Wasserstoffleitung vor Silhouette Hohenwart
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In Hohenwart (Lkr. Pfaffenhofen) wird versuchsweise Wasserstoff ins Erdgasnetz eingespeichert. Technisch funktioniert das.

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Privat Heizen mit Wasserstoff: Möglich – aber teuer

Heizen mit Wasserstoff statt mit Erdgas: Das ist in Wohnhäusern auch ohne große Umbauten möglich, wie ein Pilotprojekt in Oberbayern demonstriert. Aber wäre das auch im großen Stil sinnvoll und bezahlbar? Daran gibt es Zweifel.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die neue Wasserstofftherme im Heizungskeller der Familie Schartel unterscheidet sich optisch kaum von einer konventionellen Erdgasheizung. Die Schartels nehmen an einem bundesweit einzigartigen Modellprojekt namens "H2direkt" teil. Wasserstoff kommt dabei durch bestehende Erdgasleitungen direkt in den Haushalt. Dass da etwas explodieren könnte? "Keine Bedenken", sagt Christina Schartel.

Wasserstoff statt Erdgas ohne großen Umbau

Die Projektpartner Energie Südbayern, Thüga und Energienetze Bayern haben für den Versuch in Hohenwart (Landkreis Pfaffenhofen) eine Straße in einem Neubaugebiet mit einem Dutzend Häusern ausgesucht, weil dort das Erdgasnetz noch ganz neu ist und alle verbauten Komponenten genau bekannt sind. Die Erdgasversorgung wurde temporär abgestellt, dafür strömt durch das kleine Inselnetz jetzt reiner Wasserstoff. Alles wurde durchgemessen und zertifiziert, ausgetauscht werden mussten nur die Gasthermen selbst und die Zähler.

Reinhard Wendl von Energie Südbayern freut sich: "Es funktioniert. Wir sehen, dass die Netze das können." In bestehenden Netzen allerdings müsse man sich in jedem Einzelfall anschauen, welche Technik verbaut ist und ob eventuell größere Änderungen nötig sind.

Aiwanger im Wahlkampf euphorisch

Das Interesse an dem Versuch ist groß. Auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), der seit Langem für den Einsatz von Wasserstoff wirbt, hat kurz vor der Landtagswahl in einem Hohenwarter Heizungskeller vorbeigeschaut - und ein euphorisches Video gepostet. "Das ist die Lösung für das Umswitchen des Erdgasnetzes auch in den großen Städten auf Wasserstoff. Mit Wärmepumpe wird das sehr viel schwieriger. Also das ist die Lösung, das ist die Zukunft."

Stadtwerke sehen Wasserstoff nur in der Nische

Kommunale Versorger der großen bayerischen Städte sehen das allerdings anders. Die Münchner Stadtwerke bewerten Wasserstoffheizungen für Haushalte nur als Nischenanwendung. Auch die Stadtwerke Augsburg (SWA) sehen die Lösung für die Wärmewende nicht in Wasserstoffthermen, sondern in Fernwärme, Nahwärme und Wärmepumpen. Der Hauptgrund ist die Erwartung, dass Wasserstoff auch im nächsten Jahrzehnt noch teuer und knapp bleibt. Florian Samweber von den Stadtwerken Augsburg drückt es so aus: "Wir sehen momentan, dass Wasserstoff relativ teuer ist und wissen auch nicht, warum er günstiger werden sollte. Und wir wissen auch nicht, wo der Wasserstoff herkommen sollte."

Auch importierter Wasserstoff wird teuer

Auch importierter Wasserstoff wird künftig knapp sein, bestätigt Serafin von Roon von der Münchner Forschungsstelle für Energiewirtschaft. Zwar könnte er in Ländern mit viel Wind und Sonne günstiger als in Deutschland hergestellt werden. Doch der Preis bildet sich nicht nach Herstellungskosten, sondern nach Angebot und Nachfrage, so von Roon: "Es gibt Nachfrager, die eine höhere Zahlungsbereitschaft haben und deswegen auch bereit sind, einen höheren Preis zu zahlen, weil sie nicht anders können." Das betrifft die Industrie und auch den Flugverkehr, wo es nach 2030 eine Quote für die Beimischung von nachhaltigem Treibstoff gibt.

Die Airlines und Fabriken werden den Wasserstoff den Szenarien der Wissenschaftler zufolge den Haushalten praktisch wegkaufen. Denn für das Heizen von Häusern gebe es effizientere und günstigere Alternativen – wie die Wärmepumpe. Sie macht aus einer Einheit nachhaltigem Strom um den Faktor vier bis fünf mehr Wärme als wenn man den Umweg über Wasserstoff geht. Die Forschungsstelle für Energiewirtschaft hat verschiedene Szenarien für ein klimaneutrales Bayern 2040 gerechnet. In dem sogenannten Wasserstoff-Szenario könnten Wasserstoffheizungen demnach unter günstigsten Bedingungen auf einen Marktanteil von zehn Prozent kommen.

Die Wasserstoffheizung hat noch kein Preisschild

Beim Feldversuch in Hohenwart kommt der grüne Wasserstoff per Lastwagen. Wie viel er kostet, wollen die beteiligten Firmen nicht sagen. Den Testhaushalten ist das allerdings auch egal: Sie zahlen für die Heizung zwei Winter lang gar nichts – weder für den Wasserstoff, noch für die spezielle Therme. Die ist ein Prototyp. Nach Angaben der beteiligten Unternehmen kann man hier einstweilen ebenfalls nicht sagen, wie viel sie einmal kosten wird.

Eine Zukunft in der Nische

Dass Wasserstoffheizungen künftig den Markt dominieren werden, glauben auch die Vertreter von Energie Südbayern und der Thüga nicht. Dennoch sehen sie für die Technik eine Zukunft – etwa in Inselnetzen neben großen Solarparks, wo überschüssiger Strom in Wasserstoff gewandelt werden könnte, um Engpässe im Stromnetz zu vermeiden. Man müsse "technologieoffen" bleiben, sagt Tiemo Wennrich von Thüga: "Die Energiewende ist nur dann machbar, wenn man auf mehrere Technologien zurückgreift und die bestehenden Gasnetze auch weiter nutzt."

Im Video: Konzept für deutschlandweites Wasserstoff-Netz

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hält eine Karte zum Wasserstoff-Kernnetz in der Hand.
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Grüner Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger bei der Energiewende, auch in den Planungen der Bundesregierung.

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