Spannungen in Nahost
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Anschläge, Raketen, Proteste: Unberechenbare Lage in Nahost

Bei Angriffen im Westjordanland und in Tel Aviv gibt es mehrere Tote. Die Vorfälle folgen auf schweren Beschuss mit Raketen aus dem Libanon und Gegenschläge aus Israel. Die Proteste gegen die Justizreform sollen indes weitergehen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Nach der jüngsten Eskalation im Nahen Osten bleibt die Lage auch am Samstag unberechenbar. Bei Angriffen im Westjordanland und in Tel Aviv starben am Freitag mehrere Menschen. Im Westjordanland wurden bei einem Angriff von Palästinensern zwei israelische Frauen getötet.

Nach Angaben der israelischen Armee wurden sie in einem Auto beschossen. Die beiden Schwestern im Alter zwischen 20 und 30 Jahren hätten dann einen Unfall gehabt, teilte der Rettungsdienst Magen David Adom mit. Eine weitere Frau sei lebensgefährlich verletzt worden.

ARD-Korrespondent Christian Limpert
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ARD-Korrespondent Christian Limpert

Italienischer Tourist getötet

Bei einem Anschlag in Tel Aviv starb ein Tourist aus Italien. Sieben weitere Touristen wurden verletzt, als ein Attentäter laut Polizei am Freitagabend nahe der Strandpromenade in der Küstenstadt eine Gruppe von Menschen mit seinem Auto rammte. Das Fahrzeug habe sich überschlagen. Als der Fahrer versuchte, eine Waffe zu ziehen, sei er von einem Polizisten erschossen worden.

Israel verstärkt Sicherheit

Nach dem tödlichen Anschlag hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die sofortige Einberufung von Reservisten der Grenzpolizei angeordnet. Die Polizei teilte am Samstagmorgen auf Twitter mit, dass ab Sonntag auf Anweisung der Regierung vier Reserveeinheiten der Grenzpolizei mobilisiert werden. Sie sollen sich zu den sechs Reserveeinheiten gesellen, die schon in und um Jerusalem und in der arabisch-jüdischen Stadt Lod in Zentralisrael im Einsatz sind. Zuvor hatte Armeechef Herzi Halevi die Armee ebenfalls angewiesen, angesichts der zunehmenden Spannungen in der Region eine nicht näher bezeichnete Zahl von Reservisten einzuberufen.

Die Ereignisse folgten auf schweren Beschuss mit Raketen aus dem Libanon auf Israel, woraufhin Israel in der Nacht zum Freitag Stützpunkte militanter Palästinenser im Nachbarland sowie im Gazastreifen aus der Luft angegriffen hatte. Die Armee machte sie für die heftigsten Angriffe aus dem Libanon seit anderthalb Jahrzehnten verantwortlich. Auch in Israel gab es mehrfach Alarm, weil Geschosse aus dem Gazastreifen abgefeuert wurden.

Dutzende Raketen auf israelisches Staatsgebiet

Am Donnerstag waren nach Angaben der israelischen Armee Dutzende Raketen aus dem Libanon auf israelisches Gebiet gefeuert worden - so viele wie seit 2006 nicht mehr. Damals war zwischen den beiden Seiten ein Krieg ausgebrochen. Bereits seit 1978 befinden sich die beiden Länder offiziell im Kriegszustand.

In der Nacht zum Freitag und am Morgen flog Israels Armee auch Angriffe auf den Gazastreifen. Israelische Kampfjets bombardierten nach Militärangaben unter anderem Waffenfabriken sowie Angriffstunnel der islamistischen Hamas. Verletzte oder Tote wurden zunächst nicht gemeldet. Ein Kinderkrankenhaus wurde nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums beschädigt. Eine Sprecherin der israelischen Armee bestätigte Angriffe auf Ziele in der Nähe, von einer Beschädigung des Krankenhauses wisse sie aber nichts.

Auch in einigen israelischen Orten im Süden gab es mehrfach Raketenalarm. Nach Angaben der Armee wurden mehr als 40 Geschosse in der Nacht aus dem Gazastreifen auf Südisrael abgefeuert.

Zusammenstöße auf dem Tempelberg

Der jüngsten Eskalation in Nahost vorausgegangen waren Zusammenstöße der israelischen Polizei mit Palästinensern auf dem Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) in Jerusalem. Der Tempelberg steht unter muslimischer Verwaltung, während Israel für die Sicherheit zuständig ist. Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. Er ist jedoch auch Juden heilig, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen. Auf dem Gelände um die Moschee kommt es immer wieder zu gewalttätigen Konfrontationen.

Weil dieser Tage Ramadan, das jüdische Pessach-Fest sowie Ostern gleichzeitig stattfinden, zieht es deutlich mehr Gläubige als sonst in die Jerusalemer Altstadt.

Proteste in Israel sollen trotz Sicherheitslage weitergehen

Die Proteste in Israel gegen die Politik der rechts-religiösen Regierung von Netanjahu sollen trotz der verschärften Sicherheitslage weitergehen. Die wöchentliche Kundgebung in Tel Aviv am Samstagabend werde wie geplant stattfinden, teilten die Veranstalter mit. Ein anschließender Marsch sei jedoch auf Bitten der Polizei abgesagt worden.

Seit mehr als drei Monaten kommt es in Israel zu ständigen Protesten gegen eine geplante Justizreform der Regierung, die nach Expertenmeinung die Grundfesten der Demokratie bedroht. "Wir werden den Kampf gegen die Diktatur fortsetzen, als ob es keinen Krieg gegen den Terror gäbe", teilten die Veranstalter mit. Gleichzeitig werde man die Sicherheitskräfte unterstützen, "als ob es keinen Krieg gegen die Diktatur gäbe". Bei der Kundgebung in Tel Aviv solle auch der jüngsten Opfer gedacht werden.

Mit Informationen von dpa und KNA

07.04.2023, Israel, Tel Aviv: Polizisten und Forensiker arbeiten neben einem Auto nach einem Anschlag
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07.04.2023, Israel, Tel Aviv: Polizisten und Forensiker arbeiten neben einem Auto nach einem Anschlag

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