Mit goldenem Helm und schwarzem Hemd gekleidet zeigt der frühere Stadtbrandmeister Anton Heider Teilnehmern seiner Stadtführung das Kaufbeurer Stadtmodell.
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Gekleidet wie im 19. Jahrhundert: Der frühere Stadtbrandmeister Anton Heider zeigt den Teilnehmern der Führung das Kaufbeurer Stadtmodell.

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Löschen anno dazumal: Die Anfänge der Kaufbeurer Feuerwehr

Ob Oberstdorf, Monheim oder Sulzberg – vielerorts feiern Feuerwehren heuer ihr 150-jähriges Bestehen. In Kaufbeuren liegt das Jubiläum schon zurück. Geblieben ist eine ganz besondere Stadtführung: Auf Spurensuche mit einem früheren Feuerwehrmann.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Mit goldenem Helm und schwarzem Gewand steht Anton Heider vor dem Kaufbeurer Rathaus. Der langjährige Stadtbrandmeister hat sich wie ein typischer Feuerwehrmann aus dem 19. Jahrhundert gekleidet, nur ein umgehängtes Sicherungsseil und die Axt am Gürtel fehlen. Auf seiner Tour "Feuer und Flamme" nimmt er die Teilnehmer mit in die Zeit vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert.

Anton Heider: "Ihr müsst Euch vorstellen: Um uns herum alles Strohdächer, Schindeldächer, viel aus Holz. Denn wenn früher ein Haus ganz aus Stein war, dann war der Besitzer steinreich – und das waren die wenigsten." Feuergefährlich sei das gewesen und der Brandschutz ein wichtiges Thema.

Von den Zünften bis zum Steigerkorps

Nachdem sich lange Zeit die Zünfte um ihren eigenen Brandschutz gekümmert hatten, sank mit der zunehmenden Industrialisierung die Zahl der Handwerker. Eine Pflichtfeuerwehr wurde einberufen. Doch die zeigte wenig Engagement, übte – wenn überhaupt – nur zweimal im Jahr. Eine andere Lösung musste her. Vereine, allen voran der Turnverein, wurden gegründet. Weil sich die Mitglieder einmal in der Woche trafen, waren sie zwar gut geübt, weckten mit ihren regelmäßigen Treffen laut Heider allerdings den Argwohn der Oberen. Es war die Zeit der Freidenker, man befürchtete einen Aufruhr.

Am 8. August 1858 wurde von der Stadt deshalb der Steigerzug oder Steigerkorps gegründet. Er gilt als Vorgänger der heutigen Feuerwehr. Anton Heider: "Das war eine Gruppe aus sportlichen Menschen vom Turnverein und denen, die aufs Dach gestiegen sind – also Dachdecker, Zimmerer, Maurer. Sie waren zuständig fürs Löschen. Die Wirte und Bierbrauer waren zuständig fürs Wasser. Und verantwortlich fürs Wasser herschaffen war das ganze Volk."

Ein einzelner Funke entfachte einen großen Brand

Meterlang, von Hand zu Hand wurde das Wasser in Eimern durchgereicht. Zu Männern, die auf senkrecht stehenden, schwankenden Leitern gegen die Flammen kämpften, während vom sogenannten "Demolierungstrupp" die Dächer der beiden Nebenhäuser eingerissen wurden, um eine Brandschneise zu schlagen.

Die Angst vor Bränden war groß – das Feuer verbreitete sich oft rasend schnell und hatte verheerende Folgen. Brandstiftung, so Anton Heider, war deshalb eines der Delikte, die am schwersten bestraft wurden. Wurde ein Brandstifter gefasst, landete er meist auf dem Scheiterhaufen oder wurde geköpft.

Wenn Löschwasser knapp wurde, war Einfallsreichtum gefragt

Für die Gruppe bei der Stadtführung geht es durch die Gassen rund um die Kaufbeurer Kaiser-Max-Straße. Heider zeigt, wo früher die Stadtmauer verlief, erklärt, dass die heutige Sedanstraße erst entstehen konnte, nachdem ein Gebäude inmitten der Häuserzeile abgebrannt war und führt die Teilnehmer vorbei am früheren "Ochsenwirt", dem Gründungslokal der Kaufbeurer Feuerwehr.

Mit im Gepäck hat er dabei so manche Anekdote – wie etwa vom Brand bei Pfarrer Meichelbeck. Nachdem in einer kalten Novembernacht im 19. Jahrhundert in dessen Wohnhaus ein Feuer ausgebrochen war, rannten die Einsatzkräfte zum nahegelegenen Ochsenwirt, um dort das Wasser aus dem Kessel zu holen. Das brachte den Wirt in Schwierigkeiten, wie Heider beschreibt: "Er hat gesagt: Oh mei, das ist jetzt ganz saudumm. Ich hab gerade gestern einen neuen Sud angesetzt. Im Kessel ist kein Wasser mehr – sondern Braunbier! Und ihr könnt euch vorstellen, mit welcher Begeisterung von den Feuerwehrleuten damals gelöscht worden ist", freut sich Heider. Die teuren 36 Gulden für das Bier wurden nach langem Streit von der Stadt bezahlt.

Oliver Knott, Feuerwehrmann aus dem schwäbischen Nürtingen, ist einer der Teilnehmer der Führung. Auch er erinnert sich an eine frühere Erzählung, wonach die Feuerwehr seiner Heimatgemeinde einmal auf warme Gülle zum Löschen zurückgreifen musste, nachdem im Winter das komplette Löschwasser gefroren war.

Der Alarm wurde "an die große Glocke gehängt"

Anschließend geht es für die Gruppe über 90 Stufen hoch zum Kaufbeurer Fünfknopfturm, der bis heute über der Stadt thront. Eine kleine Glocke an der Außenmauer erinnert an die Zeit, als ein Nachtwächter hier oben die Augen offenhielt. Anton Heider: "Er musste nachts immer einmal jede Stunde die Glocke anschlagen, damit man gewusst hat, er passt auf, er ist nicht beim Wirt. Und wenn Alarm war, hat er diese Glocke geläutet und dann hat die große Sturmglocke von St. Martin geantwortet, weil man hatte etwas an die große Glocke zu hängen, etwas kundzutun.“

Heider erzählt vom großen Brand 1325, bei dem am Ende nur noch sieben Häuser standen und erklärt, warum bis heute viele Bäcker – einer der brandgefährlichsten Berufe im Mittelalter – in den Eckhäusern einer Straße untergebracht sind. Heider: "So konnte man, wenn etwas passiert, gleich von zwei Seiten löschen."

Nach zwei Stunden steht die Gruppe am Spitalhof, neben dem früheren Gerätehaus der Kaufbeurer Feuerwehr. Die Führung ist zu Ende. Doch wer noch nicht ganz aus der Vergangenheit zurückkehren will, den schickt Anton Heider weiter für einen Besuch in das Kaufbeurer Feuerwehrmuseum (EXTERNER LINK). Zum 150-jährigen Bestehen der Kaufbeurer Feuerwehr wurde das Museum im Jahr 2017 in der ehemaligen Spittelmühle neu eröffnet.

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