Zwei Männer werden in einer Kirche gesegnet.
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In München fand einer der ersten Segnungsgottesdienste für alle statt – ohne Einschränkungen.

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München: Segnungsgottesdienst für gleichgeschlechtliche Paare

Die katholische Kirche erlaubt jetzt auch Segnungen gleichgeschlechtlicher oder unverheirateter Paare, allerdings nur eingeschränkt. In München fand am Freitag einer der ersten Segnungsgottesdienste für alle statt – ohne Einschränkungen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

35 Jahre lang war er nicht Mitglied in der Kirche. Dann kam die Erklärung aus dem Vatikan "Fiducia supplicans", die Segnungen von homosexuellen Paaren erlaubt. Für Jürgen war das Grund genug, in die katholische Kirche einzutreten, nur wenige Tage nach Veröffentlichung des kirchlichen Schreibens. "Ich habe mich sehr gefreut", erinnert er sich.

Jetzt steht Jürgen mit seinem Mann Florian vor der Jesuitenkirche St. Michael in der Münchner Fußgängerzone: Die beiden wollen sich segnen lassen im "Segnungsgottesdienst für alle". Für die katholische Kirche sozusagen Neuland, zumindest offiziell. Inoffiziell hat es solche Segnungsgottesdienste schon öfter gegeben. Für das Paar, ein feierlicher Moment, wenn auch mit einem Beigeschmack, denn die päpstliche Segenserlaubnis hat auch viel Kritik von erzkonservativen Katholiken ausgelöst.

Keine volle Akzeptanz, aber ein guter Anfang

Offiziell lebe man in den Augen der katholischen Kirche ja immer noch in einer irregulären Beziehung. Es bleibe ein Wermutstropfen, sagt Jürgen: "Weil noch keine volle Akzeptanz da ist." Trotzdem finden die beiden, der Segnungsgottesdienst in München sei ein guter Anfang. "Ich würde mir wünschen, der Erzbischof nimmt diesen Ball auf und spielt ihn demnächst dann auch im Dom", so Florian. "Dann wird es noch glaubwürdiger, was die katholische Kirche ausgesprochen hat."

Was genau die Kirche ausgesprochen hat, ist gar nicht leicht zu verstehen: Auch gleichgeschlechtliche Paare können gesegnet werden. Gesegnet würden dabei die Menschen, nicht aber ihre Beziehung. Außerdem dürfe ein solcher Segen nur wenige Sekunden dauern und nicht in einem liturgischen Rahmen stattfinden.

Jesuitenpater: Vatikanerklärung ermutigt zu Segnungen

Jesuitenpater Martin Stark von St. Michael sieht trotzdem keine Gründe, die gegen einen Segnungsgottesdienst für alle sprechen, erst recht nicht, nachdem der Papst indirekt bestätigt hat, selbst schon gleichgeschlechtliche Paare gesegnet zu haben.

Die Erklärung "Fiducia supplicans" lasse außerdem keinen Zweifel, glaubt der Pater: "Ich bin wirklich der Meinung, dass gerade das Papier ermutigt, zu dem, was wir hier machen." Auch andere Gemeinden hätten dies verstanden und inzwischen zu Segnungsgottesdiensten eingeladen.

Und dann wird gesegnet – als Höhepunkt des Gottesdienstes, vor den Stufen zum Altarraum, deutlich länger als zehn Sekunden. Zwar ist die Jesuitenkirche in der Münchner Innenstadt nur locker gefüllt, aber praktisch alle, die gekommen sind, wollen sich segnen lassen: Frauen und Frauen, Männer und Männer, nicht wenige haben Tränen in den Augen.

Ein "richtiger" Segen mit allem drum und dran

Die Segnung habe gutgetan, sagen zwei Frauen nach dem Gottesdienst, habe sich wie eine gewisse Anerkennung angefühlt, eine gewisse Wertschätzung. Und zwei Männer bestätigen: "Die Einladung tut uns gut, vor allem auch als schwules Paar." Trotzdem sei ihnen natürlich bewusst, dass die Segnung nichts Selbstverständliches ist.

Die katholische Laienvertreterin Hiltrud Schönheit, Vorsitzende des Münchner Katholikenrats, glaubt, dass es wichtig ist, nach der "unverständlichen Äußerung" aus dem Vatikan zum Thema Segnungsgottesdienste Farbe zu bekennen.

"Ich denke, dass hier doch manche das Gefühl haben, sie müssen sich ganz klar positionieren", so Schönheit, "um diese Zurückweisung, die ja ansonsten doch noch da ist, aufzuheben." Da könne man Betroffenen als Kirche zehnmal versichern, die Zurückweisung gelte nicht ihnen persönlich, eine Zurückweisung sei dies dennoch.

Von Weizsäcker: Nicht Segnen ehrlicher als eingeschränkt Segnen

Ähnlich sieht das die Publizistin und Juristin Beatrice von Weizsäcker. Sie hat den Gottesdienst in St. Michael mitgestaltet und sagt: Ein bisschen segnen geht nicht. Ganz oder gar nicht, da müsse die katholische Kirche sich schon entscheiden. Das Schreiben "Fiducia supplicans" habe sie deswegen eher als "Mogelpackung" wahrgenommen, sagt von Weizsäcker.

Man könne nicht Hoffnungen wecken und einen Segen versprechen und dann fordern, dass dieser beiläufig in zehn Sekunden "sozusagen am Wegesrand" abgehandelt sein soll. "Da fände ich es fast ehrlicher zu sagen, wir können oder wollen es nicht." In St. Michael in München jedenfalls haben sie es getan und alle gesegnet, ohne Abstriche, ohne Ausnahme.

Im Audio: Papst segnet Menschen in homosexuellen Beziehungen

Ein queeres Paar mit einer Regenbogenfahne.
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Ein queeres Paar mit einer Regenbogenfahne.

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