ARCHIVBILD: Die Hilblestraße (benannt nach Friedrich Hilble) wurde in München umbenannt. Die Straße wird dann nach der Künstlerin Maria Luiko benannt, die Opfer des NS-Terrors war.
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Umbenennung von Münchner Straßen kommt nicht voran

Ehre wem Ehre gebührt. Das gilt auch bei der Vergabe von Straßennamen. Wenn ehemals hochgeschätzte Persönlichkeiten in der Kritik stehen, wird über eine Umbenennung diskutiert. In München allerdings geht das nicht ganz so schnell.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Der Aktionskünstler Wolfram Kastner steht vor dem Münchner Promenadeplatz. Über seinem Kopf prangt ein Straßenschild aus Emaille mit dem Schriftzug "Kardinal-Faulhaber-Straße". Der Stein des Anstoßes. Oder besser gesagt, die Straße des Anstoßes.

Vorwürfe gegen Kardinal Faulhaber

Denn Kastner vom Bund für Geistesfreiheit in München hat mehrere Einwände gegen den Straßennamen. Der Kardinal habe die friedliche Revolution vom 7. November 1918 als Judenrevolution benannt und die Republik als meineidige Gesellschaft bezeichnet, so Kastner. "Er war ein Gegner der Demokratie und ihn heute weiter zu ehren, heißt auch im Grunde genommen die heutigen Antidemokraten zu bestätigen."

Die Vorwürfe sind nicht neu. Die relativ kleine, aber durchaus bekannte, Kardinal-Faulhaber-Straße in der Münchner Altstadt steht seit Jahren im Zentrum der Debatte um historisch belastete Straßennamen. Faulhaber, 35 Jahre lang Erzbischof von München und Freising, war in der katholischen Bevölkerung durchaus beliebt. Aus heutiger Sicht zweifeln allerdings viele, ob er ein Vorbild sein kann.

45 Straßen mit Diskussionsbedarf

Und es ist nicht der einzige Straßenname in München, der kritisiert wird. Vom Münchner Stadtrat wurde schon vor Jahren eine Expertenkommission einberufen, um die Benennung der rund 6.000 Straßen in München zu überprüfen. In 45 Fällen sehen die Experten erhöhten Diskussionsbedarf. Allerdings wurde bislang nur eine einzige Straße von dieser Liste mit historisch belasteten Namen umbenannt: nämlich die Hilblestraße im Münchner Stadtteil Neuhausen. Das war 2022. Friedrich Hilble war der alte Namensgeber, doch seine Sympathien für die Nazis brachten den ehemaligen Leiter des städtischen Wohlfahrtsamtes ins Zwielicht. Die Straße ist mittlerweile nach der Künstlerin Maria Luiko benannt, die 1941 von den Nazis ermordet wurde.

Sorgfalt vor Schnelligkeit

Für die Anwohner bedeutete das: Sie haben eine neue Adresse, müssen die neue Anschrift überall ändern. Das ist lästig, findet jedenfalls Wohnungseigentümer Peter Kümpfbeck, der nun in der Maria-Luiko-Straße lebt. "Dass abgeändert wird, fand ich an und für sich gut. Aber es macht halt Umstände." Pro Anwohner gibt es deshalb 100 Euro Entschädigung, Firmen erhalten deutlich mehr. Diese Kosten seien aber nicht der Grund, warum weitere Umbenennungen auf sich warten lassen, so ein Sprecher des Kulturreferats in einer Mail an den BR. Sorgfalt gehe vor Schnelligkeit.

Mantel des Schweigens über schwieriger Debatte

Unter den strittigen Namen auf der Liste sind berühmte Personen: Richard Wagner, Richard Strauss, Ludwig Thoma, ja sogar der Mikrobiologe Robert Koch. Doch kein Experte will dem Bayerischen Rundfunk diese Liste erläutern. Es weht ein Mantel der Verschwiegenheit über der schwierigen Diskussion. Soll man Verstorbene nur aus der Epoche heraus bewerten, in der sie gelebt haben? Oder ist die Ehrung mit einem Straßennamen nicht doch auch eine Angelegenheit, die aus heutiger Sicht beurteilt werden muss?

München als Hauptstadt der Verdrängung?

Aktionskünstler Wolfram Kastner findet, das München eben die Hauptstadt der Verdrängung sei: "Es ist immer noch so eine Neigung, erst mal nichts zu machen. Wenn man nicht mehr weiterweiß, macht man eine Kommission." Offiziell will die Kommission die Liste mit den diskussionswürdigen Namen noch in diesem Jahr an den Stadtrat weiterreichen. Ob sich dann weitere Straßennamen ändern, bleibt abzuwarten.

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