Bundeskanzlerin Angela Merkel

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Angela Merkel - Kanzlerdämmerung

Seit der Bundestagswahl steht Kanzlerin Angela Merkel geschwächt da - und nach den gescheiterten Jamaika-Gesprächen schienen ihre Tage gezählt. Das Ende ihrer Kanzlerschaft kann sie nicht mehr allein bestimmen. Eine Analyse von Anita Fünffinger

Es ist eigentlich nur eine Randnotiz, wer der neue Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung ist. Zumindest für die Öffentlichkeit. In der CDU glich die letzte Besetzung des KAS-Vorsitzes allerdings einer Revolte. Schon früh war klar, dass Merkel ihre langjährige Vertraute und Freundin Annette Schavan auf diesem Posten sehen wollte. Gegner dieser Lösung hatten Wind davon bekommen und machten Stimmung. Am Ende zog Schavan freiwillig zurück, um Merkel nicht zu schaden. Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung ist seitdem der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert.

Anzeichen von Merkels Machtverlust werden sichtbar

Früher wäre Merkel so etwas nicht passiert. Ganz zu schweigen vom aufmüpfigen Landwirtschaftsminister Schmidt, der einfach mal so in Brüssel die Glyphosat-Entscheidung gegen die Linie des Kabinetts durchwinkte und das mit den Worten kommentierte: "So isser, der Schmidt!". In anderen Zeiten hätte dies den sicheren Rausschmiss bedeutet. Merkel konnte nicht noch mehr Aufregung in diesen unruhigen Zeiten gebrauchen - nur deswegen ist Schmidt noch im Amt.

Unmoralische Angebote von der Union an die SPD

Als nach den geplatzten Jamaika-Sondierungsgesprächen keiner so recht wusste, wie es weiter geht, da machten sich ein paar junge Unionsabgeordnete auf zur SPD. Sie wollten selbst nicht den Schwarzen Peter in der Hand haben. Also sollten diese Karte ein paar Mitstreiter bei den Sozialdemokraten spielen. Die Botschaft der Unionsverräter: Liebe Sozialdemokraten, wenn ihr den Kopf von Angela Merkel fordert, haben wir morgen die beste Große Koalition, die es gibt. Die Sozialdemokraten haben dankend abgelehnt. Jede Partei solle doch selbst ihre Vorsitzenden meucheln. Diese Geschichte ist verbürgt. Nur zitieren lassen will sich keiner damit.

Potenzielle Nachfolger halten sich galant zurück

Jens Spahn hat aus seinen Ambitionen nie einen Hehl gemacht. Der junge CDU-Staatssekretär im Finanzministerium will bis ganz nach oben. Aber er ist noch nicht dran. Das weiß er. Deswegen bereitet er seinen Weg in aller Ruhe vor, schmiedet Allianzen, führt Gespräche mit Gleichgesinnten. Spahn gilt als konservativer als es Merkel je sein könnte. Das kommt gut an in Teilen der Partei, die genau das vermissen: Eine klare konservative Abgrenzung zur "sozialdemokratischen Kanzlerin" oder wie die Tageszeitung taz neulich in einer Karikatur formulierte: "Merkel bleibt SPD-Chefin". Die Alpha-Frauen in der CDU gelten als ähnlich liberal wie Merkel. Sowohl Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem Saarland als auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wissen, für die Nachfolge von Angela Merkel fehlt ihnen die Hausmacht. 

Um sie herum: Junge Männer in knappen Anzügen

Angela Merkel ist zwar immer noch jünger, als Helmut Kohl oder Konrad Adenauer es am Ende ihrer Amtszeit waren. Sie ist jünger als Donald Trump und Horst Seehofer. Und dennoch wirkt sie in Europa mittlerweile alt. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron haben frischen Wind in ihre Länder gebracht. Sie sind knallhart in der Sache, auch ihrem Umfeld gegenüber - aber sie wurden von einer großen Mehrheit gewählt. Vielleicht genau deswegen. Macron und Kurz stehen für das, was Deutschland fehlt: Ein neues Gesicht, Jugendlichkeit, klare Kante.

Wenn die GroKo auch scheitert, wird es eng

Angela Merkel wagt die dritte Große Koalition ihrer Amtszeit. Die Sozialdemokraten hadern mehr denn je. Sollte die Basis doch "Nein" einsagen zur GroKo, oder sollte die SPD vorzeitig aus diesem ungeliebten Bündnis aussteigen, dann hat Angela Merkel zum ersten Mal in ihrer Kanzlerschaft ein gewaltiges Machtproblem. Nach den Jamaika-Partnern liefen ihr auch die treuen Sozialdemokraten weg. Dass sie das tun können, hat die Kanzlerin der SPD sogar schriftlich gegeben. Im Sondierungspapier wurde vereinbart, zur Mitte der Legislatur eine Bestandsaufnahme zu machen. Was so viel heißen könnte wie: Dann lassen wir es lieber sein.

Königsmörder findet man in der Union nicht

Während es die SPD zum Volkssport erhoben hat, ihre Vorsitzenden in regelmäßiger Wiederholung öffentlich zu demontieren, hält die Union zusammen. Die CDU ist und bleibt ein Kanzlerwahlverein. Selbst wenn der Unmut groß ist. Und das ist er. Angela Merkel hat bei der Bundestagswahl das schlechteste Ergebnis aller Zeiten für ihre Partei eingefahren. Und sie hat es nicht geschafft, ein Jamaika-Bündnis aus CDU, CSU, Grünen und FDP zu schmieden. Wieso hat niemand in der Union damals gesagt: Dann muss Angela Merkel jetzt gehen!? Die Antwort ist so einfach: Weil es (noch) niemand wagt, sie öffentlich anzugreifen. Und weil Angela Merkel es bis heute erfolgreich geschafft hat, keinen Nachfolger aufzubauen. Dabei weiß sie, wie es sich anfühlt, wenn ein Riese stürzt. Schließlich war es Angela Merkel ganz allein, die den großen Helmut Kohl am Ende ganz zu Fall brachte.