Ein Sarg auf einem Friedhof (Symbolbild)
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Ein Sarg auf einem Friedhof (Symbolbild)

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Für den letzten Weg: Sargträger werden dringend gesucht

Für viele sind sie selbstverständlich: Männer, die bei einer Beerdigung den Sarg zum Grab tragen und dort versenken. Doch was früher Ehrensache war, stirbt in immer mehr Orten aus. In ganz Bayern mangelt es zunehmend an Sargträgern.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Südbayern am .

Eigentlich denkt man, dass auf dem Land ehrenamtliche Sargträger noch ganz selbstverständlich sind. Das war auch früher so, sagt der Kollnburger Bürgermeister Herbert Preuß. "Früher waren das meistens Nachbarn, Verwandte, Bekannte. Oft haben sich auch Landwirte dafür Zeit genommen." Inzwischen gibt es in Kollnburg, einer Gemeinde mit rund 3.000 Einwohnern im Bayerischen Wald, keinen einzigen Sargträger mehr.

Gemeinde Kollnburg: Stellenanzeige erfolglos

Auf eine Stellenanzeige "Sargträger gesucht" meldete sich niemand. Herbert Preuß, der neben seinem Ehrenamt als Bürgermeister ein Bestattungsunternehmen betreibt, muss bei Erdbestattungen oft auf seine eigenen Mitarbeiter zurückgreifen. Die hätten aber eigentlich andere Arbeiten zu erledigen, die sie dann unterbrechen müssen. Mit Umziehen, Fahrt und Beerdigungszeremonie sind sie meist für einen halben Tag weg. Das Unternehmen mit acht Beschäftigten betreut Friedhöfe in mehreren Gemeinden. Pro Sarg braucht man vier Männer. Man kann sich also ausrechnen, dass die Leute nicht reichen. Glücklicherweise kann Herbert Preuß im Notfall auf eine Handvoll ehrenamtlicher Sargträger zurückgreifen, die es in Nachbargemeinden noch gibt.

Teisnach: Bauhof-Arbeiter übernahmen Sargträger-Dienst

In der Gemeinde Teisnach im Bayerischen Wald mussten sogar die Mitarbeiter des örtlichen Bauhofs den Dienst am Friedhof übernehmen. Auch sie mussten dafür ihre eigentlichen Arbeiten unterbrechen, aus der orangen Arbeits- in passendere Kleidung schlüpfen. "Das kann doch nicht sein", dachten sich da fünf Teisnacher und meldeten sich vor rund einem Jahr als ehrenamtliche Sargträger:

"So viel Zeit muss man haben! Das soll man schon so würdevoll, wie es nur geht, gestalten." Hans Wühr, 63 Jahre, Sargträger

Sargträger Karl Augustin, 68, vermutet, dass junge Leute "Angst vor dem Sterben oder dem Friedhof haben" und sich vielleicht deshalb nicht für diesen letzten Dienst an einem Bürger oder einer Bürgerin der Gemeinde melden. Dabei gehöre doch "das Sterben zum Leben dazu", findet der Rentner.

Jüngster Sargträger: "Es kann nicht jeder machen"

Der Jüngste in der Gruppe ist der 42-jährige Industriemeister Franz Wittenzellner. Er fängt an den Tagen, an denen nachmittags eine Beerdigung ansteht, früher mit seiner Schicht an. Aber das könnten wahrscheinlich nicht alle. "Es kann nicht jeder einfach von der Arbeit weg. Ich glaube, dass da auch der Arbeitgeber sagt, nein, du bleibst heute da. Wer nicht im gleichen Ort arbeitet, kann es sowieso nicht machen", so Wittenzellner.

Nicht jedermanns Sache sind außerdem Beerdigungen, die auf ein Wochenende fallen. Die Teisnacher Sargträger sind übrigens bei der Freiwilligen Feuerwehr. Dort sei es sowieso immer schon "Ehrensache", in Uniform den Sarg für ein Vereinsmitglied zu tragen, ebenso in einigen anderen Vereinen.

