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Nach dem Giftanschlag auf Skripal

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Nach dem Giftanschlag auf Skripal: Steckt der Kreml dahinter?

Der Konflikt zwischen Großbritannien und Russland schaukelt sich nach dem Nervengift-Anschlag weiter hoch. Wo führt das hin? Ein Gespräch mit dem Russland-Experten und Professor für Internationale Beziehungen an der Uni Innsbruck, Gerhard Mangott.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Bayern 2-radioWelt: Wie wahrscheinlich ist für Sie, dass der Kreml hinter dem Giftanschlag steckt?

Gerhard Mangott, Russland-Experte und Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck: Das ist nicht auszuschließen. Es gibt Gründe, aus denen man vermuten kann, dass Russland Täter dieses Giftgasanschlags war. Wenn das stimmen sollte, ist die Frage: Wer hat das autorisiert? Wie weit nach oben geht die Befehlskette? Aber wir müssen festhalten: Die Beweislage ist bisher zu dünn. Die Tatsache, dass es sich um einen Giftstoff aus der Programmserie Nowitschok handelt, weist auf die Sowjetunion hin. Dort wurde der Giftstoff in Russland, aber auch in Usbekistan hergestellt. Aber die Programmformel ist weit bekannt, und letztlich könnte das jedes staatliche Chemiewaffenlabor herstellen. Was es brauchen würde, ist eine chemische Forensik, die eindeutig sagt: Genau diese Substanz wurde in Russland hergestellt. Und selbst das würde uns nicht sagen, ob der Täter aus Russland kam - und schon gar nicht beantworten, wer welchen Täter beauftragt hat.

Bayern 2-radioWelt: Moskau fordert jetzt Zugang zu den Giftproben und bietet auch gemeinsame Ermittlungen an. Warum geht Großbritannien nicht darauf ein?

Gerhard Mangott: Das ist tatsächlich eine Frage, die die britische Regierung beantworten muss. Es wäre sicherlich sinnvoll, dass die Organisation für das Verbot der chemischen Waffen - und dieser Giftstoff aus dieser Serie ist verboten unter der Chemiewaffenkonvention - dass die Organisation, die diese Konvention überwacht, gemeinsam mit britischen und russischen Spezialisten die Blutproben untersucht und über die chemische Forensik klar feststellt, woher dieser spezifische Giftstoff kommt. Das wäre eine vernünftige und eine sachliche Vorgehensweise: Und es wäre besser gewesen, bevor Großbritannien zu Sanktionen greift, eine solche internationale Untersuchung abzuwarten, weil das - wenn die britischen Angaben stimmen - der britischen Vorgehensweise mehr Glaubwürdigkeit verliehen hätte.

Bayern 2-radioWelt: Dieser Giftstoff hätte doch eigentlich schon vernichtet sein sollen. Stimmt das?

Gerhard Mangott: Das ist richtig. Russland hat vergangenes Jahr auch erklärt, alle Chemiewaffen vernichtet zu haben - vor dem Zeitlimit, das gesetzt war. Russland dürfte diesen Giftstoff also längst nicht mehr besitzen.

Bayern 2-radioWelt: Wäre es denkbar dass diese chemischen Substanzen möglicherweise ohne Wissen des Kremls in falsche Hände geraten sind?

Gerhard Mangott: Das ist möglich, aber das verlagert das Problem. Dann könnte man nicht mehr von einer Täterschaft der russischen Führung ausgehen, sondern müsste sagen: Russland hat offenbar die Kontrolle über bestimmte chemische Kampfstoffe nicht mehr im Griff.

Bayern 2-radioWelt: Nehmen wir mal an, dass doch der Kreml dahinter stecken könnte. Was könnte dann die Motivation sein - so kurz vor den Präsidentschaftswahlen in Russland?

Gerhard Mangott: Das ist neben der der Herkunft des Giftstoffes und der Täterschaft letztlich die wichtige Frage! Was wäre, wenn das Motiv Russlands ein Abschreckungseffekt wäre, nämlich den eigenen Agenten zu sagen: Wenn ihr überlauft, wenn ihr Doppelagenten werdet, dann werdet ihr den Tod finden. Diesen Abschreckungseffekt hätte man aber in den letzten zehn Jahren immer haben können. Warum also jetzt? Ist es ein Motiv, dies vor den Präsidentenwahlen in Russland zu tun? Rechnet man damit, dass die britische und die westliche Reaktion heftig sein werden, um damit zu argumentieren, dass dies ein erneuter Versuch des Westens sei, Russland zu diskreditieren, Russland unter Druck zu setzen, Russland ein Ultimatum zu stellen? Um dann damit so etwas wie eine patriotische Aufwallung vor den Wahlen zu mobilisieren, um die Wahlbeteiligung zu steigern? Möglich ist das, aber beweisen lässt sich das nicht.