Symbolbild: München: Ein zerstörtes Wahlplakat der SPD steht an einem Straßenrand
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Tarnlisten

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#Faktenfuchs: Was ist eine Tarnliste?

Am 15. März ist Kommunalwahl in Bayern. Vor der Wahl taucht immer wieder der Begriff "Tarnliste" auf. Der Faktenfuchs klärt, woher der Begriff "Tarnlisten" stammt und wie er verwendet wird.

  • Dieser Artikel stammt aus 2020. Alle aktuellen #Faktenfuchs-Artikel finden Sie hier

Vor der Kommunalwahl in Bayern am 15. März steigt das Interesse auch an den gesetzlichen Vorgaben dafür. Das fällt auch in den User-Kommentaren in den Social-Media-Kanälen von BR24 auf. So brachte einer der Leser eines Beitrags auf BR24-Facebook die Frage nach dem Begriff "Tarnlisten" auf. Damit steht der Vorwurf im Raum, dass bestimmte Parteien Wählerinnen und Wähler in die Irre führten.

Der #Faktenfuchs geht der Frage nach, was der Begriff "Tarnliste" eigentlich bedeutet – und was legal ist.

In der Politikwissenschaft gibt es keine Definition des Begriffes "Tarnliste". Im Sprachgebrauch taucht "Tarnliste" laut dem digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) zum ersten Mal vermehrt Mitte der 1980er-Jahre auf.

In der Regel bezeichnen Verfassungsschützer Listen die "Agenda der NPD vertreten und auch personelle Bezüge zur NPD" aufweisen als Tarnlisten.

Politikwissenschaftler empfehlen, den Begriff "Tarnliste" nur für radikale Parteien zu verwenden. Für alle anderen Parteien sind die Begriffe "Zweit- bzw. Doppelliste" korrekter.

💡 Was ist eine Tarnliste?

Es gibt keine einheitliche und auch keine politikwissenschaftliche Definition des Begriffs "Tarnliste". In der Forschung versteht man Tarnlisten als Listen, die nicht unter dem Label einer Partei auftreten, aber hauptsächlich aus Mitgliedern einer Partei zusammengesetzt sind. Der Begriff Tarnliste ist politisch aufgeladen: In Bayern wird er vor allem vom Landesamt für Verfassungsschutz und von Oppositionsparteien verwendet. In der Regel bezeichnen Verfassungsschützer Listen die "Agenda der NPD vertreten und auch personelle Bezüge zur NPD" aufweisen als Tarnlisten. Politikwissenschaftler empfehlen, den Begriff "Tarnliste" nur für radikale Parteien zu verwenden. Für alle anderen Parteien sind die Begriffe "Zweit- bzw. Doppelliste" korrekter. (Erklärt von Sammy Khamis, Schwerpunkt Innenpolitik und Extremismus)

Tarnlisten: 1980er-Jahre vor dem Bundesverfassungsgericht

Im November 1986 entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dass "Parteien nicht verlängerter Arm einer anderen Organisation sein [dürfen], dies betrifft auch sogenannte Tarnlisten", wie der Staats- und Verwaltungsrechtler Christoph Degenhart schreibt. Das Bundesverfassungsgericht entschied damals gegen eine "Tarnliste" der NPD bei der Kommunalwahl (in Hamburg).

Kommunalwahl 1990: "Tarnlisten" bei der CSU

Im Vorfeld der bayerischen Kommunalwahl 1990 wurde der Begriff "Tarnliste" in Medien mehrfach verwendet. Der Grund: Die CSU hatte damals mehrere Listen aufgestellt, die als "Junge Liste" oder "Freie Bürgerunion" liefen. Die jeweiligen Wahlausschüsse schlossen diese Listen aus, da es sich um "Tarnlisten" handelte.

Seit den 2000er-Jahren werden "Tarnlisten" vor allem als analytische Größe des Verfassungsschutzes verwendet. Das heißt: Die Behörde liefert damit eine Einordnung, welche Strategien aus ihrer Sicht Extremisten bei der Kommunalwahl anwenden. Mit dieser Einschätzung der Verfassungsschützer ist jedoch keine Aussage darüber verbunden, ob solche Listen legal sind oder nicht. Der bayerische Verfassungsschutz bezeichnet die Listen der "Bürgerinitiative Ausländerstopp" als Tarnlisten. Das begründet ein Sprecher der Behörde damit, dass diese "Bürgerinitiativen eine Agenda der NPD vertreten und auch personelle Bezüge zur NPD aufweisen, insoweit dienen die Gruppierungen bzw. ihre Namensgebung der Tarnung".

Verfassungsschutz: "Tarnlisten" der NPD in Bayern

Im Hinblick auf das Wahlrecht – also auf die Gesetze – ist es bei den Kommunalwahlen erlaubt und gängige Praxis, dass Einzelpersonen, die Mitglied einer Partei sind, auf einer Liste kandidieren, die nicht von ihrer Partei stammt. Somit ist es legal, dass zum Beispiel eine CSU-Politikerin nicht auf der lokalen CSU-Liste steht, sondern auf einer unabhängigen Liste – wie zum Beispiel in Landshut auf der Liste "Bürger für Landshut".

Grundsätzlich muss jede und jeder, der in Bayern bei der Kommunalwahl antreten will, auf einer Liste stehen. Dadurch kann es zu Listen mit Namen kommen, die Wählerinnen und Wähler bisher nicht kannten.

Landtag 2018 erlaubt Doppellisten

Ein BR24-Facebook-Nutzer, dessen Kommentar den Anlass zur Recherche gab, behauptete, dass die CSU "Tarnlisten" zur aktuellen Kommunalwahl verwende und das nur aufgrund einer Änderung im Kommunalwahlrecht 2018 möglich sei.

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BR24 Nutzer auf Facebook - CSU verwende Tarnlisten

Politikwissenschaftler: "Tarnlisten" nur bei radikalen Parteien

Tatsächlich änderte der bayerische Landtag 2018 mit den Stimmen der CSU das Kommunalwahlrecht. Seither ist es einer Partei erlaubt, mehrere Listen auch unter unterschiedlichen Namen zu führen. Die Opposition nannte das eine "Zulassung von Tarnlisten". Politikwissenschaftler und Juristen empfehlen in diesem Zusammenhang aber, auf den Begriff "Tarnliste" zu verzichten. Sie wählen eher Begriffe wie "Doppellisten" oder "Zweitlisten".

Fazit

Der Begriff "Tarnliste" ist nicht politikwissenschaftlich definiert. "Tarnliste" ist ein politischer Begriff, verwendet von Medien, Oppositionsparteien und vom Verfassungsschutz als Begriff zur Einordnung. In der Politikwissenschaft wird für nicht radikale Parteien der Begriff "Doppel- oder Zweitliste" empfohlen. Durch eine Gesetzesänderung sind diese Doppellisten seit 2018 in Bayern zugelassen.

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