Die mutmaßliche IS-Unterstützerin Jennifer W. verzog keine Miene, als der Ermittlungsführer der Polizei Oldenburg vor dem Oberlandesgericht München aussagte. Auch am zweiten Prozesstag blieb Jennifer W. stumm. "Die Angeklagte wird sich schweigend verteidigen", sagte ihr Anwalt.
Verteidigung sieht FBI-Spitzel kritisch
Entscheidend war nach Worten des Ermittlers von der Polizei Oldenburg ein Spitzel, den die US-Bundespolizei FBI den deutschen Behörden vermittelt hatte. Der Spitzel stand via sozialer Netzwerke mit der Angeklagten in Kontakt. Ihm habe die 27-Jährige erzählt, sie wolle zurück zum IS. Bei der Terrormiliz soll sich die Angeklagte schon von September 2014 bis Anfang 2016 aufgehalten haben. Als sie zurückkam, war sie schwanger. Aber reuig, da sind sich die Emittler sicher, war sie nicht. Vielmehr habe sie der IS-Ideologie niemals abgeschworen.
Die Verteidigung sieht die Rolle des FBI-Spitzels, der als Vertrauensperson agierte, kritisch. Dieser, so Verteidiger Ali Aydin, habe sehr grenzwertig gehandelt. "Er hat viel mehr gemacht, als eine Vertrauensperson normalerweise machen sollte."
Der Spitzel habe seine Mandantin dazu ermuntert, zum IS auszureisen. Zum Beispiel habe er Jennifer W. erzählt, er hätte ihr gefälschte Reisedokumente besorgt.
"Meiner Meinung nach hat sich die Vertrauensperson strafbar gemacht. Aber wie das üblich ist bei solchen Verfahren: Gegen Vertrauenspersonen wird nie ermittelt. Wenn das keine Vertrauensperson gewesen wäre, würde er schon längst im Gefängnis sitzen wegen mindestens Beihilfe." Ali Aydin, Verteidiger
Die Rolle des FBI-Spitzels
Der FBI-Spitzel besorgte ein Auto. Er gab vor, Jennifer W. außer Landes zu bringen. Das Auto war ausgestattet mit Abhöranlagen. Ende Juni 2018 trat er gemeinsam mit Jennifer W. die Reise an. Die Reise begann in Niedersachsen, der Heimat der 27-Jährigen, und endete auf einer Autobahnraststätte bei Neu-Ulm in Schwaben. Dort schlug die Polizei zu. Weil die 27-jährige Niedersächsin in Bayern festgenommen wurde, findet der Prozess auch in München statt. Mit im Auto saß zudem die kleine Tochter der Angeklagten. Jennifer W. wollte mit ihr ausreisen, so der Vorwurf.
Zentral sind die Aussagen von Jennifer W. gegenüber dem FBI-Spitzel während der Autofahrt. Spitzel und Angeklagte unterhielten sich auf Englisch.
Der Ermittler von der Polizei Oldenburg berichtete, dass die Qualität der abgehörten Gespräche aus dem Auto nicht so gut gewesen sei. Und doch habe man ein paar Dinge verstehen können. Etwa Erzählungen von der Zeit der Angeklagten beim IS und von ihrer Tätigkeit für die Sittenpolizei - eine Einheit, die darüber wacht, dass Frauen die Bekleidungsvorschriften des IS einhalten.
Mutmaßliche IS-Unterstützerin: Mädchen versklavt und getötet
Zudem, so der Ermittler, habe Jennifer W. von ihrem Ehemann, einem fünfjährigen jesidischen Mädchen und dessen Mutter erzählt. Ein Vorwurf: Die Angeklagte soll im Irak eine Fünfjährige als Sklavin gehalten und zugesehen haben, wie das Kind, angekettet in praller Sonne, qualvoll verdurstete.
Der Senat hatte über diesen Vorfall in den vergangenen drei Wochen beraten und erteilte zu Beginn des heutigen zweiten Prozesstags einen rechtlichen Hinweis. Die 27-jährige Angeklagte soll sich möglicherweise mitschuldig gemacht haben an der Versklavung eines fünfjährigen jesidischen Mädchens und dessen Mutter.
Jennifer W. soll die beiden gemeinsam mit ihrem Ehemann auf einem Sklavenmarkt gekauft haben. Mädchen und Mutter wurden laut Anklage von dem Ehemann geschlagen. Weil das Kind ins Bett machte, soll es der Ehemann bei sengender Sonne draußen angekettet haben. Das Kind sei dann verdurstet, so die Bundesanwaltschaft. Die 27-Jährige habe nichts zur Rettung des Kindes unternommen.