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Abstimmung im EU-Rechtsausschuss zu Urheberrecht in Europa

Die einen beschwören das Ende des Internets wie wir es kennen, die anderen wollen "kulturelle Kriminalität" im Netz bekämpfen. Der Kampf um die neue EU-Copyright-Richtlinie ist der nächste große Showdown in der EU-Gesetzgebung. Von Max Muth

Es gibt ein mittlerweile berühmtes Symbolfoto des spanischen Fotografen Antonion Guillem, das er über die Plattform Shutterstock zur Verwendung anbietet. Ein Mitte zwanzig jähriger Mann schaut dort mit lüsternem Blick einer Passantin hinterher, während seine Freundin fassungslos neben ihm steht. Das Foto ist Klamauk, doch das Internet ist unberechenbar und machte das Bild durch immer neue Remixe weltberühmt. Anfang der Woche wurde es erneut bemüht: In den Hauptrollen: Donald Trump, Justin Trudeau und Kim Yong Un.

Derartige Remixe könnten durch eine neue EU-Richtlinie bedroht sein. Denn: sie strapazieren das Urheberrecht. Am Mittwoch den 20. Juni will der Rechtsausschuss des EU-Parlaments über eine neue EU-Richtlinie zum Urheberrecht abstimmen. Und die birgt einigen Sprengstoff. Besonders umstritten ist der geplante Artikel 13 der Richlinie. Darin geht es um die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke auf Plattformen wie Youtube, Facebook und Co.

Upload-Filter als einzige Möglichkeit für Content-Sharing-Plattformen

Nach dem Refromentwurf wären künftig die Plattformen dafür verantwortlich, wenn Nutzer urheberrechtlich geschütztes Material hochladen. Die einzige Möglichkeit sich verlässlich gegen massenhafte Klagen zu vermeiden, wäre dann Upload-Filter, wie sie etwa Youtube bereits seit Jahren verwendet: Googles Video-Plattform gleicht jeden Upload mit einer internen Datenbank von geschützten Werken ab. Will ein Nutzer einen Song hochladen, an dem jemand anderes die Rechte hält, unterbindet Youtube den Upload. So ähnlich müsste das laut dem aktuellen EU-Entwurf in Zukunft auch bei anderen Plattformen und mit anderen Inhalten laufen: Podcasts, Fotos, Videos, alles müsste vor dem Upload auf widerrechtlich verwendetes urheberrechtlich geschütztes Material untersucht werden.

Rechtsunsicherheit für Startups?

Die Gegner des Entwurf befürchten vor allem zwei Dinge: Zum einen entstehe durch die Regelung eine Rechtsunsicherheit für alle Unternehmen, bei denen das Teilen von Inhalten im Netz eine Rolle spielt. Der Berichterstatter des EU-Parlaments für die Richtlinie, der EVP-Abgeordnete Axel Voss (CDU), hält diese Sorge für unbegründet: "Das was wir jetzt in der Definition für Plattformen zu Grunde legen, ist ja schon ein sehr eingeschränkter Bereich von Plattformen. Wir haben ja alle diejenigen, die nicht ihr Geschäftsmodell auf urheberrechtlich geschützte Werke aufbauen gar nicht drin, die sind von Artikel 13 überhaupt nicht betroffen." Voss geht davon aus, dass nicht-kommerzielle Plattformen wie die Wikipedia, aber auch Dating-Plattformen von der Richtlinie nicht betroffen wären. Die Gegner der EVP-Fassung der geplanten Richtlinie sind anderer Auffassung.

