Nur in einzelnen Fällen wollen katholische Bischöfe nicht auf die Verjährungsfrist pochen und weltliche Prozesse ermöglichen
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Missbrauchsprozesse vor weltlichen Gerichten könnten für die katholische Kirche sehr teuer werden

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Missbrauchsprozess im Fall Pfarrer H.: Gibt es Entschädigung?

Missbrauchsprozess im Fall Pfarrer H.: Gibt es Entschädigung?

Das Erzbistum München-Freising sieht im Fall des notorischen Missbrauchstäters Pfarrer H. eine Schadenersatzpflicht. Persönlich haften sollen kirchliche Würdenträger nach Informationen des BR-Politikmagazins "Kontrovers" aber nicht.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Der 38-jährige Andreas Perr wurde in den 90er Jahren von Pfarrer H. in Garching an der Alz sexuell missbraucht. Damals war er erst elf Jahre alt, erzählt er dem BR-Politikmagazin "Kontrovers". Perrs Leben nahm damals eine unglückliche Wendung. Von dem Missbrauch erzählte er damals seiner Mutter, die ihm aber keinen Glauben schenkte. Pfarrer H. war zu der Zeit im oberbayerischen Garching sehr beliebt, niemand wollte sich vorstellen, dass er Jungen missbrauchte. Und das, obwohl er bereits von einem weltlichen Gericht in Bayern als Missbrauchstäter verurteilt worden war. Der Pfarrgemeinde war das allerdings nicht bekannt.

  • Zum Artikel: "Wer trägt die Verantwortung im Fall des Pfarrers H.?"

Missbrauchsopfer hat bis heute mit den Folgen zu kämpfen

"Es hat in mir gearbeitet und ich war halt nachts oft wach und konnte nicht schlafen. Oder wenn ich geschlafen hab, dann habe ich geträumt da drüber", sagt Andreas Perr über den Missbrauch durch Pfarrer H. Teilweise habe er dann auch nicht mehr schlafen wollen. In der Schule sei er extrem schlecht geworden. "Das soziale Umfeld ist mehr oder weniger zusammengebrochen", erinnert sich Perr.

Der Jugendliche riss von zu Hause aus, lebte eine Weile auf der Straße, wurde drogenabhängig. Bis heute hat er mit den Folgen zu kämpfen. Schließlich entschied er sich im vergangenen Juni, gegen den Missbrauchstäter, aber auch gegen die verantwortlichen Erzbischöfe aus dieser Zeit eine Feststellungsklage zu erheben. Sie richtet sich gegen die Erzbischöfe Wetter und Ratzinger, die den Missbrauchstäter Pfarrer H. damals in verschiedene Pfarrgemeinden schickten. Über H. hatte es immer wieder im Hintergrund Beschwerden gegeben.

Das Landgericht in Traunstein will den Fall Peter H. zivilrechtlich aufarbeiten

Ende März soll es im Traunsteiner Prozess womöglich eine erste Anhörung geben. Für den ehemaligen, inzwischen verstorbenen Kardinal Ratzinger und späteren Papst Benedikt werden dessen offizielle Erben in das Verfahren eintreten, sofern diese das Erbe nicht ausschlagen. Wer dies sein wird, ist noch nicht bekannt. Die ehemaligen Erzbischöfe und das Erzbistum München, dem aktuell Kardinal Marx vorsteht, sowie der Missbrauchstäter Pfarrer H. werden durch acht Anwälte vertreten. Auch international tätige renommierte und sehr teure Anwaltskanzleien sind dabei.

Für das Missbrauchsopfer Andreas Perr hat der Berliner Opferanwalt Andreas Schulz das Mandat übernommen. "Der Missbrauch durch diesen pädophilen Priester, der immer von einem Standort zu dem nächsten versetzt worden ist, ist seine Verantwortung gewesen und das wird sein Schatten auf seiner Historie bleiben", sagt Andreas Schulz.

