Solidaritätszuschlag (Symbolbild)
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Bundesfinanzhof: Solidaritätszuschlag nicht verfassungswidrig

Der Bundesfinanzhof hat eine Klage gegen den Solidaritätszuschlag abgewiesen. Die Abgabe ist nicht verfassungswidrig, so das höchste Steuergericht. Es liege auch keine Ungleichbehandlung gutverdienender Steuerzahler vor, die den Soli entrichten.

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Die Bundesregierung kann nach einer gescheiterten Klage gegen den Solidaritätszuschlag weiter jährliche Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe aus der Abgabe einplanen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hält den Solidaritätszuschlag nämlich weiter für rechtmäßig. Der Zuschlag sei noch vom Grundgesetz gedeckt, urteilte das höchste deutsche Steuergericht in München.

  • Zum aktuellen Artikel "Bundesfinanzhof: Soli ist (noch) nicht verfassungswidrig"

Die obersten deutschen Finanzrichter wiesen damit die Klage eines Ehepaars aus Bayern ab. Dieses hatte gegen die Zahlung des Solidaritätszuschlags in den Jahren 2020 und 2021 geklagt. Hätte der Bundesfinanzhof den Zuschlag für verfassungswidrig gehalten, hätte sich das Bundesverfassungsgericht damit befassen müssen. Eine solche Vorlage sei aber nicht geboten, entschied der Bundesfinanzhof.

Verwendung des Zuschlags im Ermessen des Gesetzgebers

Die Entscheidung des BFH dürfte viele Experten überraschen. Auch der Bund der Steuerzahler hatte erwartet, dass das Gericht den Solidarzuschlag vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lässt. Dabei geht es um jährliche Einnahmen des Bundes von etwa elf Milliarden Euro. Seit 2021 müssen nur noch Spitzenverdiener und auch Kapitalgesellschaften den Zuschlag von bis zu 5,5 Prozent der Einkommen- und Körperschaftsteuer zahlen. Etwa 90 Prozent der Steuerpflichtigen sind davon befreit.

Im Gegensatz zu den Klägern befanden es die Finanzrichter jedoch für unerheblich, ob die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag tatsächlich für den Aufbau Ost genutzt werden oder nicht. Die Entscheidung über die Verwendung der Mittel liege in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Der Bund habe schlüssig dargelegt, dass die Wiedervereinigung weiter erhöhten Finanzbedarf verursacht, auch wenn die früheren Solidarpakte zur Finanzierung der Einheitslasten ausgelaufen sind.

Keine Ungleichbehandlung von Gutverdienenden

Es liege auch keine Ungleichbehandlung gutverdienender Steuerzahler mit einem zu versteuernden Einkommen von mindestens rund 61.700 Euro vor, die derzeit den Solidaritätszuschlag noch entrichten müssen. Da Steuern an der Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers ausgerichtet seien, sei auch das Ausrichten an sozialen Gesichtspunkten gerechtfertigt. Die seit 2021 bestehende Staffelung sei deshalb mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip gerechtfertigt, so die Richter.

"Im vorliegenden Fall ist das Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags für die Jahre 2020 und 2021 überzeugt", lautete die Schlussfolgerung von BFH-Präsident Hans-Josef Thesling. Bloße Zweifel rechtfertigten keine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht.

Kritikpunkte der Kläger am Solidaritätszuschlag

Die Kläger, ein Ehepaar aus Aschaffenburg, und der sie unterstützende Steuerzahlerbund hatten argumentiert, dass der Solidaritätszuschlag in doppelter Hinsicht verfassungswidrig sei. Ihr Prozessvertreter, der Bochumer Steuerwissenschaftler Professor Roman Seer, hob in der mündlichen Verhandlung hervor, es fehle inzwischen der Zweck der Abgabe. Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II sei der Sinn des Solidaritätszuschlags entfallen.

Das zeige sich auch an Zahlen: 2011 lagen die Einnahmen bei 12,8 Milliarden Euro. Von denen gingen 12,7 Milliarden in die neuen Länder. 2019 lagen die Einnahmen bei 18,3 Milliarden, die Ausgaben aber bei 3,6 Milliarden. Auf einen dritten Solidarpakt habe der Gesetzgeber in Abstimmung mit den Bundesländern ausdrücklich verzichtet. Indem er aber weiter am Solidaritätszuschlag festgehalten habe, habe er diese Abgabe "verewigt", so Seer – und in eine "begründungslose Blanckettabgabe für jedweden Finanzierungszweck" umgewandelt.

Soli eine versteckte Reichensteuer?

Als zweiten Punkt bemängelten die Kläger, dass der Solidaritätszuschlag in der neuen Fassung nur noch für einen kleinen Teil der Steuerpflichtigen Anwendung finde. Der Gesetzgeber betreibe Etikettenschwindel. Er habe über die Hintertür eine "Reichensteuer" eingeführt, rügte auch Reiner Holznagel, der Präsident des Bundes der Steuerzahler, der die Klage finanziert.

Der Gesetzgeber habe so den Spitzensteuersatz erhöht und damit seine Kompetenzen überschritten. Die Einnahmen aus der Einkommensteuer stünden Bund und Ländern gemeinschaftlich zu. Deswegen hätte der Bundesrat zustimmen müssen, was nicht geschah. Das Ehepaar widersprach auch der Ansicht, dass es weiter Finanzbedarf gebe. Eine Umwidmung der Einnahmen, zum Beispiel, um die Corona-Lasten oder die zusätzlichen Ausgaben wegen des Ukrainekriegs zu bezahlen, sei unzulässig.

