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Kirchenaustritt

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Kirchenaustritte: Was Pfarrer gegen Mitgliederschwund tun

Die Kirchen veröffentlichen heute ihre Mitgliedszahlen. Mehrere hundertausend Menschen sind in den vergangenen Jahren aus den Kirchen ausgetreten. Pfarrer versuchen gegenzusteuern. Von Veronika Wawatschek und Karin Wendlinger

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Gut 23 Millionen Gläubige zählt die Katholische Kirche, 22 Millionen die Evangelische Kirche. Damit gehören über 50 Prozent der Deutschen einer christlichen Kirche an. Doch die Zahlen sinken jedes Jahr. So viele Menschen wie die Bewohner Augsburgs und Bayreuths zusammen – rund 350.000 Gläubige haben allein 2016 die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland verlassen. Die Zahlen für 2017 erscheinen heute.

Pfarrer wollen Mitgliederschwund verringern

Ludwig Sperrer, Pfarrer in der katholischen Pfarrei St. Benno in München, bekommt jeden Monat vom kirchlichen Matrikelamt die Zahl der Austritte in seiner Gemeinde: 195 waren es im vergangenen Jahr. Bei insgesamt 7.200 Pfarreimitgliedern sei das schon eine ganze Menge. Er will das nicht auf sich sitzen lassen und hat deshalb einen Brief entworfen, in dem er die ehemaligen Kirchenmitglieder fragt, warum sie ausgetreten sind.

"Es ist frustrierend, wenn man wirklich jeden Monat ein Packerl mit 20 Austritten in der Hand hat. Dann denkt man sich schon, was macht man denn verkehrt?" Ludwig Sperrer, Pfarrer in der katholischen Pfarrei St. Benno in München

Unzufrieden mit der Reformunwilligkeit der katholischen Kirche

Auf der Rückseite des Briefes gibt es Antwortmöglichkeiten zum Ankreuzen. Am häufigsten werden Pfarrer Ludwig Sperrer zufolge die Kirchensteuer und die Entfremdung vom Glauben als Grund für den Austritt genannt, aber auch die moralischen Ansprüche der Kirche – etwa beim Zölibat oder bei der Empfängnisverhütung. Viele würden aber auch ankreuzen, dass sie mit der Reformunwilligkeit der katholischen Kirche unzufrieden seien. "Zum Beispiel müsste die offizielle Lehrmeinung über Empfängnisverhütung offen und in die Verantwortung der Ehepartner gelegt sein. Man kann nicht mit dem alten Hut daherkommen", sagt Pfarrer Sperrer.

Kirchensteuer ist das i-Tüpfelchen für den Austritt

Pille und Zölibat sind in der Evangelischen Kirche kein Streitpunkt und trotzdem verliert sie Mitglieder: Von den 70.000 Personen, die 2016 in Bayern aus den beiden großen Kirchen ausgetreten sind, stammen 48.000 aus der Katholischen und gut 22.000 aus der Evangelischen Kirche. Die Kirchensteuer sei oft das letzte i-Tüpfelchen, das die Entscheidung besiegle, beobachtet Pfarrer Sebastian Kühnen von der evangelischen Kircheneintrittsstelle in München. Seiner Meinung nach muss die Kirche noch stärker versuchen, den Menschen zu zeigen, dass es sich lohnt, in der Kirche zu sein.

"Taufe, Konfirmation, Trauung und Beerdigung, das die vier Amtshandlungen, die wir haben, wo es eben darum geht, Menschen in besonderen Situationen ihres Lebens zu begleiten." Pfarrer Sebastian Kühnen, Evangelische Kircheneintrittsstelle in München

Kirche müsse auf die Menschen zugehen

Das hat sich auch der katholische Pfarrer Ludwig Sperrer vorgenommen. Seine Briefe nach dem Austritt verschickt er deshalb nicht per Post: "Ich schwing mich auf mein Radl und werfe sie bei den Leuten in den Briefkasten. Natürlich mit dem Ziel, dass ich klingel' und schaue ob jemand da ist." Dabei hat sich schon manches interessante Gespräch ergeben. Wieder eingetreten ist daraufhin bisher niemand. Aber immerhin bleibt Ludwig Sperrers Engagement nicht unbemerkt: Einer der Ausgetreten hat sogar mal auf dem Brief vermerkt, dass er den Kontakt mit dem Pfarrer positiv fand.