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Drei der fünf Teisnacher Sargträger, zusammen mit der Dritten Bürgermeisterin Regina Pfeffer

Bestatterverband sieht bayernweiten Mangel

In ganz Bayern fehlen zunehmend ehrenamtliche Sargträger, heißt es vom Bestatterverband Bayern, vor allem "in kleinen Gemeinden mit wenigen Bestattungen". Der Verband sieht die Ursache aber bei der Bezahlung beziehungsweise bei den Auflagen, die damit heute verbunden sind. "Früher haben die Träger ihre Aufwandsentschädigung bar auf die Hand bekommen und der Fall war erledigt", so der Geschäftsstellenleiter des Bestatterverbands Bayern Jörg Freudensprung. Heute müssten Sargträger angemeldet und sozialversichert werden.

Problem: Bei Unfällen haftet der Besteller

Besonders problematisch: Bei Fehlern oder Unfällen haftet der Besteller, sagt Freudensprung. Manche Friedhöfe haben enge Wege oder sehr schmale Abstände zwischen den Gräbern. Beim Bestattungsunternehmer Herbert Preuß ist es schon mal passiert, dass ein Sargträger, der rückwärtsgehen musste, in das gut zwei Meter tief ausgehobene, offene Grab hineingefallen ist. Glücklicherweise sei ihm nichts passiert, "aber es hätte schlimm ausgehen können". Von der Bezahlung her sind 40 Euro Aufwandsentschädigung pro Sargträger üblich bei Beerdigungen, sagt Herbert Preuß. Meistens bezahlten das direkt die Angehörigen.

Der Bestatterverband Bayern sieht den "Transport innerhalb des Friedhofs als hoheitliche Pflichtaufgabe" der jeweiligen Gemeinde. "Die Gemeinde hat dafür Sorge zu tragen, dass ihre Bürger bestattet werden", sagt Geschäftsstellenleiter Jörg Freudensprung. "Einige wenige Bestattungsunternehmen", die noch genug Personal haben, würden den Dienst übernehmen. Aber die meisten schafften es nicht, auch weil oft zeitgleich mehrere Beerdigungen betreut werden müssten.

Ein Mann geht einen Friedhofsweg entlang.
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Ein Mann geht einen Friedhofsweg entlang.

Sargträger müssen körperlich fit sein

Wer sich als Sargträger engagiert, sollte körperlich fit sein. Auch wenn man immer zu viert einen Sarg trägt, ist das Gewicht nicht zu unterschätzen: "100 bis 150 Kilo sind heutzutage nicht außergewöhnlich," so Bestattungsunternehmer Herbert Preuß. Auf vielen Friedhöfen werde der Sarg zwar mit einem Wagen zum Grab gerollt. Aber auf engen Wegen geht es nur zu Fuß und mit Muskelkraft.

Auf dem Friedhof in Teisnach ist die Arbeit besonders herausfordernd. Der ganze Friedhof liegt an einem steilen Hang, das Leichenhaus steht unten. Die Teisnacher Sargträger nutzen zwar auch einen Wagen, aber der muss per Hand bergauf geschoben werden. In das Grab wird der Sarg - wie noch in vielen Friedhöfen - traditionell mit Stricken hinuntergesenkt. Dafür muss man ein gut eingespieltes Team sein, betonen die Sargträger. Scheu davor, einen Sarg anzufassen, hat keiner von ihnen.

"Das ist doch die letzte Ehre, die ich jemandem erweisen kann, und ich kann mich so auch würdevoll von jemandem verabschieden." Karl Augustin, Sargträger

Emotional belastend sei der Dienst nur bei Toten, die man persönlich gekannt hat, oder bei tragischen Todesfällen. Ansonsten werde er natürlich zur Routine. Die Teisnacher Sargträger finden es aber schade, dass Beerdigungen auch auf dem Land immer anonymer und mit immer weniger Trauergästen ablaufen, teils weil die Angehörigen auch keine große Trauergemeinde mehr wollen. Beerdigungen im Sarg gibt es in Bayern auch immer weniger. Bayernweit werden inzwischen laut Bestatterverband rund 75 Prozent in Urnen bestattet. Für die braucht man nur noch einen Träger.

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Der steile Weg im Friedhof der Bayerwald-Gemeinde Teisnach

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