Zwei Männern vor Möbel in einem Kastenwagen.
Bildrechte: BR/Tanja Gorges

Claus Riedl (li.) mit seinem Mitarbeiter Martin Schuster. Sie entrümpeln Wohnungen.

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Von Beruf Entrümpler: Einblicke ins Leben anderer

Claus Riedl fährt ganze Leben auf den Wertstoffhof. Der 51-Jährige arbeitet als Entrümpler in Neumarkt in der Oberpfalz. In seinen 20 Berufsjahren hat er schon viel erlebt - und auch einen Schatz gefunden.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Claus Riedl schaut beruflich hinter verschlossene Türen. Der 51-Jährige hat eine Entrümpelungsfirma in Neumarkt in der Oberpfalz. Seit über 20 Jahren räumt er Wohnungen und Häuser aus. Mit seinem Unternehmen war er schon in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterwegs. Mittlerweile entrümpelt er aber nur nebenberuflich Wohnung und Häuser.

"Man schmeißt ein ganzes Leben weg"

Gerufen wird er meistens, wenn das Schicksal schon zugeschlagen hat, wenn Menschen ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Entweder, weil sie schon älter oder erkrankt sind. Bei der Arbeit haben Claus Riedl und sein Mitarbeiter von alten Familienalben über Hochzeitfotos, Bilder von Enkeln, Klavieren, Sofas bis Kochtöpfen alles in der Hand.

Beim Ausräumen lernen sie die Menschen, denen diese Dinge gehörten, sehr gut kennen. Mitarbeiter Martin Schuster wundert sich dabei häufig über die Konsumgesellschaft, wie er sagt. "Das ist schon immer wieder ein bisschen schmerzhaft, weil die Sachen, die wir wegschmeißen, manchmal wirklich schön oder hochwertig sind. Ich sag' immer, man schmeißt ein ganzes Leben weg – in blaue Säcke."

Vintage-Moped in alter Scheune

Neuverpackte Seifen nehmen die beiden meist mit und verbrauchen sie selbst daheim. Kleider und Möbel entsorgen sie, wenn die Angehörigen nichts für sich selbst behalten - auch wenn sie noch gut erhalten sind. Manche der Sachen spendet Claus Riedl auch an Flüchtlinge. So gut wie nie behält er etwas für sich. Aber bei einem Schatz konnte er dann noch nicht widerstehen: eine Vicky. Das Moped aus dem Jahr 1954 stand versteckt in einer alten Scheune. Noch im Originalzustand und gut erhalten. Jetzt steht es bei Claus Riedl und bereitet ihm immer wieder Freude.

Das Moped durfte er in dem Fall behalten, weil es niemanden gab, der Anspruch erhoben hat. Die Angehörigen oder Hinterbliebenen sortieren vorher aus, was sie behalten wollen. Um alles andere kümmert sich Riedl dann als Entrümpler.

Gelernt, sich von Dingen zu trennen

In 20 Jahren Berufserfahrung als Entrümpler hat Claus Riedl aber vor allem gelernt, sich von Dingen zu trennen. "Ich bin zuhause konsequent. Alles, was ich seit ein bis eineinhalb Jahren nicht mehr angehabt habe, wird weggeschmissen. Bei uns ist nichts überflüssig zuhause – also nicht viel", erklärt der 51-Jährige. Seine Arbeit bringt ihn aber auch in Haushalte, in denen Menschen nichts wegschmeißen konnten.

Entrümpler-Einsätze: Immer mit Schicksalen verbunden

Gerade hinter Einsätzen in sogenannten Messie-Wohnungen verstecken sich menschliche Schicksale, die auch Claus Riedl immer wieder nah gehen. "Das Schlimmste für mich ist immer, wenn ich einen Messie ausräume, wo Kinder im Spiel sind. Mütter mit kleinen Kindern, die da drin leben. Das geht mir schon ein bisschen nah." Er versteht auch, dass die Menschen in so einer Situation viel Scham empfinden.

Dass Riedl hier immer Menschlichkeit zeige, schätzt auch Christl Naumann sehr. Sie arbeitet als gesetzliche Betreuerin in Freystadt und ist genau dann im Einsatz, wenn Menschen ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Daher hatte sie auch schon öfter mit Claus Riedl zu tun. In der Zusammenarbeit schätzt sie die Mischung aus Professionalität und Menschlichkeit. "Er gibt Menschen nie das Gefühl, dass sie sich schämen müssen - weil es halt so ist, wie es ist. Und das schätze ich auch sehr. Weil er den Menschen da auch viel Würde lässt", so Naumann.

Für seine Arbeit braucht Riedl aber auch eine gewisse "Hemdsärmeligkeit". Beispielsweise hat er in Neumarkt auch schon nach einem Mordfall eine Wohnung ausgeräumt. "Da war das Blut noch im Wohnzimmer drin. Da sind wir dann halt drübergestiegen. Also das darfst du an dich gar nicht ranlassen."

Die Arbeit als eine Art Hobby

Obwohl Entrümpelungen eine körperlich sehr anstrengende Arbeit sind, ist es für Claus Riedl wie ein Hobby. So wie andere etwas sammeln, so entsorgt er Dinge. Besonders macht es ihm Spaß, wenn er sieht, wie glücklich die Menschen und Angehörigen sind, dass er ihnen geholfen hat.

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