Drei Menschen schneiden Nadeln von Tannenzweigen.
Bildrechte: BR/Anja Bischof

Zu schade zum Entsorgen: In Warmensteinach zeigt Elke Diezinger (li.), was man aus ausgedienten Christbäumen noch machen kann.

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Das grüne Gold der Christbäume: Wie verwertet man Tannennadeln?

Der ausgediente Christbaum kann mehr, als Strohsterne zu tragen. Eine Kräuterpädagogin gibt Tipps. Die reichen vom Christbaum-Heil-Öl bis zum Smoothie aus Tannennadeln.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Auf dem Tisch in der Kräuterwerkstatt von Elke Diezinger stehen zwei Gläser mit einem grasgrünen Getränk, in jedem steckt ein kleiner Tannenzweig. Die Seniorchefin des Hotels "Mein Krug" im oberfränkischen Warmensteinach im Landkreis Bayreuth ermuntert die zwei Teilnehmer ihres Workshops "Weihnachtsbäume verarbeiten", die Smoothies zu probieren. Die Deko-Zweige legen die Urlaubsgäste zur Seite, trinken, und nicken anerkennend. "Schmeckt nach Wald", lächelt Stefan Behlert aus der Nähe von Nürnberg. "Was ist da drin?", fragt er. "Orangensaft, Zimt, Honig und Tannennadeln", zählt Elke Diezinger auf und ergänzt: "Wenn Sie das zum Frühstück trinken, haben Sie die Power von einem Baum in sich."

Tannenbaum als Superfood

Der Tannenbaum, den Elke Diezinger in diesem Workshop verarbeiten wird, stand mehr als zehn Jahre lang auf dem Kinderspielplatz des Hotels im Fichtelgebirge. Im Dezember wurde die mannshohe Tanne gekappt und kam ins Foyer, wo sie, reich geschmückt, bis kurz vor Silvester weihnachtlichen Charme verbreitete. Nun beginnt das dritte Leben der Tanne in der Kräuterwerkstatt.

"Das sind meine Herzensmomente, wenn ich hier werkeln und anderen etwas beibringen darf", sagt Diezinger und wirft dem Baum einen liebe- und respektvollen Blick zu. "Dieser Baum ist ein Kraftpaket und Superfood, das bei uns vor der Haustüre wächst. Ich bin immer dankbar für das, was die Natur uns schenkt." Damit sie auch in zehn Jahren wieder eine Tanne fällen kann, pflanzt das Team des Hotels mindestens einen neuen Setzling für jeden gekappten Christbaum neu an.

Brot mit Fichte

Bevor die Teilnehmer selbst zupacken, schneidet die Kräuterpädagogin ein Brot auf, das ihr Mann Jürgen frisch gebacken hat. "Ich habe ihm Fichtennadeln gebracht, die hat er ganz klein geschnitten und im Brot verbacken", erzählt sie und streicht zusätzlich auf jede Scheibe ein wenig von einer Butter, in der natürlich auch kleine grüne Schnipsel von Fichtennadeln stecken. "Morgen bekommen Sie die Fichtennadelbutter zum Hüftsteak", verspricht Elke Diezinger zwei Hotelgästen. "Bisher habe ich den Weihnachtsbaum immer zu Möbeln verarbeitet", sagt Stefan Behlert, "ihn zu essen, ist eine ganz neue Erfahrung."

Die Heilwirkung der Tannennadeln

Dann dürfen Stefan Behlert und Ingrid Retterath selbst mitarbeiten. Elke Diezinger drückt beiden eine Schere und einen Tannenzweig in die Hand: "Wir schneiden ein Stück vom Zweig ab, drehen es um und schneiden die Nadeln am Holz entlang herunter", erklärt sie. "Wenn eine Tasse voll ist, sind wir damit fertig." Gemeinsam wollen sie ein sogenanntes Christbaum-Heil-Öl herstellen. Neben den Nadeln benötigt man dafür Oliven- oder Sonnenblumenöl, einen Apfel, ein wenig Bienenwachs, einen Schuss Alkohol, einen Löffel Honig und eine Prise Salz. Alle Zutaten treffen sich wenig später in einem Glaskrug, den Elke Diezinger auf einer Herdplatte erhitzt, bis es darin brodelt.

Nach einigen Minuten gießt sie den Inhalt vorsichtig durch zwei feine Siebe. Übrig bleibt ein grün-bräunlicher Sud: das Christbaum-Heil-Öl. "Es kann bei Ekzemen helfen, bei Akne und vielen anderen Hautproblemen", sagt Elke Diezinger und füllt zwei Gläschen mit dem Öl, das die Teilnehmer mit nach Hause nehmen dürfen. "Das bringe ich meiner Tochter mit", erklärt Ingrid Retterath, "sie ist in der Pubertät."

Christbaum im Glas

Die Vielfalt an Verwendungsmöglichkeiten der Nadeln von Kiefern oder Tannen scheint groß zu sein. Die 64 Jahre alte Kräuterpädagogin erzählt von Tees, Tinkturen, sogar Wodka mit Tannennadeln oder Oxymel (Sauerhonig). Häufig trocknet Ursula Diezinger die Nadeln, bevor sie sie verarbeitet und schreddert sie zu einem feinen, grünen Pulver. Mehrere beschriftete Gläser mit dem Pulver unterschiedlicher Nadelbaumsorten, aber auch Pfefferminzpulver stehen in ihrer hellgelb gestrichenen und nach einer Mixtur aus Weihnachten und Sauna riechenden Kräuterwerkstatt neben dem Hotel.

"Das Pulver passt ins Müsli, ins Salatdressing, es kann auch einfach als Gewürz genutzt werden", meint Diezinger. "So ein Christbaum, wenn er aus biologischem Anbau kommt, hat nur Gutes für uns", betont die Seniorchefin, "er hat es nicht verdient, im Müllauto zu landen."

Nachhaltigkeit und Respekt

"Unser Weihnachtsbaum zu Hause weiß noch nicht, was ihm blüht", witzelt Ingrid Retterath, die aus der Nähe von Köln kommt. Sie ist hoch motiviert, Teile ihres Baumes nach den Tipps von Elke Diezinger zu verwerten, sobald sie von ihrem Urlaub im Fichtelgebirge zurückkehrt. Und auch der Mittelfranke Stefan Behlert weiß nun, wohin mit den "nervenden" Nadeln, wenn er das Tannenholz verwertet hat. "Wenn das jemand sagt, habe ich mein Ziel erreicht", strahlt Workshopleiterin Elke Diezinger. "Wenn ich den Gedanken der Nachhaltigkeit und das Respektvolle dem Baum und der Natur gegenüber mitgeben kann, dann ist alles so gelaufen, wie ich es mir wünsche."

Im Video: Welches Potenzial in den Tannennadeln liegt

Ein braunes Fläschchen mit der Aufschrift Christbaum-Heil-Öl.
Bildrechte: BR / Anja Bischof
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Viele der 26 Millionen Christbäume landen nach Dreikönig auf dem Müll oder im Kachelofen. Dabei steckt in den Tannennadeln noch Potenzial.

Dieser Artikel ist erstmals am 4.1.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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