Die internationale Staatengemeinschaft hat den Putschisten nach dem Staatsstreich im Niger mit einem Eingreifen gedroht. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, der Niger angehört, stellte den selbsterklärten Machthabern am Sonntag ein Ultimatum und drohte auch mit dem "Einsatz von Gewalt". Ecowas-Mitgliedstaaten sind Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kap Verde, Liberia, Mali, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone und Togo.
Die frühere Kolonialmacht Frankreich wiederum kündigte angesichts von tausenden Demonstranten vor ihrer Botschaft in der nigerianischen Hauptstadt Niamey eine "sofortige und unerbittliche" Reaktion an, sollte es zu Angriffen auf französische Staatsbürger und Einrichtungen in dem westafrikanischen Land kommen.
Ultimatum: "Sofortige Freilassung" von Bazoum
Nach einem Spitzentreffen in Nigerias Hauptstadt Abuja forderten die Ecowas-Staaten die putschenden Militärs im Niger in einer Erklärung ultimativ auf, die Macht innerhalb einer Woche an die legitimen Institutionen zurückzugeben. Die regionale Organisation verlangte insbesondere die "sofortige Freilassung" des von den Putschisten festgesetzten nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum, sowie die "vollständige Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung".
Wenn diesen Forderungen "nicht innerhalb einer Woche entsprochen" werde, werde die Ecowas "alle notwendigen Maßnahmen ergreifen", hieß es in der Erklärung. "Diese Maßnahmen könnten auch den Einsatz von Gewalt einschließen." Die Verteidigungsstäbe der Ecowas-Mitglieder sollten unverzüglich zusammentreten, forderte Omar Alieu Touray, der Präsident der Ecowas-Kommission.
Zuvor hatte bereits die Afrikanische Union der Militärjunta 15 Tage Zeit gegeben, die gewählte Regierung wiedereinzusetzen.
Sanktionen gegen selbsterklärten neuen Machthaber
Zugleich beschloss die Wirtschaftsgemeinschaft Sanktionen gegen die selbsterklärten neuen Machthaber in dem westafrikanischen Land. So verkündeten die Ecowas-Staaten die Aussetzung "aller Handels- und Finanztransaktionen mit Niger". Das Vermögen der Republik Niger bei Zentralbanken von Ecowas-Mitgliedern werde eingefroren. Gegen die Putschisten würden Finanz- und Reisesanktionen verhängt.
Vor der Krisensitzung der Ecowas-Staaten hatten die Putschisten ihrerseits der Wirtschaftsgemeinschaft vorgeworfen, eine Militärintervention in dem Land zu planen. Ziel des Ecowas-Gipfels sei "die Verabschiedung eines Aggressionsplans gegen Niger in Form einer drohenden militärischen Intervention in Niamey", erklärte die Junta am Samstagabend. Auch westliche Nationen seien an dem Plan beteiligt.
Warnung von Macron: "Keinen Angriff gegen Frankreich" dulden
Der französische Präsident Emmanuel Macron warnte infolge der Pro-Junta-Demonstration vor der französischen Botschaft in Niamey davor, er werde "keinen Angriff gegen Frankreich und seine Interessen dulden". Jeder, der französische Staatsangehörige angreife, "wird mit einer sofortigen und unerbittlichen Reaktion Frankreichs rechnen müssen", hieß es aus dem Elysée-Palast.
Frankreich unterstütze "alle regionalen Initiativen", die auf die "Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung" in dem westafrikanischen Land und die Rückkehr des festgesetzten Präsidenten Bazoum abzielten.
"Nieder mit Frankreich": Sturm auf Botschaft in Niamey
Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich hatte am Samstag die Entwicklungs- und Finanzhilfen für den Niger ausgesetzt. Am Sonntag versammelten sich dann tausende Pro-Junta-Demonstranten vor der französischen Botschaft in Niamey und versuchten teilweise, in das Gebäude einzudringen, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Ein Schild mit der Aufschrift "Botschaft Frankreichs in Niger" wurde laut dem AFP-Korrespondenten abgerissen und durch nigrische und russische Flaggen ersetzt. Einige Demonstranten riefen "Lang lebe Russland", "Lang lebe Putin" und "Nieder mit Frankreich". Nach Militärputschen in den Nachbarländern Mali und Burkina Faso hatten sich die neuen Machthaber dort ebenfalls Richtung Russland orientiert.
Die Demonstrationen sollten als Warnung an die ehemalige Kolonialmacht Frankreich und die Ecowas gelten, die den Putsch der Militärs scharf kritisiert hatten, berichtete ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur vor Ort.
"Unerschütterliche" Unterstützung für Bazoum aus den USA
Auch die EU und die USA erhöhten den Druck auf die Militärs im Niger. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte am Samstag, die EU "erkennt die Putsch-Behörden nicht an und wird sie auch nicht anerkennen". Die EU setzte zudem "jede Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich (...) mit sofortiger Wirkung und auf unbestimmte Zeit" aus. Die USA sagten dem festgesetzten Präsidenten Bazoum ihre "unerschütterliche" Unterstützung zu.
Putsch könnte Eindämmung der Migration nach Europa behindern
Der Putsch könnte zudem schwerwiegende Folgen für die Strategie Europas zur Eindämmung der Migration über das Mittelmeer haben, sagte der Regionalbüroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Sahelzone, Ulf Laessing, der Deutschen Presse-Agentur. "Ohne den Niger wird die Strategie ... zusammenbrechen", so Laessing. Vorherige Vereinbarungen seien weitgehend wirkungslos, wenn die neue Militärjunta im Niger die Kooperation nicht fortsetze.
Der Niger ist eins der wichtigsten Transitländer für afrikanische Migranten, die sich auf den Weg in Richtung Europa machen. Seit seinem Amtsantritt im April 2021 war Bazoum ein wichtiger Verbündeter der EU. Die EU kooperiert mit dem Niger bereits seit 2015, vor allem um die kritische Migrationsroute von der nigrischen Wüstenstadt Agadez nach Libyen zu blockieren.
Neuer selbsterklärter Machthaber: Chef der Präsidentengarde
Nigrische Militärs hatten am Mittwoch den seit 2021 amtierenden Bazoum festgesetzt. Am Freitag erklärte sich dann der Chef der Präsidentengarde, General Abdourahamane Tiani, zum neuen Machthaber. Er rechtfertigte den Umsturz mit einer seinen Angaben zufolge unter Bazoum erfolgten Verschlechterung der Sicherheitslage.
Bazoum war der erste Staatschef des seit dem Ende der französischen Kolonialherrschaft im Jahr 1960 unabhängigen Niger, der durch eine friedliche Machtübergabe auf den Posten gelangt war. In dem westafrikanischen Land sind neben anderen ausländischen Soldaten auch etwa hundert Bundeswehrsoldaten stationiert.
Mit Informationen von AFP, AP, Reuters und dpa
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