Ein Flyer des Angebots "Begleiteter Umgang" hängt beim Kinderschutzbund an einer Tafel mit bunten Kinderzeichnungen.
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Das Angebot "Begleiteter Umgang" ist für Familien, die von Trennung betroffen sind und Probleme beim Umgang miteinander haben.

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Scheiden tut weh - wenn Eltern streiten

Wenn sich Mama und Papa nach der Trennung nicht einigen können, ob, wann und wie der jeweils andere das Kind sehen darf, greifen Jugendamt oder Familiengericht ein. Sie helfen mit sogenannten Umgangsbegleitern - aber die sind bayernweit rar.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Mehr als jede dritte Ehe in Deutschland wird geschieden, 2021 waren über 120.000 Kinder davon betroffen. Dazu kommen Tausende aus getrennten Beziehungen ohne Trauschein. Allein der Kinderschutzbund in Rosenheim hat im vergangenen Jahr über 100 solche Familien im Umgang begleitet. Doch oft ist die Warteliste für diesen Dienst in Bayern lang, denn es gibt zu wenig Freiwillige.

Eine, die sich engagiert, ist Anschi Peters. Schon seit 25 Jahren ist sie in ihrer Freizeit sogenannte Umgangsbegleiterin. Ob von den Eltern gewollt oder vom Jugendamt oder Gericht vorgeschlagen: Unter ihrer Aufsicht können Scheidungskinder den anderen Elternteil sehen.

Geschulte Begleiter für Eltern-Kind-Treffen

Zerstritten bereitet ehemaligen Ehepartnern ein solches Zusammentreffen oft Probleme. Für ihre Aufgabe als Umgangsbegleitung ist die gelernte Arzthelferin extra geschult worden, hat so auf die meist zweistündigen Zusammentreffen ein besonderes Auge und Ohr. "Manchmal wird ein Kind ausgefragt oder es kommen falsche Versprechungen wie 'jetzt darfst du dann sowieso bald wieder zu mir heim'", erzählt sie. Es passiere schon auch mal, dass der Vater scheinbar nebenbei nach der Mama frage - und 'was die immer so mache'. "Dann ist es meine Aufgabe, dass ich freundlich, aber bestimmt dazwischen gehe."

Umgangsbegleiterin Anschi Peters beobachtet mit Abstand ein Treffen von einem Vater mit seinen zwei Kindern im Spielzimmer beim Kinderschutzbund.
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Umgangsbegleiterin Anschi Peters wurde für ihr freiwilliges Engagement extra geschult.

Zum Wohl des Kindes

Häufig brächten die Mütter die Kinder und die Väter seien im Umgang, sagt Anschi Peters. Die Regeln, fair und respektvoll miteinander zu sein, gälten aber immer für beide Elternteile - von der Übergabe bis einschließlich zur Abholung. "Es geht zum Beispiel gar nicht, dass die Mama beim Bringen das Kind einfach nicht loslässt oder beim Abholen sagt 'jetzt hast du es endlich wieder geschafft, gell'." Ein guter Umgang könne nur dann funktionieren, wenn sich beide Eltern darauf einlassen. Schließlich gehe es um das Wohl des Kindes. "Denn das Kind soll einfach eine schöne Zeit mit seinem Elternteil haben."

Damit das klappt, müssen die Elternteile lernen, Partnerschaft und Elternschaft zu unterscheiden. Dafür beraten Fachkräfte wie Barbara Heuel die Mütter und Väter vorab und begleitend zum Umgang. "Unser Ziel ist es, uns möglichst schnell überflüssig zu machen."

