Prozessauftakt vor dem Aschaffenburger Landgericht.
Bildrechte: BR / Mona Böhm

Heute begann der Prozess gegen einen Mann, der im Februar einen Bekannten zum Sprung von einer Mainbrücke gezwungen haben soll.

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Tödlicher Sprung in den Main: Mordprozess in Aschaffenburg

Heute begann der Prozess gegen einen Mann, der im Februar einen Bekannten zum Sprung von einer Mainbrücke gezwungen haben soll. Das Opfer starb. Vor dem Aschaffenburger Landgericht muss sich der Angeklagte nun wegen Mordverdachts verantworten.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Im Februar dieses Jahres sprang der 30-jährige Alexander S. mit tödlicher Folge von der Mainbrücke zwischen Wörth und Erlenbach (Lkr. Miltenberg). Sein Bekannter André B. steht unter Verdacht, ihn dazu gezwungen und zuvor körperlich misshandelt und beraubt zu haben. Der 35-Jährige ist nun wegen gefährlicher Körperverletzung, räuberischer Erpressung sowie Mord in mittelbarer Täterschaft vor dem Landgericht Aschaffenburg angeklagt. Heute startete der erste Verhandlungstag.

Laut Anklageschrift: Opfer körperlich misshandelt und eingeschüchtert

Vor dem tödlichen Sprung von der Mainbrücke am 18. Februar kurz nach Mitternacht wurde das Opfer gemäß Anklageschrift mehrfach von dem Angeklagten körperlich misshandelt und eingeschüchtert. Der Beschuldigte habe sich laut Staatsanwaltschaft bereits am Vorabend mit Alexander S. zu einem Treffen in Wörth verabredet. Dabei habe er den Geschädigten zunächst gezwungen, mehrere hundert Euro von der Bank abzuheben. Später begaben sich beide zum Mainufer in Nähe des Campingplatzes "Mainaue", wo der Angeklagte das Opfer mindestens einmal massiv gegen den Kehlkopf geschlagen und anschließend dessen Handy und Schlüsselbund eingefordert habe. Danach zwang André B. seinen Bekannten laut Anklageschrift bis fast zur Brust in den Main zu gehen und dort minutenlang bei einer Wassertemperatur von rund 7 Grad auszuharren.

Staatsanwaltschaft sieht klare Tötungsabsicht

Zunächst wollte der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft es bei dieser "Abreibung“ belassen und sich von einem Bekannten aus Wörth abholen lassen. Nachdem dieser ihm jedoch eine Absage erteilte, habe André B. den Entschluss gefasst, den verletzten und eingeschüchterten Alexander S. zu töten. Durchnässt und bei einer Lufttemperatur zwischen 7 und 9 Grad Celsius soll er sein Opfer gezwungen haben, über einen Kilometer zu der Fußgängerbrücke zwischen Wörth und Erlenbach zu gehen und dort aus etwa zwölf Metern Höhe in den Main zu springen. Dabei handle es sich laut Staatsanwaltschaft um Mord in mittelbarer Täterschaft. Das bedeutet, dass der Angeklagte die Tat zwar nicht selbst ausgeführt und sein Opfer beispielsweise von der Brücke gestoßen hat. Jedoch sei der Geschädigte zum Zeitpunkt des Sprunges so "verzweifelt, körperlich am Ende und psychisch gebrochen" gewesen, dass er keinen anderen Ausweg mehr sah, als der Anweisung von André B. Folge zu leisten. Alexander S. starb durch das plötzliche Eintauchen ins kalte Mainwasser in Folge eines Reflextodes. Die Leiche wurde erst drei Wochen später an einer Main-Schleuse geborgen.

Mögliches Beweisvideo: Angeklagter soll Tat selbst aufgenommen haben

Wie sich am heutigen Prozesstag herausstellte, soll eine Videoaufnahme, die der mutmaßliche Täter selbst anfertigte, den Tathergang bestätigen. Unter anderem sagte der leitende Ermittlungsbeamte Thomas Vollmond (PI Obernburg) als Zeuge vor dem Gericht aus. Laut ihm sei auf dem Video zu sehen, wie sich der Geschädigte von außen an das Brückengeländer klammerte, während eine Männerstimme im Hintergrund laut bis drei zählte. Alexander S. ließ daraufhin in Todesangst das Geländer los und stürzte in den Main. Zudem habe die Polizei laut Vollmond mehrere Zeugen ausfindig gemacht, die am Tatabend Kontakt zu den beiden Männern hatten. Ein Zeuge, bei dem André B. nach der Tat nächtigte, habe berichtet, dass dieser "feiernd" nach Hause gekommen sei und ihm das Video gezeigt habe.

Rache als mutmaßliches Motiv

Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft kannten sich André B. und Alexander S. bereits seit ihrer Jugend und waren 2007 für drei Monate gemeinsam in der JVA Aschaffenburg inhaftiert. Während dieser Zeit habe sich der Geschädigte S. über seinen Mitgefangenen B. wegen körperlicher Gewalt beschwert und gegen ihn ausgesagt. Die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg sieht die Tat als mögliche Rache auf diesen Vorfall. Hinzu kämen weitere Vorwürfe von Seiten des Angeklagten, unter anderem, dass Alexander S. eine ehemalige Freundin von André B. um Geld gebracht habe. Dies sei Motiv dafür, dass B. den Geschädigten zwang, Geld von dessen Konto abzuheben.

Opfer zunächst vermisst gemeldet

Aufgrund der beschriebenen Umstände schließt die Staatsanwaltschaft auf eine veranlasste grausame Tötung aus niederen Beweggründen. Die Motive seien nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert. Der verstorbene Alexander S. war am 18. Februar zunächst als vermisst gemeldet worden. Die Lebensgefährtin des Geschädigten und Mutter eines gemeinsamen Sohnes habe sich laut Vollmond bei der Polizei gemeldet. Zwei Tage später ging eine anonyme Mitteilung ein, jemand habe den Vermissten in der Nacht vom 17. auf den 18. Februar in den Main springen sehen. Infolgedessen wurden mehrere Kontaktpersonen aus dem Umfeld der beiden Männer befragt, wodurch André B unter dringenden Tatverdacht geriet. Eine Woche nach der Tat, am 24. Februar, konnte die Polizei diesen ausfindig machen und festnehmen. Seitdem sitzt der 35-Jährige wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft.

Verhandlung läuft bis mindestens 22.12.2022

Im Laufe der nächsten Verhandlungstage werden noch mehrere der Zeuge aussagen. Außerdem existieren neben dem Video zur Tatzeit mindestens eine weitere Bildaufnahme, die den Geschädigten im Main stehend zeige, sowie eine Audiodatei, die der mutmaßliche Täter gegen halb 12 per Whatsapp verschickte. Wann es zu einem Urteil kommt, steht bisher nicht fest. Zunächst sind für den Prozess acht Verhandlungstage bis zum 22.12.2022 angesetzt.

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