Wie knapp stand der Traunsteiner Prozess vor dem Aus?

Für den Kläger Andreas Perr war es eine schwierige Woche. Es gab viele Spekulationen, ob das Erzbistum München und Freising doch noch versuchen würde, den Prozess zum Platzen zu bringen. Man hatte nicht ausgeschlossen, auf Verjährung zu plädieren. Auf der Pressekonferenz "Ein Jahr neues Missbrauchsgutachten" gab Kardinal Reinhard Marx zu, die Bischöfe hätten sich deutschlandweit verständigt, nicht grundsätzlich auf die "Einrede der Verjährung" zu verzichten.

Im Fall Pfarrer H. wollte man sich bis zum Schluss nicht offiziell festlegen. Erst mit Ablauf einer gerichtlichen Frist erklärte das Erzbistum, man wolle den Prozess nicht verhindern und über die Verjährungsfrage hinwegsehen.

Dilemma für das Erzbistum: Kirchenvermögen oder Moral?

Viele Kirchenvertreter sehen den Schritt des Erzbistums problematisch. Sie berufen sich auf ihre generelle Pflicht, das Kirchenvermögen zu schützen. Der Kirchenrechtler Professor Bernhard Anuth von der Universität Tübingen erklärt: "In wirtschaftlicher Hinsicht wäre es konsequent, weil so Zahlungen vermieden werden könnten, allerdings wird es in moralischer Hinsicht kaum zu vermitteln sein, Schadensersatz für Missbrauchsopfer als Geldverschwendung oder Vermögensschaden zu bezeichnen, wo Bischöfe doch entschiedener als früher auf der Seite der Betroffenen stehen wollen."

Laut den Klageerwiderungen, die dem BR und dem Recherchezentrum "Correctiv" vorliegen, sieht das Erzbistum München und Freising inzwischen eine "Schadensersatzpflicht" und ist bereit "ein entsprechendes Schmerzensgeld zu leisten". Anwälte im Verfahren, die den ehemaligen Kardinal Wetter vertreten, betonen aber auch ausdrücklich: "So wie die Haftung bei Amtspflichtverletzungen von Beamten die jeweilige Anstellungskörperschaft des Staates trifft, haftet bei kirchlichen Amtsträgern ausschließlich die jeweilige Diözese." Die persönliche Haftung der involvierten Kardinäle wäre damit vom Tisch.

Missbrauchsprozess als Weg der persönlichen Aufarbeitung

Für Andreas Perr, dem Kläger, ist der Prozess in Traunstein eine Möglichkeit, sein persönliches Trauma aufzuarbeiten. Er wünscht sich mehr Transparenz in der katholischen Kirche, konkret Zugang zu den Akten und Archiven.

Da ein Zivilverfahren Geld kostet, hat sich die in Garching an der Alz gegründete "Initiative Sauerteig" entschlossen, Andreas Perr finanziell zu unterstützen und hat einen Spendenaufruf gestartet. Bisher sind 7.400 Euro eingegangen, sagt Rosi Mittermeier, eine der Mitstreiterinnen. Für den Anfang sind die Prozesskosten damit gedeckt, aber die Initiative hofft auf weitere Gelder, um auch eine mögliche Revision abdecken zu können.

Andreas Perr will eine angemessene Entschädigung, aber das ist nicht alles. Er will, dass das Gericht eine klare Aussage trifft in Bezug auf das, was ihm vor vielen Jahren angetan wurde: "Es ist für mich so wichtig, dass festgestellt wird, dass das Unrecht war und ich dann endlich mit der ganzen Geschichte abschließen kann", sagt er.

  • Zum Artikel: "Sexueller Missbrauch in der Kirche: Wo bleibt der Staat?"

Video: Missbrauchsprozess - Katholische Kirche im Zwiespalt

Wie geht die katholische Kirche mit Schadenersatzklagen von Missbrauchs-Opfern um?
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