Eltern sollen Ängste abbauen

Einige Mütter befürchten zum Beispiel, dass der Vater sich nicht richtig ums Kind kümmere. "Manchmal geht das bis zu ganz extremen Forderungen, dass wir zwei Zentimeter daneben stehen sollen beim Umgang. Das geht natürlich nicht." Und bei den Vätern sei es häufig so, dass sie die Kinder länger nicht gesehen haben und befürchten, dass sie ihnen entfremdet würden, erzählt die Diplom-Pädagogin. "Wir unterstützen die Eltern dabei, dass sie gute Lösungen finden und einfach auch mit diesen Ängsten besser klar kommen - zum Wohl des Kindes.“

Aufgabe mit Anspruch

Das Konfliktpotenzial der Fälle ist dabei unterschiedlich - von der einvernehmlichen Begleitung bis zum Gefährdungsgrad ist alles dabei. Alexandra Schreiner-Hirsch hat die pädagogische Leitung der Fachberatung Begleiteter Umgang und weiß, dass bei der Bandbreite an Fällen ein Gang zum Spielplatz auch nicht immer selbstverständlich ist. "Von 'der Elternteil kann Eis essen mit dem Kind' und die Umgangsbegleitung ist mit dabei, bis 'wir bleiben lieber bei uns in den Räumen im Kinderschutzbund'" - die Vorstellungen seien unterschiedlich. Es komme auch vor, dass sie sogar zwei Umgangsbegleitungen brauchen, weil zum Beispiel Entführungsgefahr oder häusliche Gewalt ihm Raum stehe.

Die Tätigkeit der Umgangsbegleitung ist also nicht nur herausfordernd, die Person muss dazu noch zur betroffenen Familie passen und am besten auch zeitlich flexibel sein. Denn auch die Terminfindung mit allen Beteiligten ist oft nicht einfach. Je mehr Freiwillige sich daher engagieren, desto besser für die Kinder. Doch momentan ist die Situation hier eine ganz andere: Auch beim Kinderschutzbund, dem größten Träger dieses Angebots, sucht man bayernweit Freiwillige.

Kein Kontakt mit dem anderen Elternteil wegen fehlender Begleiter

Alexandra Schreiner-Hirsch sieht die Entwicklung kritisch. "Oft müssen betroffene Kinder in Bayern jetzt bis zu einem halben Jahr warten, bis sie ihren Elternteil sehen können, und wenn wir niemanden weiterhin für die Umgangsbegleitung finden, dann dauert es noch länger." Das sei traurig für die Kinder, denn sie bräuchten in der Regel beide Elternteile für ein gutes Aufwachsen.

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Es braucht genügend Zeit, um eine Lösung für einen guten selbstständigen Umgang zu finden.

Begleiter ermöglichen oft erst die Chance auf ein Zusammensein

Damit die Familien dabei auch langfristig genügend Zeit in der Begleitung bekommen, um eine gute Lösung für einen selbständigen Umgang zu finden, brauche es dazu nicht nur genügend Personal, "sondern auch eine gute Finanzierung durch die Jugendämter in Bayern", erzählt Alexandra Schreiner-Hirsch. Neben dem begleiteten Umgang, der für Kinder vom Babyalter bis hin zu etwa 13 Jahren gedacht ist, gibt es für Jugendliche ab diesem Alter übrigens weitere Hilfsangebote. Dazu können sich bei der Nummer gegen Kummer Eltern und Kinder telefonisch melden, wenn sie Schwierigkeiten im Zusammenleben haben und Hilfe brauchen, und das Angebot Abenteuer Trennung und Scheidung ist ein eigener Kurs für Kinder, die in Trennung und Scheidung leben.

Anschi Peters will sich weiter engagieren, auch wenn ihre Aufgabe durchaus herausfordernd ist. Sie sieht in jeder Umgangsbegleitung eine große Chance - für Kind und Eltern. Das schönste Gefühl dabei sei, dass sie wirklich was bewirken könne, auch wenn es manchmal schwierige Situationen gebe. "Aber so wie diese Familie jetzt - die hätte ja keine Chance auf Zusammensein ohne unsere Arbeit. Und dass ich jemanden diese Chance geben kann, das erfüllt mich." So hofft sie, dass alle betroffenen Kinder in Bayern diese Chance auch bekommen - ohne zu lange darauf warten zu müssen.

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