Durch ein stattliches Holz-Portal betritt man die 400 Jahre alte Gewölbehalle mitten in der unterfränkischen Kreisstadt Kitzingen – und kommt dort schnell auf den Boden der Tatsachen: 120 Pressefotos aus sechs Regionen dieser Erde. Jedes so groß wie ein Fenster, sodass man hineinschauen kann in Lebenswirklichkeiten, die sich von der eigenen oft grundlegend unterscheiden.
Es ist immer noch eine kleine Sensation, dass die besten internationalen Pressefotos hier zu sehen sind. Denn: Kitzingen ist nicht nur der mit Abstand kleinste Veranstaltungsort der renommierten Bilderschau. Er ist auch seit Jahren der einzige in Bayern. Vom 24. Februar bis zum 1. April sind im alten Rathaus wieder alle prämierten Bilder des Jahres 2023 zu sehen – bei freiem Eintritt.
Kuratorin: "Reise um die Welt"
Mariana Rettore, eine der sechs Kuratorinnen und Kuratoren weltweit, betreut die World Press Photo-Präsentation in Kitzingen. "Es ist eine großartige Gelegenheit für die gesamte Bevölkerung hier, sich mit Themen aus aller Welt zu beschäftigen – wie Klimawandel, Krieg oder Politik", sagt die junge Brasilianerin. "Ich glaube, es ist eine gute Möglichkeit, einen Einblick zu bekommen, wie bei einer Reise um die Welt. Und das alles in einer Ausstellung."
Paris, New York, Kitzingen
Paris, London, New-York – das sind normalerweise die Stationen der Bilder. Dass Kitzingen nun schon zum 18. Mal zu dieser illustren Reihe von Veranstaltungsorten gehört, war schlicht Zufall, sagt Herbert Müller von der Stadtverwaltung. Denn einer der langjährigen Ausstellungspartner der World-Press Association in Amsterdam wohnt in Kitzingen.
Er hatte vor 18 Jahren eine Tour durch die neuen Bundesländer organisiert. Und da fiel plötzlich ein Veranstaltungsort aus. Für diese Lücke kam ihm die historische Rathaushalle in Kitzingen in den Sinn. Die Stadt fackelte nicht lange und griff zu.
Ausstellung lockt 25.000 Menschen ins kleine Kitzingen
Innerhalb von 14 Tagen habe man damals in Kitzingen alles perfekt gemacht, sagt Herbert Müller von der Stadtverwaltung. Er organisiert die Schau seit einigen Jahren in Eigenregie und schreibt die Erfolgsgeschichte fort. Kamen damals 10.000 Menschen, um die besten Pressefotos der Welt zu sehen, so hat sich die Zahl inzwischen mehr als verdoppelt. "Wir haben bei 23.000 Einwohnern rund 25.000 Besucher. Das ist weltweit gesehen die beste Quote", erklärt Herbert Müller nicht ohne Stolz.
"Wir haben Touristenströme in einer Zeit, wo es in Kitzingen noch etwas verschlafen ist", so Müller. Ein wirklicher Glücksgriff für Kitzingen. So sieht es auch der ehemalige Fremdenverkehrschef Walter Vierrether, der für Touristen noch immer in die Rolle des Kitzinger Ratsherrn schlüpft. Für ihn sei die Ausstellung der Pressefotos ein absolutes Highlight, sagt Vierrether. "Das ist in der sogenannten 'Tote-Hosen-Zeit' ein Ereignis, das Kitzingen europaweit bekannt macht. Und ich freue mich für die Gastronomie und den Einzelhandel, der da wirklich ein Geschäft damit macht."
Egal, wen man in Kitzingen fragt: die World Press Photo Ausstellung ist allen ein Begriff. Zumindest wissen sie, dass es für ihre Stadt ein Ausnahmeereignis ist. Von "interessant" bis "beängstigend" lauten die Kommentare der Einheimischen.
World Press Photos aus der Ausstellung:
Fotografin hofft auf Veränderungen
Tatsächlich zeigen die Pressefotos eher keine heile Welt, auch wenn es auf den ersten Blick manchmal so scheint. Die Fotografin Anush zum Beispiel hat herrliche Landschaften und markante Gesichter festgehalten. Doch dahinter lauern Existenznöte. Anush ist Armenierin und lebt in München. Ihre Fotoserie "Battered Waters" (Misshandelte Gewässer) wurde als Langzeitprojekt des Jahres prämiert.
Über Jahre hinweg ist Anush Babajanyan immer wieder nach Zentralasien gereist. Dabei entstanden mehr als 28.000 Bilder, von denen sie schließlich 30 beim World-Press-Photo-Wettbewerb einreichte. "Sie erzählen Geschichten über den Umgang mit der Ressource Wasser in diesen Ländern und über die Menschen, die dort am Wasser leben", sagt Anush, die selbst nach Kitzingen gekommen ist, um ihre Fotos vorzustellen.
Die Fotografin will, dass ihre Bilder etwas bewirken. Deshalb sei sie froh über die Auszeichnung. "Der Preis hat ermöglicht, dass diese Bilder und die Geschichte, die sie erzählen, von einem großen Publikum wahrgenommen werden. Das ist eines meiner Ziele, wenn ich fotografiere. In der Hoffnung, dass dadurch zu Verbesserungen und Veränderungen beigetragen wird."
World Press Photo Ausstellung bleibt weiterhin in Kitzingen
Durch die Botschaft der Bilder Empathie für das bislang Fremde zu wecken, das macht die Faszination der Pressefotos aus. Und das funktioniert in der Kleinstadt genauso wie in der Millionenmetropole, sagt Kuratorin Mariana Rettore: "Wir sehen es als Chance und eine große Ehre, hier in Kitzingen Gast zu sein."
Bis 2026 hat die Stadt Kitzingen sich die Rechte für die World Press Photo Ausstellung bereits wieder gesichert. Dann will man zum 20. Jubiläum noch ein paar Extras bieten. Soviel kann Herbert Müller schon verraten: Die Kitzinger Einzelhändlerinnen und Einzelhändler sollen dabei wieder eine Rolle spielen. Sie kamen erstmals während der Pandemie zum Zuge. Als Museen in aller Welt geschlossen blieben, zeigte Kitzingen die Internationalen Pressefotos kurzerhand in den Schaufenstern der Innenstadt.
Zum Video: Die besten Pressefotos des Jahres 2023 machen Station in Kitzingen
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