Die Zeit für Merkel drängt. Bringt der EU-Gipfel Ende der Woche keine europäische Lösung im Asylstreit, will Bundesinnenminister Horst Seehofer Flüchtlinge, die schon in der EU registriert sind, im Alleingang zurückweisen lassen. Dass es ihr damit auch wirklich ernst ist, hat die CSU in den vergangenen Tagen immer wieder mit scharfen Tönen in Richtung Kanzlerin deutlich gemacht. Momentan scheint allerdings erst einmal etwas Ruhe im Unionsstreit eingekehrt zu sein.
Vorübergehende rhetorische Abrüstung
Die CSU hat im Asylstreit mit der Union rhetorisch abgerüstet - zumindest vorübergehend. Sie scheint erst einmal den EU-Gipfel Ende der Woche abwarten zu wollen. Und so klingen die aktuellen Stimmen aus der Partei - im Gegensatz zu dem, was in den vergangenen Wochen zu hören war - geradezu ruhig und friedlich. Der CSU-Vize und EVP-Vorsitzende im Europaparlament, Manfred Weber, wiederholt im BR, was er schon beim CSU-Vorstand letzte Woche eingefordert hatte: Eine europäische Lösung muss auch für die CSU an erster Stelle stehen, so Weber:
"Ich will, dass Angela Merkel am Donnerstag und Freitag beim Gipfel Erfolg hat. Nur dann können wir das offene Reisen in Europa, die Freiheit auf diesem Kontinent, die wir alle so genießen, erhalten - wenn wir europäische Lösungen kriegen." Manfred Weber, CSU-Vize und EVP-Fraktionsvorsitzender im EU-Parlament
Konsens bei der Stärkung der Grenzschutzagentur Frontex
Weber lobt das Sondertreffen am Sonntag in Brüssel zur Asylpolitik, an dem 16 EU-Länder teilnahmen. Er betont die Einigkeit und den Zusammenhalt: Wenn es um einen besseren Schutz der EU-Außengrenze und um den Ausbau der Grenzschutzagentur Frontex geht, gäbe es durchaus Konsens.
"Die Vorbedingung ist guter Wille. Insofern war gestern ein Tag, wo wir Fortschritte erlebt haben. Und ganz konkret: Wir brauchen die Vergewisserung, dass wir an der Außengrenze die Lage im Griff haben, dass wir wissen, wer nach Europa kommt, dass wir entscheiden, wer darf rein und wer nicht - und da war gestern ein guter Tag." Manfred Weber, CSU-Vize und EVP-Fraktionsvorsitzender im EU-Parlament
Scheuer sieht "nur Trippelschritte"
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer klingt da weniger optimistisch. Die EU habe bisher in der Asylfrage nur Trippelschritte erreicht, moniert Scheuer und fordert erneut einen nationalen Alleingang.
"Solange keine europäische Lösung in Sicht ist, muss national gehandelt werden und dazu gibt es einen Bundesinnenminister, der 63 Maßnahmen mit seinen Spezialisten und Sicherheitsberatern erarbeitet hat und dazu stehe ich voll und ganz. Umfänglich." Andreas Scheuer (CSU), Bundesverkehrsminister
Ministerpräsident Markus Söder gibt sich zurückhaltend. Er will erst einmal den EU-Gipfel abwarten und äußert sich am Rande einer Bürgersprechstunde in Augsburg - sonderlich hoffnungsvoll klingt er aber nicht:
"Erkennbar ist es, dass die Positionen in einigen Fragen schon noch sehr weit entfernt sind. Und dass es teilweise fundamental unterschiedliche Auffasungen gibt, wenn man zum Beispiel die Position Italiens oder die Bulgariens anschaut." Markus Söder (CSU), bayerischer Ministerpräsident
Am Sonntag will der CSU-Vorstand die weitere Strategie besprechen. Dann geht es um die Frage, ob Bundesinnenminister Horst Seehofer tatsächlich die Zurückweisung bereits in der EU registrierter Asylbewerber veranlasst - auch gegen den Willen der Kanzlerin. Markus Söder stünde da hinter Seehofer. Das hat er immer wieder deutlich gemacht. Mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst, fährt der Ministerpräsident in Bayerns seit längerem einen harten Asylkurs.
Kritik an der verschärften Rhetorik
In der Sache steht die Partei hinter ihm. An der Rhetorik und Härte, mit der Söder vorgeht, gibt es aber durchaus Kritik. Landtagspräsidentin Barbara Stamm lobte vergangene Woche in einer Pressemitteilung demonstrativ einen europäischen Lösungsansatz. Und der frühere Landtagsfraktionschef, Alois Glück, schrieb einen Brandbrief an die CSU-Spitze, indem er vor einem nationalen Alleingang Deutschlands warnt und Söder sogar indirekt in eine Reihe mit Putin und Trump stellt.
"Es bedarf hier keines besonderen Hinweises, welche Akteure in der internationalen Politik diese Linie vertreten und wie sehr wir uns bisher dagegen gestellt haben. Das ist eine Absage an die angesichts der internationalen Krisen und neuen Machtstrukturen mehr denn je wichtigen Kursbestimmung von Franz Josef Strauß: 'Bayern ist unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland, Europa unsere Zukunft.'" Aus dem Brandbrief von Alois Glück an die CSU-Spitze
Auch von der Kirche und den Sozialverbänden muss Söder sich Kritik gefallen lassen. Der Vorstand der Inneren Mission, Günther Bauer, rät ihm, sich nicht von den Gedanken an Machterhalt leiten zu lassen, sondern die Menschen in den Vordergrund zu rücken.
"Es ist eine Verpflichtung auch unseres Grundgesetzes und unserer abendländischen Tradition, Geflüchteten zu helfen und nicht auf ihrem Rücken Politik zu betreiben." Günther Bauer, Innere Mission München
Aber auch in Richtung Europa hat Bauer von der Inneren Mission eine Botschaft: Die EU muss erst die legale Zuwanderung nach Europa regeln bevor sie sich über einen besseren Grenzschutz Gedanken macht, mahnt er.