unter zehn Kilometer Wegstrecke hat, der fehlte an 2,9 Tagen wegen psychischer Erkrankungen.

Hörbücher gegen Stau-Stress

Dem vorbeugen kann, wer sich das Pendeln möglichst angenehm gestaltet – etwa mit Musik oder Hörbüchern, rät Helmut Schröder von der AOK.

"Jeder muss selbst entscheiden, ob er lieber mit dem Auto oder öffentlich fährt. Auch sollten die Arbeitgeber ihren Mitarbeitern Angebote machen – zum Beispiel in Form von Home Office, sodass der Betroffene nur an vier Tagen die Woche pendeln muss." Helmut Schröder vom wissenschaftlichen Institut der AOK

Noch empfehlenswerter sei aber, Wohn- und Arbeitsort näher zusammenbringen. Das plant auch Ralf Waidmann: nach acht Jahren als Zeitsoldat hat er genug vom Pendeln.

"Das war definitiv einer der Gründe, warum ich meinen Dienst als Soldat an den Nagel hänge, weil ich einfach wegwill. Ich will nach Hause, auch mit dem Wissen, dass ich dann weniger verdiene, als bei der Bundeswehr. Aber Zeit kann man nicht kaufen." Ralf Waidmann

In zwei Jahren wird er bei der Bundeswehr ausscheiden und Rettungssanitäter an einer Berufsfachschule ausbilden. Seine Fahrtzeit zur Arbeit dann: 20 Minuten.