Das Klinikum Rosenheim
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So erlebt ein Klinik-Geschäftsführer die aktuelle Corona-Lage

Die Betten für Corona-Patienten im Klinikum Rosenheim sind alle belegt - seit Tagen schon. Von einer "angespannten Lage" ist immer wieder zu hören. Aber was heißt das genau? Ein Gespräch mit einem Klinik-Geschäftsführer.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Der Geschäftsführer der RoMed Kliniken Jens Deerberg-Wittram in Rosenheim ist ein gefragter Mann in diesen Tagen. Er bekommt Medienanfragen aus ganz Deutschland. Die hohen Inzidenzzahlen in Südostoberbayern sorgen für enorme Aufmerksamkeit. Für den Bayerischen Rundfunk nimmt sich der Geschäftsführer Zeit und antwortet auf viele Fragen.

Die Ausgangssituation in der Rosenheimer Klinik

In Rosenheim gibt es zwei Intensivstationen, eine für die frisch Operierten und eine Station für internistischen Patienten. Zusätzlich wurde ein Bereich für Corona-Patienten eingerichtet. Zählt man alle Betten zusammen, sind es rund 35 Intensivbetten, die aber nicht ständig alle mit Personal besetzt werden könnten. Für Covid-Patienten in Rosenheim stehen insgesamt acht Betten zur Verfügung, erklärt Geschäftsführer Jens Deerberg-Wittram. Diese acht Betten sind seit Tagen ständig belegt. Das Rosenheimer Klinikum sei Schwerpunktversorger für eine Region mit 350.000 Menschen. Jedes Jahr kämen rund 40. 000 Menschen in die Notaufnahme und die drei Kreiskliniken hätten noch einmal so viele Notaufnahmen zu versorgen, etwas Verkehrsunfälle, Herzinfarkte und Schlaganfälle. Corona sei hier nun ein weiterer Punkt, der die knappste Ressource, die Intensivstationen, zusätzlich belaste.

Die regionale Krankenhausampel steht auf Rot

Die Krankenhausampel möge in der bayernweiten Betrachtung zwar politisch interessant sei, sei aber für die regionale Belastung quasi irrelevant, so Deerberg-Wittram im BR-Interview. Ein freies Intensivbett in Würzburg helfe in Rosenheim nichts. Er gehe deswegen immer nur von der regionalen Situation aus. Die gesamte südostbayerische Region sei mit hohen Inzidenzen belastet, alle Krankenhäuser, die an der Covid-Versorgung teilnehmen würden, seien mehr als gut belegt.

Fast nur Ungeimpfte auf den Stationen

In der ersten Welle sei der Altersdurchschnitt auf der Intensivstation bekanntermaßen sehr hoch gewesen - dieser lag bei über 80 Jahren. Das habe sich deutlich verändert, bestätigt der Klinikgeschäftsführer. Man finde nun ein viel breiteres Spektrum, Menschen zwischen 30 und 70 Jahren. Im Sommer sei ein deutlich erhöhter Anteil von Menschen versorgt worden, die entweder aus Südosteuropa kommen oder dort als Deutsche die Familien besucht haben. Das sicherlich Eindrucksvollste sei, dass man seit Beginn der vierten Welle 75 Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen versorgt habe. Und von diesen 75 seien vier tatsächlich vollgeimpft und der Rest ungeimpft oder nur teilweise geimpft gewesen.

Große Anstrengung fürs Personal

Alle blickten mit persönlichen Einschränkungen, Ängsten und Belastungen auf anderthalb Jahre Covid zurück. Für die allermeisten habe es auch Erleichterndes gegeben, zum Beispiel das Homeoffice oder Kurzarbeit. Die Menschen, die auf den Stationen mit Covid-Patienten arbeiten, würden aber keine positive Seite der Pandemie kennen. Diese hätten immer voll durchgearbeitet, und mehr gearbeitet. Sie hätten persönliche Ängste und Belastungen gehabt. Der Klinikgeschäftsführer sieht seine Mitarbeiter als Verlierer der Corona-Pandemie: "Die haben erlebt, wie Kolleginnen und Kollegen erkrankt sind. Die haben gesehen, dass Menschen sterben: in unserem Klinikverbund fast 400 Menschen".

Problem Personalmangel

Er habe größten Respekt vor seinen Mitarbeitern und sehe eine hohe Professionalität und Bereitschaft, sich immer wieder dieser Aufgabe zu stellen. Aber es seien Menschen, und man merke, dass bei dem einen oder anderen die Kräfte ausgehen würden. Man sehe eine hohe Krankheitsquote gerade in den Covidbereichen des Klinikverbunds. Wenn sich Mitarbeiter infizieren, würden sie zudem wochenlang ausfallen. Das sei eine Abwärtsspirale, wenn die ausgebildeten Betreuer von schwerstkranken Covid-Patienten selber krank würden. Das bedeute eine weitere Belastung für die Teams. Und dann werde die Situation eigentlich immer schlimmer. Aber der Klinikgeschäftsführer betont, man sei nicht panisch. Er sehe dagegen mit Respekt auf die Situation. Man habe in den letzten anderthalb Jahren auch viel gelernt.

Nach wie vor voll in der Pandemie

Das Ende einer epidemischen Lage sieht Deerberg-Wittram nicht. Man sei voll in der Pandemie und in der täglichen Herausforderung, wie man es schaffe, Patientinnen und Patienten sinnvoll unterzubringen und zu versorgen. Deswegen wäre sein Wunsch an die Politik: eine zentrale Koordination für die Frage, wie Patienten am besten auf die Kliniken verteilt werden - mit rechtsverbindlicher Zuordnung. Derzeit laufe die Koordination sozusagen im gegenseitigem Einvernehmen und mit freundlicher Kollegialität.

Patienten aus hochbelasteten Regionen verlegen

Im Hinblick auf diese bayernweite Ampel meint Deerberg-Wittram, dass es möglich sein müsse, Patienten aus hochbelasteten Regionen wie Rosenheim in andere Teile Bayerns zu verlegen, die fast nicht oder gar nicht belastet sind. Das bedürfe aber einer klaren Ansage der Politik und der Bereitstellung der entsprechenden Transportmittel. Erst wenn man relativ stressfrei Betten für die Intensivversorgung in anderen Teilen Bayerns zugewiesen bekäme und Patienten gegebenenfalls auch mit einem Helikopter verlegen könnte, werde sich die Lage in Rosenheim entspannen. Und dafür brauche man natürlich ein politisches Votum.

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