Die EU-Parlamentsabgeordnete Julia Reda sitzt für die Piraten im EU-Rechtsausschuss. Sie befürchtet, dass weit mehr Plattformen betroffen sein könnten, als Voss meint. "Alle Plattformen, die Uploads von Usern erlauben und die irgendein Geschäftsmodell haben, deren Geschäftsmodell basiert im Grunde genommen auch auf urheberrechtlich geschützten Inhalten." Damit wären jede Menge Plattformen betroffen. Auch die Wikipedia wäre vor Klagen nicht sicher, meint Reda. Zwar seien die meisten Inhalte auf der Plattform lizenzfrei, urheberrechtlich geschützt seien sie aber dennoch. Und auch die Definition von Kommerzialität ist laut Reda in der Rechtssprechung nicht immer einheitlich. "Die Wikipedia zum Beispiel hat keine Profitabsicht, aber sie hat durchaus regelmäßig Spendenbanner, mit denen die Wikipedia ihren eigenen Betrieb sicher stellt. Insofern ist auch für diese Plattformen das Ganze mit einer großen Rechtsunsicherheit verbunden", sagt Reda.

Overblocking könnte die Folge sein

Die zweite Befürchtung der Gegner ist, dass es zu sogenanntem Overblocking kommen könnte: Um zu verhindern, dass sie für Urheberrechtsverstöße der Nutzer zur Kasse gebeten werden, werden Plattformen laut Julia Reda lieber zu viel als zu wenig löschen. Zudem sind Upload-Filter laut Reda derzeit schlicht nicht gut genug, um Urheberrechtsverstöße zuverlässig zu erkennen. Auch Ausnahmen vom Urheberrecht, wie etwa Parodien oder das Zitatrecht, erkennen die Filter nicht. CDU-Politiker Voss anderen hat für solche Ängste wenig Verständnis. Die vielbeschworene Remix-Kultur im Netz ist für ihn teils gar "kulturelle Kriminalität": "Ich verstehe diese Ausgangssituation gar nicht", sagt Voss im Interview mit dem BR. "Dass man meint, mit den Rechten anderer gestalte ich meine Meinungsfreiheit. Das ist etwas, was man vielleicht hat laufen lassen in den letzten Jahren, aber wo man jetzt zurückkommen muss, weil es übertrieben wird. Weil wir Plattformen haben, die urheberrechtlich geschütztes Material weltweit vertreiben, extreme Geschäfte machen. Die müssen jetzt etwas abgeben."

Piraten-Politikerin Reda befürchtet, dass am Ende einzig die Internet-Giganten aus dem Silicon Valley profitieren könnten. Sie seien die einzigen, die finanziell und technologisch in der Lage sind, derartige Filtertechnologie zu entwicklen. Kleiner Plattormen müssten die Filter dann von Youtube oder Facebook kaufen.

In Deutschland ein Flop? Auf nach Europa!

Bei dem ganzen Streit um Upload-Filter geht ein anderer Gesetzentwurf fast unter: Mit Artikel 11 soll auch das Leistungsschutzrecht (LSR) für Presseverlage mit der Urheberrechtsrichtlinie in ganz Europa etabliert werden. Leistungsschutzrecht? Da war doch was... Genau: In Deutschland wurde das Gesetz 2013 eingeführt und hat sich als Riesen-Flop entpuppt. Ursprünglich erhofften sich Verlage sprudelnde Einnahmen von Google. Die Suchmaschine sollte gezwungen werden, für Kurztexte in der Suchvorschau zu bezahlen. Doch Google ließ sich nicht zwingen und drohte einfach damit, die Verlage gar nicht mehr anzuzeigen.

Warum das LSR auf europäischer Ebene funktionieren soll, nachdem es in Deutschland (und Spanien) krachend gescheitert ist, bleibt vorerst das Geheimnis der Befürworter der Richtlinie um EVP-Berichterstatter Voss. Was die Erfolgsaussichten für Artikel 11 betrifft, scheint sogar der Chefverhandler selbst nicht allzu optimistisch zu sein: "Das Leistungsschutzrecht mag nicht die allerbeste Idee sein, aber es ist die bislang einzige Idee, die überhaupt zu einem gewissen Erfolg für die Presseverlage führen kann."