Klage in Karlsruhe ist offen

Für den nun eingetretenen Fall, dass die Regelungen zum Soli nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht verfassungswidrig sind, hatten Beobachter sehr sicher damit gerechnet, dass die Kläger eine Verfassungsbeschwerde erheben und nach Karlsruhe ziehen.

Der Rechtsanwalt der Kläger, Roman Seer, sagte am Rande des Verfahrens jedoch, er wolle nun mit dem Ehepaar beraten, ob Verfassungsbeschwerde eingelegt wird. Dies sei noch offen, sagte Seer. Dabei verwies er auch auf das fortgeschrittene Alter der Kläger und einen drohenden langen weiteren Rechtsweg. Für die Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde hat das Ehepaar vier Wochen Zeit.

Entscheidung für den Soli
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Der Bundesfinanzhof hat eine Klage gegen den Solidaritätszuschlag abgewiesen.

Bundesfinanzministerium nimmt Entscheidung "zur Kenntnis"

Aus dem Bundesfinanzministerium hieß es nur knapp, dass man die Entscheidung des Bundesfinanzhofs "zur Kenntnis" nehme. Die Ergänzungsabgabe wird innerhalb der Koalition bekanntlich unterschiedlich bewertet, so das Ministerium: "Aus Sicht des Bundesfinanzministers wäre ihre Abschaffung ein Beitrag zur Stärkung der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und der Glaubwürdigkeit politischer Zusagen." Die verhaltene Reaktion verwundert nicht. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) tritt für eine Abschaffung des Soli ein.

Auch Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) zeigte sich über Entscheidung nicht erfreut: "Bayern fordert seit Langem die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Wir brauchen in diesen Zeiten Entlastungen und keine Sonderbelastungen", erklärte er. Lindner müsse "jetzt Worten Taten folgen lassen und den Soli vollständig abschaffen, so wie er es immer wieder ankündigt hat". Hierzu müsse er zeitnah ein Gesetz vorlegen und "im Bundestag ehrlich dafür streiten", forderte Füracker.

Union: Zweifel bleiben - Scholz bestätigt

Die CDU warnte die Bundesregierung davor, das Urteil des BFH als Freibrief für eine lockere Haushaltspolitik zu verstehen. "Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes kann die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags nicht ausräumen", sagte Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU). Das oberste Finanzgericht den Soli nur für "noch" verfassungsmäßig erklärt. Die Verfassungsmäßigkeit bleibe aber davon abhängig, dass der Bund einen besonderen Finanzbedarf für die Herstellung der deutschen Einheit nachweise. "Insofern ist absehbar, dass die Berechtigung des Soli auslaufen wird", sagte Middelberg.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hingegen dürfte sich durch die Entscheidung des BFH bestätigt sehen. Der SPD-Politiker war als Bundesfinanzminister maßgeblich verantwortlich dafür, dass der Soli ab 2021 nur zum Teil abgeschafft wurde. Scholz lehnte die von der Union geforderte komplette Abschaffung des Zuschlages bei der Verabschiedung im Bundestag ab. Es gebe mit Blick auf die noch zu schulternden Aufgaben bei der deutschen Einheit "gute Gründe", die Abgabe nicht vollständig abzuschaffen, sagte er damals.

Ergänzungsabgabe seit über 30 Jahren

Seit über 30 Jahren begleitet der Solidaritätszuschlag die Steuerpflichtigen in Deutschland. Ursprünglich wurde er 1991 eingeführt, um die Lasten Deutschlands bei der Unterstützung des Golfkriegs zu finanzieren. Seit 1995 gilt der heutige Soli und wurde verwendet, um die Kosten der deutschen Wiedervereinigung zu schultern. Seit 1998 betrug er 5,5 Prozent der festgesetzten Einkommensteuer, entsprechend bei Unternehmen der Körperschaftsteuer.

Beim Solidaritätszuschlag handelt es sich um eine Ergänzungsabgabe, die einem Zweck unterliegt. 2019 lief der Solidarpakt II aus, der diese Unterstützung der neuen Länder absicherte. Trotzdem wurde der Soli für das Jahr 2020 in der alten Form weitergeführt. Im selben Jahr einigte sich dann die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD darauf, den Soli zu reformieren.

Die meisten zahlen keinen Soli mehr

In der Folge fiel die Ergänzungsabgabe für rund 90 Prozent der Steuerpflichtigen weg. Bis zu einem zu versteuernden Einkommen von rund 61.700 Euro wird kein Soli erhoben. Danach beginnt eine Milderungszone und erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 96.400 Euro wird der Soli in voller Höhe fällig.

In Zahlen bedeutet das: Der Fiskus hatte im Jahr 2020 Einnahmen von mehr als 18 Milliarden Euro, im Jahr 2021 von 11 Milliarden und 2022 bis November von knapp zehn Milliarden Euro. Die Einnahmen stehen, im Gegensatz zur Einkommensteuer, ausschließlich dem Bund zu. Das erleichterte das Gesetzgebungsverfahren für den geänderten Soli erheblich, da die Länder nicht zustimmungspflichtig sind.

Milliardenschwere Soli-Rückzahlungen befürchtet

Für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht den Zuschlag letztlich für verfassungswidrig erklärt, drohen dem Bund milliardenschwere Steuerrückzahlungen. Davor hatte der Bundesrechnungshof schon vor Jahren gewarnt. Im Extremfall würde dem Fiskus die Rückzahlung aller Soli-Zahlungen seit 2020 bevorstehen, also nach Auslaufen des Solidarpaktes II. Für die Jahre 2020 bis 2022 wären das rund 40 Milliarden Euro plus Zinsen.

Angesichts der weiter anhaltenden milliardenteuren Verpflichtungen des Bundes wäre das für den Fiskus eine schwere Bürde.

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