Minister Holetschek (CSU) und Dominik Spitzer (FDP) stellen sich der Diskussion
Bildrechte: BR/Julius Kolb

Rund 60 Bürgerinnen und Bürger diskutierten mit und stellten Ihre Fragen und Forderungen an die Podiumsgäste.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Versorgungslage in der Pflege: "Wir sind am Limit"

Bei "jetzt red i" zum drohenden Pflegenotstand im BR Fernsehen schlägt Gesundheitsminister Holetschek (CSU) viel Ärger aus der Branche entgegen. Er verspricht, "es darf keine Denkverbote geben", um die Situation zu verbessern.

Über dieses Thema berichtet: jetzt red i am .

Rund 70 Bürgerinnen und Bürger sind nach München gekommen, um ihre Fragen und Forderungen zum drohenden Pflegenotstand zu formulieren. Lars Rapus, Pfleger im Altöttinger Altenheim Sankt Clara betont, dass vor allem mehr Fachkräfte benötigt werden, befürchtet aber gleichzeitig, dass es schwierig sei, Leute zu begeistern, wenn ein Systemkollaps kurz bevorstehe. Eine Entwicklung, die seit Jahrzehnten absehbar sei, wie Frieder Büttner betont. „Wir wissen seit 40 Jahren, wo wir reinrutschen,“ ärgert sich der Pflegeschüler. Die Verantwortung werde aber immer nur von einer politischen Ebene auf die nächste verschoben. Was passiert sei, könne man nicht verzeihen, „weil wir am Limit sind.“

Politik will Arbeitsbedingungen verbessern

Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek (CSU) sieht einen ersten Schritt in einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen: Konkret müssten „Springer-Pools“ eingerichtet werden, um auch dadurch „verlässliche Dienstpläne“ zu erreichen. Außerdem möchte Holetschek einen „neuen Personalmix“ in Pflegeeinrichtungen. Zum einen würden „fachlich hochkompetente Pflegekräfte“ benötigt, zum anderen auch Profis aus der Hauswirtschaft gebraucht. Der Pflegeminister greift damit konkret einen Vorschlag auf, den eine Zuschauerin schriftlich formuliert und in die laufende Diskussion eingespeist hatte. Für Klaus Holetschek steht fest: „Wir müssen jetzt Geld in die Hand nehmen. Wenn 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr da sind, dann muss auch Geld für die Pflege da sein, auf allen Ebenen."

Mehr Steuermittel für Pflege

Mehr Geld für gute Pflege und qualifiziertes Fachpersonal aus Steuermitteln – dies sind die zentralen Botschaften von Dominik Spitzer, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion. Gleichzeitig moniert Spitzer das „Dickicht“ in der Pflegeversorgung. Zwölf Milliarden Euro würden nicht abgerufen. Geld, das auch für pflegende Angehörige vorgesehen sei. Diese müssten mehr Wertschätzung erfahren. Zudem brauche es ein einfaches System, das auch und vor allem finanziell besser unterstützt.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!

Jetzt-red-i-Studio
Bildrechte: Br
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Jetzt red i

Bessere Unterstützung für pflegende Angehörige

Eine Einschätzung, die Basti Kadach vom „Pflegedienst Isarwinkel“ teilt: Viele Angehörige könnten sich eine angemessene Unterstützung bei der Pflege ihrer Angehörigen schlicht nicht leisten. Abgesehen davon, dass es viel zu wenig Kapazitäten auch bei ambulanten Pflegediensten gebe. Das Leid und die Sorgen pflegender Angehöriger kommen an diesem Abend immer wieder zur Sprache. Almut Büttner-Varga pflegt ihren Mann zu Hause. Einen Pflegedienst zu finden, besonders im ländlichen Raum, sei schwierig, Tagespflegeeinrichtungen gebe es in ihrer Region nicht. Es gebe eine „große Palette an Mängeln“, die Politik müsse endlich Einfluss nehmen. Ein Vorschlag: Lohn für pflegende Angehörige. Die Idee des Pflegezeitgeld der Ampelkoalition, nach dem Vorbild des Elternzeitgeldes, sei hier ein Ansatz, so Pflegeminister Holetschek. Es müsse jetzt aber „schnell gehen“, jeder Tag würde zählen. Vehement betont Holetschek auch, wie wichtig es sei, weiter zu deregulieren. Ein zu viel an Bürokratie sei das „schlimmste Thema“, das wir haben. „Wir nehmen Vorschriften zurück, wo wir können!“

Heimaufsicht nachhaltig verbessern

Weiteres Thema bei „jetzt red i“: Insgesamt drei Pflegeskandale, die in den vergangenen Monaten im Freistaat nach anonymen Hinweisen von BR-Journalisten aufgedeckt worden waren. Christiane Hawranek aus dem BR-Investigativteam berichtet, dass die Zustände in den Heimen bekannt, aber ein „Riesen-Tabuthema“ gewesen seien. Besonders schockierend für sie: Allein 2019 seien in 173 Einrichtungen erhebliche Pflegemängel bekannt geworden: Dehydrierte, schlecht ernährte Patienten, die in ihren Exkrementen liegen gelassen würden. Auch beim Rechercheteam läge noch belastendes Material, wozu weiter recherchiert werde. Hawranek sieht einen Hauptgrund für solch unsägliche Skandale in der Organisation der Heimaufsicht. Diese läge bei den Landkreisen und Städten und die wollen „keinen Schandfleck. Es herrscht ein nettes Miteinander, das macht die Kontrolle schwierig.“ Holetschek versicherte, Pflegeskandale müssten künftig verhindert werden: Nach den Vorfällen seien ein Pflege-SOS und eine Taskforce eingerichtet worden, die die Heimaufsicht unterstützt. Und: Habe man früher bei Pflegemängeln mehr auf Beratung gesetzt, werde nun eine Einrichtung viel schneller geschlossen.