Es ist bereits der zweite Bürgerentscheid in der Stadt in den vergangenen beiden Jahren: Im März 2020 haben die Lauinger über den Bau eines Gewerbeparks abgestimmt und ihn abgelehnt. Jetzt geht es um ein Tierkrematorium, das ein bundesweit tätiger Investor aus Niedersachsen am Lauinger Stadtrand bauen will.
Der Lauinger Stadtrat hatte sich bereits dafür ausgesprochen, doch dann regte sich Protest: Insbesondere der geplante Standort ist es, der für Kritik sorgt: Er liegt direkt gegenüber des menschlichen Friedhofs.
- Zum Artikel: So läuft eine Bestattung im Tierkrematorium ab.
Kritiker: Standort neben Friedhof "pietätlos"
Für die Mitglieder einer Bürgerinitiative ist das "pietätlos". Auch andere Lauinger äußern sich im Gespräch mit dem BR ähnlich: Wenn sie daran denke, dass direkt neben dem Friedhof, wo die eigene Oma liege, bald Tiere verbrannt würden, müsse sie gleich weinen, so eine Lauingerin.
Andere können das nicht nachvollziehen: Die Tiere hätten genauso ein Recht auf einen friedlichen Ort wie die Menschen. Sie verstehe nicht, warum das nicht nebeneinander liegen könne, so eine Lauingerin. Ein Hundebesitzer sagt, er sei froh, wenn es für ein Tier einmal so eine Möglichkeit gebe.
Tierkrematorium oder Tierverwertung: ein großer Unterschied
Im Gespräch des BR mit einigen Lauingern zeigt sich: Die Unterschiede zwischen einer sogenannten Tierkörperbeseitigungsanlage und einem Tierkrematorium sind offenbar nicht allen klar. Viele Gegner des Tierkrematoriums fürchten Gestank, sehen die Gefahr, dass der Betreiber auch Schweine, andere Nutztiere oder gar Schlachtabfälle verbrennen könnte.
Das aber ist in einem Tierkrematorium verboten. Schlachtabfälle und Nutztiere dürfen nur in einer Tierkörperbeseitigungsanlage verwertet und beispielsweise zu Tiermehl verarbeitet werden.
Nur Kleintiere kommen ins Krematorium
In einem Tierkrematorium dürfen nur Kleintiere und Pferde verbrannt werden. Investor Arndt Nietfeld betont, dass er den Besitzern der Tiere die Möglichkeit bieten wolle, sich würdevoll von ihrem Tier zu verabschieden. Viele bringen ihr Haustier deshalb persönlich in das Krematorium. Dort wird das Tier dann aufgebahrt, die Besitzer können in Ruhe Abschied nehmen. Nach der Einäscherung können sie die Asche in einer Urne mit nach Hause nehmen.
Bürgerinitiative befürchtet "massenhafte Verbrennung"
Meist würden die Tiere deshalb auch einzeln eingeäschert. Die Bürgerinitiative geht unterdessen davon aus, dass in dieser "industriellen Tierverbrennungsanlage" massenhaft Tiere verbrannt würden. Auf 37 Tonnen pro Woche kommt sie in ihren Berechnungen.
Das sei "utopisch", entgegnet Investor Arndt Niefeld. So viel verbrenne er an allen seinen Standorten zusammen nicht. Von der maximalen Auslastung der Öfen auf die Zahl der verbrannten Tiere zu schließen, sei nicht richtig. Auch die befürchtete Verkehrszunahme durch die Anlieferung von Tieren sei unrealistisch.
Sämtliche Kompromissvorschläge, wie etwa auf das Pferdekrematorium zu verzichten und nur Kleintiere einzuäschern, wurden laut Investor von der Bürgerinitiative abgelehnt. Auch seiner Einladung zu einem Besuch vor Ort in einem seiner Unternehmen seien sie nicht nachgekommen. Dem BR sagte ein Mitglied der Initiative, sie müssten sich das nicht anschauen - sie wollten das Tierkrematorium einfach überhaupt nicht.
Beim Verbrennen wird stark gefiltert
Nietfeld betreibt bereits mehrere Tierkrematorien, jedoch noch keines in Süddeutschland. Das in Lauingen geplante Gebäude soll von außen so ähnlich aussehen wie das Pferdekrematorium in Badbergen. Im Innern sollen sich dann zwei Öfen befinden, einer für die Kleintiere und einer für Pferde. Die Pferde werden in geschlossenen Transportern angeliefert, im Gebäude entladen und für die Verbrennung aufgebahrt.
Was letztendlich während der Verbrennung durch die Schornsteine nach draußen entweiche, würde vorher gefiltert, dafür gebe es strenge Grenzwerte, die das Unternehmen sogar unterschreite, so der Investor. Regelmäßige Überprüfungen der Anlagen, unter anderem durch den TÜV, sind vorgeschrieben.
Vorwurf: Anlage bringt der Stadt "keinen Mehrwert"
Die Mitglieder der Bürgerinitiative kritisieren, die Anlage brächte kaum Arbeitsplätze, 15 sind geplant. Da der Stammsitz des Unternehmens in Badbergen liege, sei die Gewerbesteuer mit geschätzten 10.000 Euro sehr gering. Dabei könnte Lauingen das Geld dringend gebrauchen: Die Stadt ist eine der finanzschwächsten Kommunen in Schwaben und bekommt deshalb auch Stabilisierungshilfen.
Fernwärme für 120 Haushalte möglich
Für das Grundstück am Stadtrand habe sich bisher kein anderer Investor interessiert, so Bürgermeisterin Katja Müller. Wie Investor Arndt Nietfeld berichtet, profitierten auch die Gastronomen an den Standorten seiner Krematorien von den Anlagen: Wenn Tierbesitzer ihre Tiere selber brächten, übernachteten sie oft im Hotel, gingen ins Restaurant oder ins Café. Der Kritik, so eine Anlage würde sehr viel Energie verbrauchen, entgegnet er, man könne eine Fernwärmeleitung bauen und etwa 120 Lauinger Haushalte könnten mit der Restwärme beheizt werden.
Kontroverse Diskussion auch in den sozialen Medien
Über all diese Dinge wird in der Stadt kontrovers diskutiert. Viele wollen sich vor dem Mikrofon überhaupt nicht mehr äußern, aus Angst vor Anfeindungen. Auch von Drohbriefen ist die Rede. Hitzig diskutiert wird beispielsweise auch auf Facebook.
Gegner, die teils auch unter falschem Namen auftreten, und Befürworter tauschen sich hier aus. So manch einer antwortet auf die Frage, ob er nun für oder gegen das Krematorium sei, er sei aus Solidarität dafür - gerade weil die Gegner so vehement aufträten. Nun haben die Bürger die Wahl: Am Sonntag steht der Bürgerentscheid an.
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