Aus alten Schulkarten werden Lampenschirme
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Christine Bayerle, die Leiterin der Tagesstätte und Daniel Friedrich, einer ihrer Mitarbeiter. Sie legen letzte Hand an eines der Werke.

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"Zum Wegwerfen zu schade": Stehlampen aus alten Schulkarten

Handgefertigte Einzelstücke für einen guten Zweck: In einer Tagesstätte im Landkreis Günzburg gelingt dieser Spagat – denn dort entstehen aus alten Schulkarten neue Stehlampen. Wäre da nur nicht ein kleines Problem.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Morgen am .

Christine Bayerle hat Sorgenfalten auf der Stirn. Immer wieder greift sie zum Telefon, um Schulen anzurufen. "Wir haben sie leider schon weggeworfen", hört sie meist als Antwort. Gemeint sind alte Karten für den Erdkunde-, Biologie- oder Geschichtsunterricht.

Statt im Kartenraum einer Schule zu verstauben, sollen sie künftig in Wohnzimmern oder Büros stehen. Denn die Tagesstätte für seelische Gesundheit in Krumbach fertigt aus ihnen schicke Stehlampen. Noch hängen einige Karten aus Leinen oder schwerem Papier im Lager. Doch der Vorrat reicht nur noch ein paar Monate, schätzt Bayerle, die Leiterin der Tagesstätte.

Meterstab, Bleistift, Schere

Im Nachbarraum liegt eine Karte mit Kreuzottern und Ringelnattern ausgebreitet auf einem Tisch. Sie wird mit Meterstab vermessen, ein Bleistift markiert, wo die Karte gleich eingeschnitten wird. "Was meinen sie, soll die Spitze der Zunge noch auf diese Seite?", fragt Daniel Friedrich in die Runde. Er ist einer der Mitarbeiter. Schließlich soll kein prägnantes Teil der Schlange abgeschnitten werden, wenn die Karte zu vier gleichen Teilen als Lampe gefaltet wird.

Die Menschen, die in die Tagesstätte kommen, haben mit psychischen Problemen zu kämpfen. Sie bekommen hier Unterstützung, um ihren Alltag besser bewältigen zu können. Manche sind nach einem Klinikaufenthalt hier, andere kommen schon seit Jahren "wegen der Gemeinschaft" und um sich zuhause nicht so allein zu fühlen.

Selbstwertgefühl zurückgeben

Nichts muss, aber alles kann bei der Einrichtung der Bezirkskliniken Schwaben. Wenn es einem Teilnehmer zu viel wird, hört er einfach auf zu arbeiten, ein anderer nimmt seinen oder ihren Platz ein.

Dass die Lampen bei den Kunden so begehrt sind, sei eine schöne Rückmeldung für die Teilnehmer, sagt Bayerle. "Mich berührt es, wenn Menschen ihre Fähigkeiten wieder zeigen können und das auch wertgeschätzt wird. Das haben viele lange nicht erlebt." Sie würde das Projekt in Krumbach deshalb gerne auch auf die Tagesstätte in Günzburg ausweiten. Vorausgesetzt: Es kommen genügend alte Schulkarten.

"Haben die eigentlich noch nie benutzt"

Dass an der Hans-Maier-Realschule in Ichenhausen noch einige übrig waren, ist reiner Zufall. „Wir haben die eigentlich noch nie benutzt", sagen Schüler der unteren, aber auch höheren Jahrgangsstufen. Denn die Digitalisierung hat die Karten im Unterricht inzwischen mehr oder minder komplett ersetzt.

Die Karten hängen deshalb etwas verlassen in einem kleinen Raum in der Nähe des Sekretariats. "Wir hätten sie jetzt Stück für Stück durch den Hausmeister entsorgen lassen. Aber dann haben wir von dem Projekt erfahren, das kam gerade richtig", sagt Rektor Christian Pfeifer.

Fertige Lampe für rund 140 Euro

Die fertigen Lampen kann man in der Krumbacher Tagesstätte für rund 140 Euro kaufen. Der Erlös fließt zurück ins Projekt, auch die Teilnehmer bekommen eine Entschädigung für ihre Arbeit. An die fünf bis sechs Stunden dauert es, bis ein Exemplar fertig ist.

Dass die Karten mit ihren typischen Schriften und Grafiken aus den 70er-, 80er- oder 90er-Jahren ein zweites Leben als edle Stehlampe bekommen, freut Christine Bayerle. "Zum Wegwerfen sind diese Karten einfach viel zu schade."

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