Brandanschlag auf das Auto von Uwe Hartmann (Archivbild)
Bildrechte: Feuerwehr Stadt Kitzingen

Brandanschlag auf das Auto von Uwe Hartmann (Archivbild)

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Von Drohungen bis Brandanschlag: Hass gegen Kommunalpolitiker

Schweinsköpfe im Garten, die Androhung, Müll vor der Haustür abzuladen und sogar ein Brandanschlag: Solchen Angriffen sind Kommunalpolitiker mittlerweile häufig ausgesetzt. Es ist eine Entwicklung, die sich immer weiter zuspitzt.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Der bislang gravierendste Zwischenfall in Unterfranken geschah am 4. Februar vergangenen Jahres: Gegen 4.00 Uhr früh brannte das Auto des Kitzinger Umweltreferenten Uwe Hartmann. Angezündet von einem einschlägig bekannten Corona-Leugner. Der 27-Jährige war wie Hartmann Mitglied der Bayernpartei, kehrte ihr aber schon nach einem Jahr den Rücken. Als Motiv für den Brandanschlag gab er politische Gründe an.

Hartmann kann es immer noch nicht fassen: "Der Feuerwehrkommandant von Kitzingen hat es klipp und klar gesagt: Wenn die Feuerwehr fünf Minuten später gekommen wär, wären wir aufgrund dessen, dass die Flammen schon aufs Haus übergegangen sind, nicht mehr aus dem Haus herausgekommen. Das heißt also, das Leben von meiner Frau und von mir war akut bedroht."

Seelische Folgen des Brandanschlags

Der Kommunalpolitiker und seine Frau sind auch nach mehr als einem Jahr noch immer auf psychotherapeutische Hilfe angewiesen. Und das alles wegen unterschiedlicher Ansichten, wie sie für Hartmann in der Demokratie selbstverständlich sind. Hartmann vermutet, dass sein Engagement für überlastetes Pflegepersonal während der Pandemie bei dem Täter für Unmut gesorgt hat.

Aber deshalb laufe man doch nicht mitten in der Nacht sechs Kilometer mit einem Benzinkanister durch Kitzingen, um jemandem das Auto anzuzünden und dabei noch Menschenleben zu gefährden, ereifert sich Hartmann noch immer.

Anschlag auf Uwe Hartmann kein Einzelfall

Der Anschlag auf Hartmann – wohl der schwerwiegendste in Unterfranken. Aber kein Einzelfall. Erst vor wenigen Wochen drohten Unbekannte dem Landrat von Miltenberg, Jens Marco Scherf an, vor seinem Haus Müll zu entsorgen. Aus Ärger über einen Beschluss des Kreisrates, Restmüll künftig nur noch alle vier Wochen abzuholen, planten 40 Leute diesen massiven Angriff auf die Privatsphäre des Kommunalpolitikers.

Scherf zeigte sich im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk ebenfalls erschüttert. Einen derartigen Angriff auf seine Privatsphäre hatte der Grünenpolitiker bis dahin noch nicht erlebt. Er sei jederzeit bereit, seine Entscheidungen öffentlich zu rechtfertigen und sie den Menschen zu erklären. In diesem Fall sei es um einen demokratisch gefallenen Entschluss im Kreistag gegangen. Volksvertreter, die ihren Job machen, dürften derartige Einschüchterungsversuche nicht hinnehmen. Deshalb hatte Scherf auch die Polizei eingeschaltet.

Straftaten nehmen zu

Hass, Hetze und Bedrohungen - die Zunahme dieser Straftaten ist nicht neu. Schon im Jahr 2021 wurden insgesamt 267 Straftaten gegen kommunale Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger registriert. Das geht aus Antworten des Innenministeriums auf parlamentarische Anfragen hervor. 32 sogenannte Gewaltdelikte mit insgesamt 44 Opfern - darunter auch Erpressungen - werden in der Statistik als Gewaltdelikte erfasst. 105 Straftaten fanden online statt, etwa über Mails, Beiträge in sozialen Netzwerken oder Kommentarspalten im Internet. Bei 179 Straftaten gelang es den Behörden, den oder die Täter zu ermitteln. Unter den insgesamt 195 ermittelten Personen waren 136 Männer. Die Mehrzahl der Täter war zwischen 40 und 59 Jahre alt.

Soziologe: Anonyme Hassbotschaften schwappen auf Handlungsebene über

Was ist da los in der Gesellschaft? Der Würzburger Soziologe Andreas Göbel beobachtet seit Jahren, wie anonyme Hassbotschaften von den sozialen Medien aus immer häufiger auf die Handlungsebene überschwappen. Außerdem nimmt der Soziologe wahr, dass sich "das Bewusstsein, dass es einen Unterschied gibt zwischen der privaten Person und dem öffentlichen Amt, soziologisch gesprochen der Rolle, die ein Politiker eben innehat, dass dieses Trennungsdenken sich zunehmend auflöst."

Das führe dazu, "dass Individuen dann tatsächlich haftbar gemacht werden, obwohl sie eigentlich nur eine politische Entscheidung in einer ganz bestimmten Funktionsträgerrolle, als Politiker eben, gefällt haben. Auch das scheint mir ein Effekt der neuen Kommunikationsformen unter Social-Media-Bedingungen zu sein."

Polizeiliche und juristische Mittel gegen Gesetzesbrüche

Wie im Internet, so dürfte auch auf der Handlungsebene wenig Hoffnung auf Besserung bestehen, meint Göbel. Der Soziologe sieht jedenfalls kaum Chancen, solche Phänomene zu steuern, geschweige denn zu korrigieren. Dem Rechtsstaat bleibe lediglich die Möglichkeit gegen Gesetzesbrüche mit polizeilichen bzw. juristischen Mitteln vorzugehen.

Nicht gerade förderlich für die Lust auf Kommunalpolitik. Uwe Hartmann jedenfalls hätte um ein Haar alles hingeschmissen. Schließlich leidet er bis heute seelisch unter den Folgen des Brandanschlags, wie er im Interview bestätigt. "Es war ja wahrscheinlich seine Absicht, uns einzuschüchtern. Ist gelungen. Ganz klar! Aber ne, da hab ich keine Lust drauf. Ich hab dann gleich in den ersten zwei Wochen nach dem Anschlag deutschlandweit nach einem ähnlich lackierten Wagen gesucht. Hab den auch gefunden, da steht er!"

Also weiter: Per Smart unterwegs in Sachen Demokratie. Auf der Heckscheibe steht geschrieben: Jetzt erst recht.

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